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    Lone Survivor
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Lone Survivor
    Von Christoph Petersen

    Hätte er nicht kurzfristig auf einen anderen Flug umgebucht, wären Mark Wahlberg und seine Familie an Bord eines der Flugzeuge gegangen, die am 11. September 2001 in das World Trade Center in New York gekracht sind. Aber während der Hollywood-Star selbst also ziemliches Glück gehabt hat, war die Änderung des Reiseplans für den Rest des Planeten offenbar verdammtes Pech. Denn nach Aussage des Schauspielers hätte das Weltgeschehen in den vergangenen zwölf Jahren auch einen ganz anderen Verlauf nehmen können: „Wenn ich mit meinen Kindern an Bord gewesen wäre, wären wir nicht einfach so runtergegangen. Es wäre eine Menge Blut in der 1. Klasse geflossen und dann wären wir sicher gelandet.“ Zwar hat sich der ehemalige Hip-Hopper später für diese Worte entschuldigt, aber die „Rambo“-Haltung hinter dieser selbstgerechten Aussage ist nun auch in Wahlbergs von ihm mitproduzierten neuen Film „Lone Survivor“ wiederzuerkennen. Zwar inszeniert Regisseur Peter Berg („Hancock“) in seinem auf einer wahren Geschichte basierenden Kriegsfilm eine Reihe von unmittelbar-intensiven Gefechtssituationen, aber darüber hinaus ist das Werk von einer unreflektierten Machohaltung geprägt, sodass viele Stellen für Nicht-Militärfetischisten nur schwer zu ertragen sind.

    Nachdem der US-Nachrichtendienst den Aufenthaltsort des hasspredigenden Taliban-Anführers Ahmed Shahd (Yousuf Azami) ermittelt hat, werden am 28. Juni 2005 vier Soldaten der Eliteeinheit SEAL Team Ten per Helikopter in den Bergen Afghanistans ausgesetzt, um das Ziel auszuschalten. Doch während die Sniper Mike Murphy (Taylor Kitsch), Marcus Luttrell (Mark Wahlberg), Danny Dietz (Emile Hirsch) und Matt Axelson (Ben Foster) in ihrem Versteck ausharren und auf den Befehl zum Abschuss warten, werden sie von zufällig vorbeikommenden Ziegenhirten aufgestöbert. Zwar spielen die SEALs kurz mit dem Gedanken, die drei Zivilisten entgegen ihrer Einsatzbefehle zu eliminieren, aber dann entscheidet Anführer Mike Murphy, die Gefesselten laufen zu lassen, obwohl die Soldaten genau wissen, dass die Freigelassenen nun ihre Position verraten werden. Also müssen die SEALs so schnell wie möglich aus dem Gefahrengebiet fliehen, während ihnen mehr als hundert schwerbewaffnete Taliban-Kämpfer nachjagen…

    Dass Peter Berg ein Bruder im Geiste von Regie-Patriot Michael Bay („Pearl Harbor“) und ein riesiger Fan der US-Armee ist, haben bereits seine früheren Filme „Operation: Kingdom“ und „Battleship“ gezeigt. Aber selbst die unverhohlenen Hurra-Amerika-Elemente dieser Blockbuster sind kein Vergleich zu der propagandistischen Ode an die Navy SEALs, die er nun mit „Lone Survivor“ raushaut. Gleich zum Auftakt gibt es huldigende dokumentarische Aufnahmen des unmenschlichen SEAL-Trainings garniert mit hochtrabend-nichtssagender Kriegsphilosophie („der unschönste aller unschönen Kämpfe“), die Mark Wahlberg als einziger Überlebender der Operation Red Wings aus dem Off beisteuert. Würden die Soldaten nicht die US-Flagge auf der Brust tragen, hätte „Lone Survivor“ mit seiner Männer-sind-nur-Männer-wenn-sie-50-Taliban-das-Hirn-rausgepustet-haben-Haltung sicher das Zeug zum neuen Lieblingsfilm von Vorzeige-Militärmacho Vladimir Putin. Dass die Elitesoldaten selbst eine solche Einstellung innehaben müssen, um in ihrem menschenverachtenden Job überhaupt funktionieren zu können, ist dabei gar nicht das Problem, das entsteht vielmehr dadurch, dass die Filmemacher diese Attitüde ohne jeden Anflug von Reflektion übernehmen. Da muss man nicht nur als Kriegsdienstverweigerer zuweilen ganz schön schlucken.

    Es tobt ja schon seit längerem die Diskussion, ob es Anti-Kriegsfilme überhaupt geben kann. Bei „Lone Survivor“ kann man sich solche Überlegungen allerdings sparen, denn trotz weggeschossener Körperteile und durchlöcherter Körper hat dieses blutige Kriegstreiben mit „Anti“ nichts am Hut. Und wohl auch deshalb ist der Film dann am überzeugendsten, wenn das Philosophieren aufhört und sich die SEALs und die Taliban ohne Atem zu holen gegenseitig die Gedärme aus dem Leib ballern. Auch wenn es am Ende noch ein paar hilfreiche Einheimische gibt, wurden die Schauspieler für die afghanischen Figuren offenbar danach ausgesucht, wer am finstersten und diabolischsten dreinschauen kann (das macht sich gut im Fadenkreuz der Sniper, bevor ihr Hirn an den nächsten Baum spritzt). Am besten verdrängt man also einfach, dass dies alles auf einem wahren Vorfall beruht und denkt sich stattdessen in die Zeit klassischer Kalter-Kriegs-Reißer wie „Rambo III“ zurück, denn Feuergefechte inszenieren kann Berg verdammt gut (und die ganze zweite Hälfte des Films ist praktischerweise kaum mehr als eine einzige langgezogene Actionsequenz).

    Wenn die SEALs nicht mehr weiter zurückweichen können, schmeißen sie sich einfach Abhänge herunter, wobei sie die brachialen Stürze nicht einmal wirklich abfedern können, weil sie mit ihren Händen ja das Gewehr umklammern müssen. In diesen Momenten ist die Kamera so unglaublich nah an den Soldaten dran, dass man zu spüren glaubt, wie die Knochen brechen und die Haut aufplatzt (der Film hätte eine Oscar-Nominierung für Make-up wirklich verdient, auch wenn er es unverständlicherweise nicht einmal in die Vorauswahl geschafft hat). Dabei verleihen die durchweg starken Schauspieler den nur rudimentär gezeichneten Figuren genügend raues Charisma, damit wir in dieser bleihaltigen Hölle ständig mit ihnen mitfiebern. Aber während dieser Teil des Films zumindest als reines Actionstück überzeugt, kann es Berg einfach nicht lassen, sein Publikum daran zu erinnern, dass er ja eigentlich viel mehr vorhat: So gibt es immer wieder Momente - etwa wenn am Gesicht eines gleich abdrückenden Talibans kurz die gleißende Sonne vorbeiblinzelt -, in denen der Regisseur inmitten der atemlosen Brutalität offenbar etwas von der surrealen Schönheit eines Terrence-Malick-Films wie „Der schmale Grat“ heraufbeschwören will. Aber diese unwirklichen Einsprengsel passen einfach nicht zum undifferenzierten Rest des Films und wirken deshalb bis zum Ende wie Fremdkörper.

    Fazit: Intensiver Nonstop-Survival-Actioner, dessen plumper Hurra-Amerika-Militarismus jedoch durchgehend sauer aufstößt.

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