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    Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken
    Von Jonas Reinartz

    „Die Männer beteuern immer, sie lieben die innere Schönheit der Frau - komischerweise gucken sie aber ganz woanders hin.“ (Marlene Dietrich)

    Die Cash Cow namens „Deutsche Beziehungskomödie“ galt bereits als tot geweiht. An ihr hatten sich lange Zeit Produzenten, Regisseure und Schauspieler zu hastig gelabt, bis sie letztlich in den letzten Zügen lag. Anfang bis Mitte der 90er Jahre galten die amüsanten Lustspiele als sichere Garanten für ausverkaufte Vorstellungen und Millionenerfolge – Sönke Wortmanns (Das Wunder von Bern, Deutschland. Ein Sommermärchen) Ralf-König-Adaption „Der bewegte Mann“ brachte es auf 6,5 Millionen Kinozuschauer. Rasch folgte die Ernüchterung, die ewig gleichen Rollenklischees und Handlungsmuster stellten selbst Afficianados des Genres auf eine harte Geduldsprobe. Nun versucht sich der ursprünglich der Theaterlandschaft entstammende Leander Haußmann, am bekanntesten durch seine Kinoproduktionen „Sonnenallee“, Herr Lehmann und zuletzt NVA, an einer Reanimation und stützt sich dabei auf Sachbuchvorlagen der Kommunikationsratgeber Allan und Barbara Pease. Dank eines furios aufspielenden Schauspielensembles und einer insbesondere für deutsche Verhältnisse federleichten Inszenierung ist ihm trotz kleinerer, verzeihbarer Schwächen mit „Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“ ein empfehlenswerter Unterhaltungsfilm mit Gute-Laune-Garantie für unwirtliche Wintertage gelungen.

    In früheren Zeiten war alles so unkompliziert. Wer die größte Keule hatte, bekam das hübscheste Weibchen, trotz augenfälliger Dentalprobleme. Doch wie sieht es in der Gegenwart aus? Jan (Benno Führmann) ist relativ simpel gestrickt. Fußball, schnelle Autos, trashige Katastrophenfilme und willige Frauen sind die Dinge, die ihn glücklich machen. Just als er mit seiner neuesten Eroberung, der Studentin Melanie (Annika Kuhl), ins Bett steigen möchte, beobachtet er fassungslos, wie die ansonsten blitzgescheite Katrin (Jessica Schwarz) seinem heißgeliebten Wagen einen nicht unwesentlichen Kratzer verpasst. Doch anstatt eines Streits entwickelt sich eine leidenschaftliche Liaison, aus der schließlich eine Ehe wird. Auch Jans biederer Mitbewohner Rüdiger (Matthias Matschke) bleibt nicht allein, denn er kümmert sich um Melanie und findet mit ihr sein Glück. Dies wäre alles zu schön, um wahr zu sein, wenn es derartig perfekt und harmonisch bliebe, folglich dauert es nicht lange, bis erste Beziehungsprobleme anstehen. Heiße Internetchats und eine dralle Sekretärin mit dem Namen Luschmund sind einfach zu verführerisch …

    Wenn man unbedingt ein Attribut finden müsste, um diese Komödie zu beschreiben, dürfte folgendes zuerst fallen: charmant. Mit einer ungewöhnlichen Leichtigkeit und Verve bewegt sich Haußmann im Takt der wider Erwarten durchaus gelungenen Musik von James Last (!) durch die unterschiedlichen Handlungsebenen und legt ein hohes Maß an ästhetischer Kreativität an den Tag. Tillmann Büttners mobile Kamera orientiert sich deutlich an Frank Griebes Arbeiten, seines Zeichens Tom Tykwers Stammkameramann und verantwortlich für formale Großtaten wie „Winterschläfer“ oder Das Parfüm. Eine Steadycam-Fahrt durch ein Wohnzimmer ist gar ein direktes visuelles Lola rennt-Zitat. Auch wenn ihr Effekt sich mit der Zeit abnutzt, sorgen etliche Rückblenden in primitive Neandertaler-Zeiten für herzhaftes Gelächter. Generell ist die Erzählhaltung ein wenig ab der Norm und im angenehmen Maße selbstreferenziell.

    Um sich nicht allzu sehr von der Sachliteratur, die als Vorlage diente, zu entfernen, wählten die Autoren einen bemerkenswert effektiven Kniff. Ein allwissender Erzähler doziert über diverse bewusst simpel gehaltene „Wahrheiten“ über Männer und Frauen, während die Spielfilmhandlung dessen Ansichten illustriert. Übergänge zwischen den einzelnen Kapiteln erscheinen wie das Einlegen einer jeweils anderen Folie, was nicht von ungefähr an eine (zugegebenermaßen altmodische) Vorlesung erinnert. Nimmt man die Tatsache, dass ausgerechnet Regisseur Haußmann parallel als Erzähler fungiert, hinzu, bildet sich eine zweite, selbstreferenzielle Ebene des Films heraus. Das Aneinanderfügen der Segmente als Verdeutlichung des Arbeitsschrittes des Schnitts, die damit einhergehende Legitimierung der betont klischeehaften Charakterisierungen sowie Handlungswendungen, Reminiszenzen an Unterhaltungsfilme der deutschen Nachkriegszeit und Steinzeit-Kulissen in all ihrer ausgestellten Künstlichkeit ergeben ein stimmiges, doppelbödiges Bild, kommentieren die Kunst der Filmerzählung und sorgen für zusätzliche Heiterkeit.

    Ein wesentlicher Faktor für das Gelingen des Films ist ebenso die exquisit ausgewählte Besetzung, insbesondere Benno Führmann hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Aus dem mäßig talentierten Proll-Imitator („Und tschüss…“) ist durch die intensive Arbeiten mit Roland Suso Richter („Die Bubi Schulz Story“) und gar mit einem Tom Tykwer („Der Krieger und die Kaiserin“) zu einem fähigen Mimen herangereift, der hier zudem mit einem bemerkenswerten Mut zur Selbstironie ausgestattet ist. Mit akkurat gegelten Haaren und schmierigem Oberlippenbärtchen stolziert er wie ein Gockel über die Leinwand und spielt sowohl gegen sein Macho-Image an als auch mit ihm, was ihm sichtliches Vergnügen bereitet. Jessica Schwarz (Nichts bereuen, Der rote Kakadu) merkt man immer noch ein wenig das fehlende Schauspielstudium an, insbesondere eine Sprechausbildung vermisst man, doch dieses Manko vermag sie durch Natürlichkeit und Spielfreude mehr als wett zu machen.

    Unter seinen Möglichkeiten bleibt Uwe Ochsenknecht (Das Boot, Die Bluthochzeit, „Schtonk“) der zwar als Weltenbummler Jonathan mit seiner graumelierten Langhaarperücke und diversen Heldenposen auf unter Lebensgefahr entstandenen Dias Schmunzeln verursacht, jedoch seinen Schweizer Dialekt – nicht konsequent beibehält und streckenweise etwas unkonzentriert wirkt. Für eine komplette Überraschung unter etlichen Gaststars sorgt Popbarde Sasha, den man als monströs gebauten, vorbestraften Biker wohl am wenigsten erwartet hätte. Wie er Führmann durch die Straßen Berlins jagt, das hat schon einiges an Witz. Obgleich man alle Gags, sieht man von wenigen skurrilen Einfallen ab, so oder ähnlich bereits gesehen hat und mancher überhaupt nicht zündet - Stichwort „Breakdance“ - sorgen Inszenierung und Besetzung für herzhaftes Lachen. Gelegentlich hätte die eine oder andere Situation noch mehr ausgereizt werden können und die Auflösung enttäuscht, was jedoch den positiven Gesamteindruck nicht allzu schwerwiegend beschädigt. Beziehungsfrustrierte werden sicherlich ihren Spaß haben, ebenso wie glücklich Verliebte.

    Einen Klassiker vom Schlage eines „Bewegten Mannes“ konnte Haußmann mit seinem vierten Kinofilm nicht erschaffen, dafür zieht er die Gagschraube streckenweise zu wenig an und liefert ein relativ schwaches Ende. Dennoch liefert er den Beweis, wie es mit einer präzise getimten Inszenierung und bestens aufgelegten Schauspielern möglich ist, einen im Grunde klassischen Boulevardstoff auf ein hohes Komödien-Niveau zu heben. Hier könnte einer der potentiellen Hits der Kino-Wintersaison 2007 in den Startlöchern stehen, nicht zuletzt dank des beeindruckenden Staraufgebots, das für erheblichen medialen Aufruhr sorgen wird.

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