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    Notorious B.I.G.
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Notorious B.I.G.
    Von Daniela Leistikow

    Im Mai 2008 bekam er als erster männlicher Rapper einen Stern auf dem Hollywood Walk of Fame. Die Rede ist nicht von Christopher „Notorious B.I.G.“ Wallace, sondern von P. Diddy, Puff Daddy, Puffy, Sean Combs – oder wie auch immer sich dessen ehemaliger Produzent gerade nennt. Die Ermordung des Rap-Stars Notorious B.I.G. am 9. März 1997 trug indes nicht unwesentlich dazu bei, Puff Daddys eigene Musiker-Karriere zu starten. Für „I’ll be missing you“, seine Hommage an den erschossenen Kumpel, bekam Combs einen Grammy, und auch jetzt, mehr als eine Dekade nach Notorious' gewaltsamem Tod im Alter von 24 Jahren, profitiert Puff Daddy noch vom Ableben des Freundes: Zusammen mit Mutter Wallace produziert er ein Biopic, das durch einen Super-Soundtrack, tolle Bilder und eine unterhaltsame Story glänzt. Doch all die großen Töne, die in dem von George Tillman jr. inszenierten Film rappender Weise gespuckt werden, beantworten die allerwichtigste Frage nur zum Teil: Wer war der Rap-Superstar Notorious B.I.G. wirklich?

    New York, 1984. Single-Mutter Voletta Wallace (Angela Bassett, The Score, „Tina - What’s Love Got To Do With It“) versucht alles, um ihren Sohn Christopher (Christopher Jordan Wallace, der Sohn von Notorious B.I.G.) von den Straßen Brooklyns mit ihren Drogen-Dealern und Ganoven fernzuhalten. Doch selbst ein intelligenter Musterschüler wie Chris kann sich der kriminellen Szene nicht auf Dauer entziehen. Angelockt vom schnellen Dollar fängt er an zu dealen und landet als Teenager (Jamal Woolard) im Knast. Zum Zeitpunkt seiner Entlassung hat der 17-Jährige bereits Frau und Baby zu ernähren und versucht als Rapper Geld zu verdienen. Als sein Demo-Tape dem aufstrebenden Produzenten und Marketing-Genie Sean „Puffy“ Combs (Derek Luke, Vielleicht, vielleicht auch nicht) in die Hände fällt, ist der Erfolg nur noch eine Frage der Zeit. Auch Lil’Kim Jones (Naturi Naughton) steht bald bei Puffys Label Bad Boy Records unter Vertrag und rastet ein ums andere Mal aus, wenn sie ihren Ex-Lover Chris, der als Notorious B.I.G. schnell Karriere macht, in den Armen seiner Frau Faith Evans (Antonique Smith, Across the Universe) sieht. Ruhm und Reichtum kann „Biggie“, so Chris' Spitzname, nur wenige Jahre genießen, da er genau wie Tupac Shakur (Anthony Mackie, Half Nelson) bei den radikalen Auseinandersetzungen zwischen East-Coast- und West-Coast-Rappern ermordet wurde.

    Musiker-Biopics stehen hoch im Kurs. Ob Ray oder Walk The Line, mit aufwändigen Portraits toter Chartstürmer lässt sich eine ganze Menge Publikum in die Kinosäle locken und nebenbei noch der ein oder andere Oscar gewinnen. Im Falle von „Notorious B.I.G.“ sind die Chancen auf Auszeichnungen allerdings nicht nur bei der Berlinale, wo der Film außer Konkurrenz läuft, gleich null. Als Publikums-Magnet könnte sich der fünfte Film von Regisseur George Tillmann Jr. trotzdem entpuppen. Sex, Drugs und Rap-Einlagen voller Schimpfwörter und harter Wahrheiten über das Leben auf der Straße verhelfen „Notorious B.I.G.“ nicht nur zu einem „R-Rating“ durch die amerikanische Filmfreigabestelle MPAA, das Jugendlichen unter 17 Jahren den Eintritt nur in Begleitung eines Erwachsenen gestattet, sondern festigen das Gangster-Rapper-Image des Notorious B.I.G. Das wiederum könnte die Plattenverkäufe ankurbeln, und so würde auch eine neue Generation von Teenagern erreicht, die sich dafür interessieren dürfte, wer denn dieser Typ eigentlich ist, dessen Lieder aus dem Film-Soundtrack posthum hohe Chartpositionen erklimmen.

    Sean Combs' Marketing-Maschine läuft bereits auf Hochtouren und der Erfolg scheint vorprogrammiert. Doch besonders am Film-Puffy lässt sich erkennen, warum „Notorious B.I.G.“ kein besserer Film geworden ist. Der ausführende Produzent Combs wird auf der Leinwand hauptsächlich als guter Einfluss auf Biggie dargestellt. Nebenbei ist er unheimlich cool, top-gestylt und fasst zusammen mit Notorious den Vorsatz, die Welt zu verändern. Combs und Co-Produzentin Voletta Wallace scheinen noch zu nah dran am Geschehen zu sein, als dass sie einen Film machen könnten, der zum Verständnis der Person Notorious B.I.G. und ihrer Motive beiträgt. Stattdessen betreiben sie schnöde Selbst-Beweihräucherung. Klar, es werden auch die schlechten Seiten des Protagonisten wie Wutanfälle und Drogenkonsum gezeigt. Es wird auch nicht verschwiegen, dass er ein notorischer Schürzenjäger war. Aber seine ständigen Stimmungsschwankungen sind in den wenigsten Fällen nachvollziehbar. Auf die Spitze getrieben wird das Ganze, wenn die ehemaligen Freunde Tupac und Biggie aufgrund eines Missverständnisses, zu dessen Klärung sich nie die Zeit fand, zu erbitterten Feinden werden. Wenn das der Grund sein soll, dass beide jetzt tot sind, dann ist das eher armselig als tragisch.

    Bei aller Kritik muss vor allem Jamal Woolard als Notorious und Naturi Naughton als Lil’kim ein Lob für ihre schauspielerischen Leistungen ausgesprochen werden. Woolard, selbst Rapper aus der Nähe von Biggies Viertel, fraß sich für seine erste Filmrolle 25 Kilo an und arbeitete monatelang an seiner Stimme, um den Stil des legendären Rappers zu erlernen. Zwar ist seine Darstellung nie so charismatisch wie die eines Joaquin Phoenix als Johnny Cash oder eines Jamie Foxx als Ray Charles, aber überzeugend ist Woolard allemal. Naturi Naughton (Fame) verkörpert Lil’Kim in gewisser Weise besser als Lil’Kim selbst, da das Original in den vergangenen Jahren mehr durch Horror-Outfits auf dem roten Teppich als durch seine Rap-Künste auffiel. Angela Bassett liefert als eine der wenigen erfahrenen Schauspielerinnen eine gewohnt gute Leistung ab. Und der kleine Christopher Jordan Wallace, der seinen berühmten Papa im Kindesalter mimt, hat das Bühnentalent offensichtlich in die Wiege gelegt bekommen.

    Mit dem Soundtrack hat Produzent Puffy sich viel Mühe gegeben. Die musikalische Performance von Woolard ist so fantastisch, dass der Unterschied zu den Originalen kaum zu hören ist. Auch die Songs von Lil’Kim werden mit dem nötigen Zunder vorgetragen. Lediglich die schnellen Schnitte und die teils verwirrende Bildfolge während mancher Songs sehen zu sehr nach Musik-Video aus und trüben den Gesamteindruck der insgesamt stimmigen Inszenierung. Auch einige Stolperer in der Handlungslogik sind auffällig, etwa wenn Biggies Mutter gerade eine schwere Krebs-OP hinter sich hat und dann für eine Stunde nicht mehr zu sehen ist. Insgesamt sind Aufstieg und Ende von Notorious B.I.G. aber gut nachgezeichnet, ohne dass das Potenzial des Stoffes ganz ausgeschöpft wird.

    Fazit: Gute Musik, schöne Bilder und viele frische Gesichter - das Musik-Biopic über Rap-Legende Notorious B.I.G. ist sehenswert, obwohl Produzent Puff Daddy und die übrigen Beteiligten etwas zu nah am Geschehen waren, um in ihrem Film wirkliche Erkenntnisse über den Musiker und Menschen Christopher „Biggie“ Wallace zu Tage zu fördern. Trotz all der positiven Seiten des Films, ist ein Stern auf dem Walk of Fame, wie ihn Puff Daddy bereits erhalten hat, derzeit für keinen der Darsteller in Reichweite.

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