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    Green Zone
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Green Zone
    Von Carsten Baumgardt

    Auf in den Irak! Das dachte sich anno 2003 der damalige US-Präsident George W. Bush, faselte etwas von versteckten Massenvernichtungswaffen, schickte seine Jungs hin und ließ Diktator Saddam Hussein einkassieren. Sechs Wochen später: Mission Iraqi Freedom ausgeführt. Krieg beendet. „Die USA und ihre Verbündeten haben gewonnen“, verkündete Bush vor der filmreifen Kulisse tausender jubelnder Soldaten auf dem Flugzeugträger Abraham Lincoln. Wie falsch der ungeliebte Präsident in dieser Hinsicht lag, bewies die Historie. Weder wurden im Irak ABC-Waffen gefunden, noch konnten die Amerikaner das Land befrieden. Regisseur Paul Greengrass springt nun in die Bresche und arbeitet das Thema in seinem Polit-Action-Thriller „Green Zone“ für ein Massenpublikum neu auf – allerdings in typischer Hollywood-Manier, was dem Film deutlich an Wirkung nimmt.

    Bagdad im März 2003: US-Army-Offizier Roy Miller (Matt Damon) riskiert mit seinem Team in den Kriegswirren der irakischen Hauptstadt bei jedem Einsatz sein Leben. Sein Einsatztrupp soll Saddams Massenvernichtungswaffen aufspüren. Doch trotz vermeintlich solider Geheimdienstinformationen zieht Miller eine Niete nach der anderen. Verärgert wendet er sich an seine Vorgesetzten, die jedoch von seinen Einwänden nichts hören wollen. Drahtzieher dieser fragwürdigen Hinweise ist offenbar der Sonderbeauftragte des Pentagons, Clark Poundstone (Greg Kinnear). Miller vertraut sich dem abgebrühten CIA-Mann Martin Brown (Brendan Gleeson) an, der ebenfalls vermutet, dass im Irak etwas kolossal schief läuft. Dank eines Tipps des irakischen Zivilisten Freddy (Khalid Abdalla) stürmt Miller mit seinen Leuten eine Zusammenkunft hochrangiger Saddam-Vertrauter, die aber größtenteils flüchten können. Brown hetzt Miller auf ihre Fersen…

    Ein weiterer The Hurt Locker oder „Jason Bourne im Irak“? Das waren zwei populäre Assoziationen, die sich in Bezug auf Paul Greengrass‘ „Green Zone“ förmlich aufdrängten. Grundlage für diesen politisch motivierten Action-Reißer bildet das Enthüllungs(sach)buch des Washington-Post-Journalisten Rajiv Chandrasekaran – allerdings reichte es bei „Green Zone“ nur zu einem „Inspired by“ und nicht zu einem „Based on“. Während der Schreiber in seinem faktenüberbordenden „Imperial Life In The Emerald City“ mit satirischer Schärfe und Polemik die Arroganz der Amerikaner anprangert und die Absurdität der Szenerie herausarbeitet, springt Greengrass auf einen ganz anderen Zug auf.

    Vordergründig will „Green Zone“ vom Versagen der US-Truppen im Irak-Krieg erzählen. Aber bevor sich der Film an dieser Front abarbeitet, lässt es Greengrass ordentlich krachen. Seinen hyperrealistischen Stil mit extremer Wackelkamera, den der Brite bereits in Flug 93, Die Bourne Verschwörung und Das Bourne Ultimatum zelebrierte, könnte sich der Regisseur praktisch schon patentieren lassen. Einen unverwechselbaren Inszenierungsstil zu haben, ist wunderbar, aber im Fall von „Green Zone“ wirkt es, als ob Greengrass Greengrass imitiere. Natürlich stimmt formal die inszenatorische Qualität, wenn schwerbewaffnete US-Soldaten durch Bagdad walzen, aber im Gegensatz zu Greengrass‘ früheren Filmen berühren die Bilder nicht in dem Maße, das nötig wäre, um den Zuschauer und die US-Kämpfer zu einer Einheit verschmelzen zu lassen. Als Identifikationsfigur wird nur Matt Damons Captain Roy Miller angeboten, der Rest seiner Truppe kommt über den Status von Abziehbildern nicht hinaus.

    Der besondere Kniff, mit dem Greengrass „Green Zone“ angeht, ist so clever wie feist. Er packt den amerikanischen Patriotismus an der Krawatte, würgt ihn kräftig und kehrt die Vorzeichen einfach um. Zu Beginn des Krieges 2003 war es oberste US-Bürgerpflicht, hinter der eigenen Armee zu stehen, weil sie schließlich die ominösen Massenvernichtungswaffen suchen sollte. Greengrass tut aber so, als wären seine Charaktere damals schon mit dem späteren Wissen ausgestattet und ist damit eigentlich unpatriotisch, weil er die Mission in Frage stellt – aber das setzt der Regisseur mit derart knackigem Selbstverständnis um, dass die guten Amerikaner die Bösewichte plötzlich in den eigenen Reihen suchen. Und damit wären wir dann doch wieder bei der bedingungslosen Vaterlandstreue…

    Mit seiner Kriegskraftmeierei verschafft sich „Green Zone“ erst einmal Luft, um sich eine Fallhöhe zu erarbeiten. Nach und nach gesellt sich der politische Verschwörungsplot hinzu und wird in immer feineren Mustern verwoben. Der Motor ist stets Captain Miller, der die verschiedenen Interessengruppen verbindet und deren Handeln vorantreibt. Dabei ist der Polit-Thriller-Teil weitaus packender als die solide standardisierte Nahkampfaction. Leider gehen Greengrass in der letzten Viertelstunde die Gäule durch und er stößt im Schlußakt vieles von dem um, was er sich an Integrität aufgebaut hatte. Einen kerzengraden Gerechtigkeitskämpfer innerhalb dieses so hierarischen Militärapparats einsam auf einen Kreuzzug gegen die US-Politik zu schicken, versorgt den Film mit einem nicht unerheblichen Glaubwürdigkeitsproblem. Gewiss, für einen 08/15-Hollywood-Reißer ist das ausreichend, aber wer auf intelligente Weise den Finger schmerzhaft in amerikanische Wunden pressen will, muss dies schon mit mehr Filigranität und Verve angehen.

    Matt Damon (Der Informant, Invictus) gibt seinen aufrechten und herzensguten Militär schnörkellos und ohne Kompromisse. Dass es diesem Captain Miller an Komplexität mangelt, lässt Damon kalt. Während Greg Kinnear (Little Miss Sunshine, Besser geht’s nicht) unmissverständlich der Platz auf der Bank der Bösewichte zugewiesen wird und er diesen Umstand mit angemessener Arroganz und Hinterhältigkeit ausstaffiert, ist es Brendan Gleeson (Brügge… sehen und sterben?, Harry Potter und der Feuerkelch) als zwielichtiger CIA-Agent Brown vergönnt, sich die besten Szenen zu stehlen. Gerade seine Ambivalenz setzt Reizpunkte, die erforderlich sind, um den Politplot zuzuspitzen.

    Fazit: „Green Zone“ ist ein solider Polit-Action-Thriller, der sich einiges an Wind selbst aus den Segeln pustet, weil er seine Botschaft zu ungehobelt in die Welt hinausposaunt. Weit weniger packend und intensiv als „The Hurt Locker“, Operation: Kingdom oder auch Von Löwen und Lämmern schickt Paul Greengrass einen sendungsbewussten Jason-Bourne-Verschnitt in den Irak – ohne dabei allerdings die Klasse des Originals zu erreichen.

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