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    Middle of Nowhere
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Middle of Nowhere
    Von Jens Hamp

    John Stockwell kann es einfach nicht lassen. Seit jeher erklärt der Regisseur Mädels, die in knappen Bikinis herumspringen, zum zentralen Bestandteil seiner Filme. Während solch freizügigen Anblicke im Fall Into The Blue (Jessica Alba) und Blue Crush (Kate Bosworth) einem Großteil der männlichen Zuschauerschaft den Filmgenuss versüßten, fiel es trotz viel nackter Haut schon bedeutend schwerer, auch dem Hostel-Klon Turistas noch etwas Positives abzugewinnen. Mit „Middle Of Nowhere“ verlässt Stockwell nun erstmals die Bikinizone und liefert eine beeindruckend gespielte Dramödie über den Wert von Freundschaft und das Aufwachsen in einer Kleinstadt.

    Ganz hinter sich gelassen hat Stockwell seine Leidenschaft für Bikinis freilich noch nicht, deshalb arbeitet die Protagonistin (Eva Amurri) in den Sommermonaten auch in einem Vergnügungsbad. Der spärliche Minimallohn reicht ihr trotz guter Noten in der Schule nicht aus, um den Sprung ins College zu schaffen. Weil ihre Mutter (Susan Sarandon, Elizabethtown, Rocky Horror Picture Show) bereits einen stattlichen Schuldenberg in ihrem Namen anhäufte, ist das Institut für Studienkredite nicht gewillt, der Heranwachsenden weiteres Geld zur Verfügung zu stellen. Um die für sie utopische Summe von 12.000 Dollar für die Studienzulassung dennoch zusammenkratzen, geht sie auf das Angebot ihres Arbeitskollegen Dorian (Anton Yelchin, Star Trek, Terminator: Die Erlösung) ein und verdient sich nebenbei ein paar Dollar als Drogenkurierin…

    Susan Sarandon stand bereits zwei Mal gemeinsam mit ihrer Tochter Eva Amurri (bei Groupies Forever und bei einer „Friends“-Episode) vor der Kamera. Während die gestandene Aktrice bisher die stets tonangebende Rolle übernahm, wendet sich nun das Blatt. In bestechender Form tritt Amurri aus dem Schatten ihrer Mutter. Wunderbar nuanciert spielt sie die innerlich zwiegespaltene Grace und vereinnahmt das Publikum mühelos mit ihren großen Augen. Dieser erinnerungswürdigen Vorstellung steht der derzeit hoch gehandelte Anton Yelchin in nichts nach. Mit spitzbübigem Charme wickelt er Grace und den Zuschauer um den kleinen Finger und lässt völlig in Vergessenheit geraten, dass sein Charakter eigentlich ein Drogendealer ist. Für Sarandon bleibt in dieser Coming-of-Age-Geschichte nur wenig Platz. Dementsprechend hält sie sich angenehm zurück und lässt dem Schauspielnachwuchs den nötigen Raum. Einzig in einem Streitgespräch fordert Sarandon ihre Tochter im direkten Duell heraus – eine Aufgabe, die Amurri geradezu mühelos meistert.

    Aber nicht nur die Darsteller bestechen, auch das von Michelle Morgan verfasste Drehbuch überzeugt mit Figuren, die jedermanns Nachbar sein könnten. Trotz der strafrechtlichen Risiken bleiben die Entscheidungen und Reaktionen der Charaktere immer nachvollziehbar. So hadert Grace ob des Haschischverkaufs zunächst mit ihrem Gewissen. Während der Kurierfahrten entwickelt sich zwischen ihr und Dorian zaghaft ein freundschaftliches Verhältnis, während sie sich zugleich kopfüber in eine Liebelei mit dem braungebrannten Sunnyboy Ben (Justin Chatwin, Dragonball Evolution, Krieg der Welten) stürzt. Der Verkauf der Drogen wird dabei nie moralisch bewertet, er dient den beiden Teenagern vielmehr als Möglichkeit, sich endlich etwas Eigenes zu schaffen und sich gegen das ungeliebte Elternhaus aufzulehnen.

    Verfeinert wird „Middle Of Nowhere“ mit einigen klassischen Elementen des Independent-Kinos. Die Dialoge sind knackig-pointiert und vereinzelt mit herrlich schrägen Weisheiten gewürzt – ohne sich deshalb gleich an das Komödiengenre anzubiedern. Im Hintergrund dudeln vermehrt alternative Popmelodien (vor allem von Ferraby Lionheart), die das Geschehen verschroben untermalen. Chefkameramann Byron Shah versteht es zudem trotz überwiegend statischer Einstellungen, die Bilder durch die geschickte Platzierung der Protagonisten wie kleine Gemälde erscheinen zu lassen.

    „We need to keep an eye on our friends. Cause most people walk in and out of our lives. But friends leave footprints on our hearts.“

    Fazit: Trotz John Stockwells dezentem Bikinifetischismus ist „Middle Of Nowhere“ ein zauberhaftes Coming-Of-Age-Drama, das mit zwei hochtalentierten Stars von morgen auftrumpft. Schade ist nur, dass kein Verleih genug Mut aufgebracht hat, um dem Film zumindest eine kleine Kinoauswertung zu bescheren. Ähnlich wie bei den Kulthits Little Miss Sunshine oder Garden State wäre das geneigte Publikum auch hier auf eine dieser kleinen Indie-Perlen gestoßen…

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