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    Beim Leben meiner Schwester
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Beim Leben meiner Schwester
    Von Daniela Leistikow

    „You’ve been notebooked!“ ist in den USA seit Nick Cassavetes‘ Liebesdrama „The Notebook“, das in Deutschland unter dem Titel Wie ein einziger Tag ohne viel Aufsehen zu erregen in den Kinos lief, ein geflügeltes Wort. Wenn jemand genotebooked wurde, hat er oder sie sich von einer kitschig-melancholischen Inszenierung zu Heulkrämpfen hinreißen lassen. Nach dem Thriller-Drama Alpha Dog kehrt Cassavetes nun zu seinen Wurzeln zurück. Mit „Beim Leben meiner Schwester“ drehte der New Yorker, der Gerüchten zufolge „Wie ein einziger Tag“ als seinen schwächsten Film betrachtet, erneut ein Tränen provozierendes Drama, das der Alzheimer-Romanze mit Ryan Gosling und Rachel McAdams an melancholischen wie manipulativen Momenten in nichts nachsteht.

    Als Sara (Cameron Diaz Love Vegas, Liebe braucht keine Ferien) und Brian Fitzgerald (Jason Patric, Im Tal von Elah) erfahren, dass ihre zweijährige Tochter Kate an Leukämie erkrankt ist, trifft das Paar eine schwerwiegende Entscheidung. Da weder ihr Sohn Jesse (Evan Ellingson, Letters From Iwo Jima) noch sie selbst als passende Spender für die kleine Kate in Frage kommen, entschließen sie sich, ein drittes Kind zu bekommen, das genetisch auf die Bedürfnisse seiner großen Schwester abgestimmt ist. Baby Anna ist fortan also ein lebendiges Ersatzteillager für Kate (Sofia Vassilieva), deren Krebs immer wieder zurückkehrt. Die Eltern sind zu allem bereit, um Kate am Leben zu erhalten. Als die 11-jährige Anna (Abigail Breslin, Little Miss Sunshine, Vielleicht, vielleicht auch nicht) sich schließlich weigert, eine ihrer Nieren zu spenden, um Kate erneut das Leben zu retten und sogar den Anwalt Campbell Alexander (Alec Baldwin, Glengarry Glen Ross, Jagd auf Roter Oktober) engagiert, um ihre medizinische Unabhängigkeit einzuklagen, wird die Familie auf eine harte Probe gestellt...

    „Beim Leben meiner Schwester“ ist die Verfilmung von Jodi Picoults gleichnamigem Bestseller. Sollte das herzzerreißende Drama an den Kinokassen Erfolg haben, wären ihre Romane „Nineteen Minutes“ und „Change Of Heart“, die sich jeweils wochenlang auf Platz eins der Bestseller-Liste der New York Times hielten, wohl die nächsten Kandidaten für eine Leinwandadaption. Obwohl Regisseur Cassavetes erneut beweist, wie meisterhaft er es versteht, selbst Hartgesottene zum Heulen zu bringen, dürften die merklichen Längen und die vielen unnötigen Story-Schlenker selbst Genrefans als störend empfinden. Vom rebellierenden Teenager über eine Highschool-Lovestory und Episoden aus der Beziehung der Schwestern schieben die Drehbuchautoren Nick Cassavetes und Jeremy Levin („Die Legende von Bagger Vance“) etliche Rückblenden ein, die die spannende Ausgangssituation und ihre absehbare Auflösung immer wieder ausbremsen.

    Prinzipiell ist die Frage, was denn passiert, wenn ein als Ersatzteillager gezüchtetes Kind plötzlich selbst entscheiden möchte, ob es ein Organ spendet oder nicht, faszinierend. Doch wenn der Fokus sich nach dem provokanten Exposé der ersten 30 Minuten spürbar in Richtung Coming-of-Age-Geschichte mit komödiantischen und dramatischen Anklängen verschiebt, ist bald klar, dass Anna noch einen anderen Grund für ihren Wunsch nach Emanzipation haben muss, als nur selbst über ihr Leben entscheiden zu wollen.

    Abigail Breslin brilliert in den komödiantischen Augenblicken und zeigt auch in den ernsteren Szenen viel Potential, während die sympathische Sofia Vassilieva hauptsächlich wegen ihres trotz Krankheit blendenden Aussehens in Erinnerung bleibt. Dass Cassavetes und Co. im Verlauf des Films Kates körperlichen Verfall durch gekonntes Make-up realistischer abbilden, als das bei den meisten Film-Krebspatienten getan wird, fällt positiv auf. Cameron Diaz erleidet in den tragischen Momenten mit ihrer übertrieben-lautstarken Performance in mehr als nur einer Szene schauspielerischen Schiffbruch. Alec Baldwin gibt den Anwalt als eine Art lieben Onkel, ohne Glanzpunkte zu setzen. Joan Cusack (School Of Rock, In & Out) vervollständig als Richterin De Salvo den mit Oscar-Nominierten gespickten Cast.

    Die handwerkliche Abteilung macht einen sehr guten Job: Kameramann Caleb Deschanel (Killshot) hat nach Die Passion Christi diesmal zumeist erfreulichere Anlässe, um Bilder mit beeindruckender Farbtiefe einzufangen. Fast glaubt man, die wärmenden Sonnenstrahlen im Gesicht zu spüren, die da über die Leinwand wandern. Der Oscar-prämierte Cutter Alan Heim (für „All That Jazz“) wertet die visuelle Ausgestaltung in Zusammenarbeit mit Jim Flynn weiter auf. Zu Aaron Zigmans (Selbst ist die Braut, Sex And The City) Musik fließen die Tränen gleich doppelt so leicht die Wangen des zumeist weiblichen Publikums hinunter.

    Fazit: Ein ganz klarer Fall von Geschmackssache! Wer sich mal wieder so richtig ausheulen möchte und sich von den emotionalen Daumenschrauben der Verfilmung nicht zu sehr manipuliert fühlt, dem sei „Beim Leben meiner Schwester“ wärmstens empfohlen. Trotz teils starker Schauspieler, hervorragender Kameraarbeit und einer interessanter Thematik sollten sich aber alle anderen vor dem Betreten des Kinosaals ernsthaft fragen, ob sie wirklich zum nicht gerade exklusiven Kreise der Genotebookten gehören möchten.

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