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    The Last House on the Left
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    The Last House on the Left
    Von Christoph Petersen

    Die Ursprünge reichen weit zurück, nämlich bis ins Schweden des 14. Jahrhunderts. Der Legende nach wurde damals eine Bauerntochter von drei Schäfern vergewaltigt und ermordet. Anschließend baten die Mörder bei einem nahegelegenen Hof, der ausgerechnet den Eltern des getöteten Mädchens gehörte, um Beherbergung. Die Hausherren fanden heraus, dass die Gäste ihre Tochter auf dem Gewissen haben, und rächten sich fürchterlich. 1960 erzählte Ingmar Bergman diese Sage in seinem meisterhaften Moralstück „Die Jungfrauenquelle“, das mit seinen für die damalige Zeit extremen Vergewaltigungs- und Mordszenen für einen Skandal sorgte. Zwölf Jahre später griff Wes Craven (Hügel der blutigen Augen, Nightmare – Mörderische Träume, Scream) den Stoff in seinem Spielfilmdebüt „The Last House On The Left“, das in Deutschland auch unter dem Titel „Mondo Brutale“ vertrieben wurde, erneut auf. Das Rape-Revenge-Movie überzeugt mit einem durchgängig gesellschaftspessimistischen und extrem fatalistischen Unterton, der die Schmerzgrenze vieler Zuschauer pulverisieren dürfte. Im Zuge des allgemeinen 70th-Remake-Wahns (siehe: The Hills Have Eyes, The Texas Chainsaw Massacre oder Freitag der 13.) kommt nun auch eine Neuauflage von „Last House On The Left“ in die Kinos. In Anbetracht dessen, dass Subtilität und Subtext für das moderne Horrorkino offenbar Fremdworte sind, klingt das zunächst wenig vielversprechend. Doch das megafiese Dreckstück von einem Film, das der griechischstämmige Regisseur Dennis Iliadis hier abliefert, entpuppt sich als durchaus positive Überraschung.

    Bei einem Urlaub mit ihrer 17-jährigen Tochter Mari (Sara Paxton, Plötzlich verliebt, Superhero Movie) an einem abgelegenen See hofft das wohlhabende Ehepaar John (Tony Goldwyn, Last Samurai) und Emma Collingwood (Monica Potter, Im Netz der Spinne, Saw), endgültig über den Tod ihres Sohnes hinwegzukommen. Gleich am ersten Abend packt Mari die Unternehmungslust. Gemeinsam mit ihrer Freundin Paige (Martha MacIsaac, Superbad) landet sie im Hotelzimmer des etwa gleichaltrigen Justin (Spencer Treat Clark, Mystic River), der die Mädchen mit gutem Hasch ködert. Doch Justins Vater Krug (Garret Dillahunt, No Country For Old Men), ein flüchtiger Mörder, dessen Grufti-Freundin Sadie (Riki Lindhome, Powder Blue) und Justins psychopathischer Onkel Giles (Joshua Cox) kehren früher als erwartet zurück. Es folgt eine sadistische Orgie, in deren Verlauf Mari brutal vergewaltigt wird, während sie zusehen muss, wie Paige neben ihr röchelnd verblutet. Mari, eine gute Schwimmerin, kann sich zwar noch in den See flüchten, doch Krug verpasst ihr zum Abschied eine Kugel in den Rücken. Ein heftiges Gewitter zieht auf, die Gang sucht Unterschlupf im nahegelegenen Haus der Collingwoods. Zunächst erweisen sich John und Emma als höfliche und zuvorkommende Gastgeber, bis sie herausfinden, was mit ihrer innig geliebten Tochter geschehen ist…

    Der Film beginnt mit einem Paukenschlag, der gleich die konsequente Gangart des weiteren Geschehens vorwegnimmt. Krug sitzt in Handschellen auf dem Rücksitz eines Polizeiwagens, als seine Kumpane mit einem Jeep voll in das Auto krachen. Der eine Cop wird mit einem Kopfschuss hingerichtet, der andere in aller Ruhe mit seinem Gurt erdrosselt, während ihm Krug ein blutverschmiertes Bild seiner kleinen Töchter unter die Nase hält. Auch später hält die Kamera bei jeder Gewaltszene voll drauf, das Gleiche gilt für Maris Vergewaltigung. So gerät der Film bisweilen gefährlich nah an die Grenze eines banalen Gewaltpornos à la Saw 4 oder Hostel 2. Doch Regisseur Iliadis reißt das Ruder stets rechtzeitig rum, indem er sich an der Gewalt eben nicht stumpf weidet, sondern sie wie beiläufig vorführt: Wenn Krug Paige ein Messer in den Bauch sticht, ist das keinesfalls ein Rammen, vielmehr gleitet das Messer in den Mädchenkörper wie in Butter. Es ist kein Akt, der übermäßiger körperlicher Anstrengung bedürfte, sondern eine Nebensächlichkeit. Für die Gangster ist das Töten schon lange keine große Sache mehr, es scheint ihnen keine Probleme, aber eben auch keinen sonderlichen Spaß zu bereiten. Eine zynischere und pessimistischere Schilderung ist wohl kaum mehr vorstellbar.

    Achtung: Spoiler! Was wäre „Bambi“ ohne den Tod der Mutter? Was Citizen Kane ohne das Ableben von Orson Welles? Was Psycho ohne das Niedermetzeln von Janet Leigh in der berühmt-berüchtigten Duschkabine? Die eigentliche Idee hinter „Die Jungfrauenquelle“ und dem „The Last House On The Left“-Original ist es aufzuzeigen, dass unter den richtigen Umständen jeder Mensch zur Bestie mutieren kann. Die Eltern, die sich zu Beginn der Handlung noch moralisch über die Mörder und Vergewaltiger stellen, stehen diesen am Ende in Sachen Gewaltbereitschaft und Grausamkeit in nichts nach. Doch im Remake überlebt Mari die Tortur. Sie kriecht nach Hause und wird von ihrem Vater notdürftig verarztet. In der Neuauflage rächen sich die Collingwoods also nicht für die Qualen ihrer Tochter, sie verteidigen sich lediglich. Damit wird dem Film jeder Ansatz von Subtext unter den Füßen weggezogenen. Lediglich in der allerletzten Szene, die an die klassische städtische Legende von der Großmutter, die ihren Pudel in der Mikrowelle trocknet, angelehnt ist, präsentiert sich der Vater als Racheengel. Doch die Sequenz ist im Stile einer Splatter-Comedy angelegt, so dass sie eher amüsiert als schockiert. Ende des Spoilers!

    Dass diese Abänderung dem Film nicht komplett das Genick bricht, ist vor allem der Qualität des Regisseurs zu verdanken. Die Inszenierung von Dennis Iliadis („Hardcore“) liegt deutlich über dem Schnitt vergleichbarer Produktionen. In Sachen Intensität können da aus der jüngsten Horrorwelle allenfalls noch Bryan Bertinos The Strangers und Michael Hanekes Funny Games U.S. mithalten. Ohne Skrupel zieht Iliadis die Spannungsschraube immer weiter an, selbst nach der Vergewaltigung, die sich nach etwa der Hälfte der Spielzeit ereignet, lässt er nicht locker, sondern rettet die aufgeladene Atmosphäre ohne erwähnenswerte Verluste ins Ferienhaus der Collingwoods hinüber. Hier veranstaltet der Grieche dann ein konsequent-fatalistisches Blutbad, das unter die Haut geht. Vor allem der zweckentfremde Einsatz eines Müllschluckers schlägt auf den Magen.

    Fazit: „Last House On The Left“ ist das Remake eines Remakes, das die Ambitionen seiner Vorgänger vollkommen hinter sich lässt, dafür aber als intensives Stück Spannungskino erstaunlich gut funktioniert.

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