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    The Box - Du bist das Experiment
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    The Box - Du bist das Experiment
    Von Julian Unkel

    Als Reaktion auf seinen Kultfilm Donnie Darko wurde der damals erst 25-jährige Richard Kelly schnell zu Hollywoods neuem Wunderkind deklariert. Es folgte jedoch Ernüchterung. Das überfrachtete Weltuntergangsepos Southland Tales fiel erst in Cannes und dann auch an den Kinokassen durch, sein Drehbuch zu Tony Scotts Domino kam bei Kritikern auch nicht besser an und im Vorfeld der Dreharbeiten zu Knowing wurde er als Regisseur von Alex Proyas ersetzt. Mit einer publikumswirksamen Hauptdarstellerin wie Cameron Diaz an Bord steht für Kelly deshalb nun zunächst einmal Rehabilitation auf dem Plan. Ist „The Box“ deshalb sein bisher kommerziellster Film geworden? Jein. Der hochatmosphärische Mystery-Thriller beginnt zwar vergleichsweise geradlinig, spätestens ab dem zweiten Akt wird jedoch klar, dass sich Kelly auch dieses Mal keinesfalls den narrativen Konventionen Hollywoods anbiedert.

    Virginia, 1976: Der NASA-Techniker Arthur Lewis (James Marsden, X-Men 27 Dresses), seine Frau Norma (Cameron Diaz, Drei Engel für Charlie, Beim Leben meiner Schwester) und ihr gemeinsamer Sohn Walter (Sam Stone) leben von Rechnung zu Rechnung. Die finanzielle Schieflage verschärft sich noch, als Arthur die berufliche Weiterbildung zum Astronauten verwehrt wird und Walters Schule ankündigt, in Zukunft keine Vergünstigungen bei den Schulgebühren mehr anzubieten. Da bekommt die Familie unangekündigt ein Paket geliefert, das eine seltsame Holzkiste mit einem roten Knopf beinhaltet. Am nächsten Tag steht der mysteriöse Arlington Steward (Frank Langella, Frost/Nixon, Die neun Pforten) vor der Tür und erläutert die Funktionsweise der Box. Drücken Arthur und Norma in den nächsten 24 Stunden den Knopf, geschehen zwei Dinge: 1. Irgendwo auf der Erde stirbt ein Mensch, den sie nicht kennen. 2. Die Familie erhält eine Million Dollar in bar…

    „I like mystery. Don’t you?“ – Arlington Steward

    „The Box“ basiert auf der sechsseitigen Kurzgeschichte „Button, Button“ von Richard Matheson (Romanautor von I Am Legend), die auch bereits in einer gleichnamigen Episode der Serie „Twilight Zone“ umgesetzt wurde. Kelly hat es aber bei weitem nicht dabei belassen, die Geschichte einfach nur in die 70er Jahre zu transferieren. Ganz im Gegenteil: Zwar holt der Film das Maximum aus dem knappen Umfang der Vorlage heraus, letztlich dient deren Handlung „The Box“ aber nur als Ausgangslage und ist bereits nach dem ersten Drittel abgehakt. Dass sich das Ehepaar schließlich dazu entscheidet, das unmoralische Angebot anzunehmen, ist daher auch nicht zu viel verraten. Kelly interessiert sich viel mehr für die Konsequenzen dieser Entscheidung und inszeniert diese als surrealen Albtraumtrip, der mit vermehrt auftretendem Nasenbluten, stalkenden Senioren und an „Donnie Darko“ erinnernden Wasserportalen zunehmend abgedrehter wird.

    Als ebensogroße Inspirationsquelle wie „Button, Button“ hat wohl auch Jean-Paul Sartres Drama „Geschlossene Gesellschaft“ gedient, das im Film gleich mehrfach offen zitiert wird. Frank Langella, zurückhaltend aufspielend und durch eine CGI-Maske furchterregend entstellt, schickt die erstaunlich glaubwürdig harmonierenden Cameron Diaz und James Marsden auf eine Höllenfahrt, in deren Verlauf sich das Paar seiner Schuld stellen und schwerwiegende Opfer erbringen muss, um moralische Erlösung zu erfahren. Mitreißend ist das weniger unter inhaltlichen als viel mehr unter atmosphärischen Gesichtspunkten. Kelly beschwört mit zahlreichen intensiven Sequenzen, wie etwa einem unheilschwangeren Hochzeitsprobedinner, und einigen lynchesken Momenten von Beginn an ein konstantes Unwohlsein, das sich erst im konsequent-niederschmetternden Finale entlädt. Damit fängt der Regisseur gekonnt die paranoide Stimmung der von ihm als Vorbilder genannten Verschwörungsfilme der 70er ein.

    Das funktioniert mitunter so gut, dass auch einige inhaltliche Schwächen nicht mehr so sehr ins Gewicht fallen. Vor allem im Mittelteil tut sich „The Box“ nämlich keinen Gefallen damit, die Figur des Arlington Steward und dessen Verbindungen zum „Viking“-Projekt der NASA auszuleuchten, um daraus eine großangelegte Verschwörungsgeschichte zu konstruieren. Das geschieht bisweilen nicht nur recht krude und unglaubwürdig, die Erklärungsversuche für die übernatürlichen Elemente rauben dem Film auch einen Großteil seiner aus eben diesen scheinbar unerklärlichen Vorgängen erzeugten Spannung. Dank Kellys inszenatorischem Geschick weiß „The Box“ als atmosphärisch ungeheuer dichte Moralparabel aber dennoch zu gefallen.

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