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    Underworld: Aufstand der Lykaner
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Underworld: Aufstand der Lykaner
    Von Jan Hamm

    Haben sie Hunger, sind Vampire ausgesprochen unangenehme Zeitgenossen. Leid und Liebe aber teilen sie sich mit ihrer Beute. Vielleicht ist es gerade diese allzu menschliche Seite, die den Blutsaugern zu einer Popularität verholfen hat, von der das restliche Gruselkabinett nur träumen kann. Jüngst war es die vampiristische Überhöhung pubertärer Konflikte, mit der So finster die Nacht und Twilight ihr Publikum einfingen. Mit den Wirren der Adoleszenz hat der nächste Leinwand-Auftritt der Unsterblichen nichts zu tun, stattdessen wird erhabener Dramenstoff verhandelt. Vor mittelalterlicher Kulisse spielt „Underworld - Aufstand der Lykaner“ Romeo und Julia als düstere Fantasy durch. Es bedarf keiner Shakespeare-Kenntnisse, um den tragischen Ausgang der Liaison zwischen Werwolf und Vampirin zu erahnen – erzählte Underworld die Geschichte doch bereits in knappen Rückblenden. Für das Prequel der stylishen Neo-Noir-Prügelei trommelte Len Wiseman („Underworld“, Underworld: Evolution) als Produzent bis auf Kate Beckinsale den alten Cast erneut zusammen und überließ seinem Effekt-Spezi Patrick Tatopoulos das Feld. Dessen Metier ist schaurig-schönes Vampir-Make-up, das Regieführen leider eher weniger. „Aufstand der Lykaner“ verspricht großes Drama, übergeht dann aber die Höhepunkte der theatralischen Geschichte mit einer belang- und ideenlosen Inszenierung. Zumindest als unterhaltsamer Actioner überzeugt der dritte „Underworld“-Streifen dank toller Ausstattung und zwei teuflisch guten Hauptdarstellern dennoch.

    Sein ganzes Leben hat der junge Werwolf Lucian (Michael Sheen, Frost/Nixon) in der Sklaverei verbracht. Für seinen Herren, den Vampirkönig Viktor (Bill Nighy, Operation Walküre, Tagebuch eines Skandals), muss er nicht bloß täglich im Steinbruch unterhalb der Blutsauger-Residenz schinden, sondern auch bei der Jagd auf seinesgleichen aushelfen. Längst wäre der Lykaner an Viktors grausamem Spiel zwischen Demütigung und Anerkennung zerbrochen, wäre da nicht dessen Tochter Sonja (Rhona Mitra, Doomsday, Shooter), mit der er eine gefährliche Liebschaft eingeht. Viktor, der vor allem anderen die Vermischung der Blutlinien fürchtet, wird zunehmend misstrauisch, die Enttarnung des geheimen Paares scheint nur eine Frage der Zeit. Dann gelingt Lucian die Flucht. Im weiten Waldland vor der Feste versammelt er seine wilden Brüder, bereit zur Schlacht gegen den Tyrannen. Einmal noch kehrt Lucian an den Ort seiner Knechtschaft zurück und bittet Sonja, ihm zu folgen. Doch es kommt zur Katastrophe. Rasend vor Wut und Enttäuschung kerkert Viktor die Liebenden ein und verurteilt sie zum Tode...

    Klingt nach Melodram, ist es aber nicht. Das Pathos seiner Geschichte beschämt ignorierend, versucht Tatopoulos an den Inszenierungsstil der zwei hippen Vorgänger anzuknüpfen. Doch wo deren futuristischer Lack-und-Leder-Look durch die Videoclip-Ästhetik stimmig ergänzt wurde, beißen sich Stil und Inhalt dieses Mal gehörig. Stylish anzuschauen ist „Aufstand der Lykaner“ zwar, vor allem dank plastischer Mittelalter-Ausstattung und beklemmend-klaustrophobischen Interiors. Den implizit epischen Tenor verfehlt Tatopoulos aber so grob, dass es ein Ärgernis ist. Dabei sind die Zutaten alle vorhanden. Der Film bleibt nicht beim Shakespeare-Motiv stehen, sondern bettet die Lovestory in ein Revolutionsszenario ein, das die Heldengeschichte automatisch in sich trägt. Die großen Polit-Entwürfe des frühen 20. Jahrhunderts prallen aufeinander, wenn Viktor als Agent eines dekadenten und zutiefst chauvinistischen Herrenmenschentums auftritt. Ihm entgegen steht ein werwölfisches Proletariat, das sich gegen Rassismus und einseitige Produktionsmittelverteilung erhebt. Fantasy-Historie als Klassenkampf – eine schneidige Idee, die leider schnell zur Kulisse für flotte Actionetappen verkommt.

    „Aufstand der Lykaner“ ist einer der Filme, die es schaffen, bei durchschnittlicher Spieldauer so wenig wie möglich über ihre Figuren zu erzählen. Das Leid der Arbeiterklasse, Viktors Vatergefühle, eine Liebesbeziehung unter derart widrigen Bedingungen – das sind Details, die a priori stehen und lediglich in Andeutungen abgehandelt werden. Die Chance, sein Drama gefühlvoll vorzubereiten, schlägt Tatopoulos achtlos in den Wind. Selbst die Höhepunkte werden durch die ideenarme Inszenierung jeder Tragweite beraubt. Wer sich auf eine ergreifende Auserzählung der in „Underworld“ angeschnittenen Tragödie freut, wird enttäuscht, wenn die finale Exekutionsszene und das folgende Duell zwischen Lucian und Viktor in wenigen Einstellungen und ohne jeglichen Sinn für Dramaturgie abgespult werden. Tatopoulos ist ein Handwerker, Visionen hatte er für diesen Film keine. Noch mehr Potential wird durch den plätschernden Score verschenkt. Ex-Tangerine-Dream-Musiker Paul Haslinger bleibt trotz des mitterlalterlichen Settings modern und verpasst es, dem im Kern opernhaften Treiben angemessenen Chorbombast zur Seite zu stellen. „Underworld“ bleibt sich auch im dritten Anlauf als oberflächliches Entertainment-Kino treu.

    Michael Sheen und Bill Nighy geben sich als Lucian und Viktor einmal mehr die Ehre. Es sind einzig die beiden Hauptdarsteller, die zum Pathos des Films stehen und sich durch die Handlung fauchen, brüllen und wispern, als stünden sie tatsächlich auf einer Shakespeare-Bühne. Differenzierte Zwischentöne reicht ihnen das Drehbuch ohnehin nicht an, warum dann nicht direkt auf zum hemmungslosen Overacting? Sheen verleiht dem Werwolf-Führer den rauh-maskulinen Charme, der ihn schon im ersten „Underworld“ zum eigentlichen Sympathieträger machte. Und ein mit tiefblau funkelnden Kontaktlinsen ausgestatteter Nighy gibt die tyrannische Bestie mit einer Bedrohlichkeit, die im Genre nahezu beispiellos ist. Beckinsale-Nachfolgerin Rhona Mitra hat keine Chance, sich vor ihren übergroßen Mitstreitern zu behaupten. Ihre Sonja ist gerade amazonenhaft genug, um in den Kampfsequenzen eine gute Figur abzugeben, bleibt ansonsten aber blass.

    „Aufstand der Lykaner“ ist nicht abgründig genug, um einen Horrorstreifen abzugeben, nicht gefühlvoll genug für ein düsteres Liebesdrama – wohl aber temporeich genug, um als Fantasy-Actioner zu passieren. Als sehr nützlich erweist sich dabei das serientypische, ständige Halbdunkel, in dem durch die Nacht fetzenden Werwölfen nur gelegentlich auf den mittelprächtigen CGI-Pelz zu blicken ist. Der Großteil des Films sieht angenehm greifbar aus, die Kostüme und Masken sind prächtig. Damit liefert Tatopoulos genau das ab, was die „Underworld“-Marke auszeichnet, während er die Detailverliebtheit und erzählerische Tiefe ausspart, die sie dringend nötig hätte. In den Händen eines fähigen Regisseurs und Autors hätte die Mär vom Romeo-Wolf und der Spitzzahn-Julia grandioses Drama werden können. Und das ist es eigentlich, was Generationen von Filmemachern immer wieder dazu inspiriert, ihre Themen mittels Vampirfiguren zu erzählen.

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