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    Fighting
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Fighting
    Von Stefan Ludwig

    Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, das wusste schon Hermann Hesse. Auch im Kino hat die Entstehung und Entwicklung des Außergewöhnlichen oft einen ganz eigenen Reiz. Wenn sich etwa Peter Parker in Spider-Man noch zögernd erstmals durch die New Yorker Straßenschluchten hangelt und schließlich wie im Rausch dahinsaust, ist Gänsehaut beim Publikum garantiert. Auch das Action-Drama „Fighting“ zieht seine Faszination zu großen Teilen aus der Offenbarung und dem Ausprobieren besonderer Fähigkeiten. Zwar erlangt der Protagonist keine übermenschlichen Kräfte, aber er entdeckt in illegalen Straßenduellen Schritt für Schritt sein Kämpfertalent und besteht schließlich eines Helden würdige Bewährungsproben. Regisseur Dito Montiel mischt in seinem zweiten Spielfilm einen erfrischenden Cocktail aus spektakulären Untergrundkämpfen und simplen, aber wirkungsvollen Handlungstwists.

    Shawn MacArthur (Channing Tatum, Step Up, She's The Man) hat seine sieben Sachen gepackt und ist nach New York aufgebrochen. Er kann sich so gerade über Wasser halten, indem er gefälschte Harry-Potter-Bände und Regenschirme verkauft. Doch einigen anderen Schwarzhändlern ist die neue Konkurrenz ein Dorn im Auge und sie gehen auf ihn los. Harvey Boarden (Terrence Howard, L.A. Crash, Die Fremde in dir) beobachtet die Szene und erkennt MacArthurs Talent für Schlägereien. Bei einem zufälligen Wiedersehen bietet er ihm daher die Siegprämie von 5.000 Dollar für einen inoffiziellen Ringkampf an. Die Auseinandersetzung findet in einem Haus in Brooklyn vor einem aufgepeitschten Publikum statt, das beträchtliche illegale Wetteinsätze getätigt hat. Durch einen glücklichen Zufall siegt MacArthur und wird so über Nacht zum Star in der Szene. Nach seinem Erfolg trifft er die attraktive Zulay (Zulay Henao) wieder, die ihm schon vorher aufgefallen war. Doch sie signalisiert zunächst nur Desinteresse…

    Angesichts der Entstehungsgeschichte von „Fighting“ können schlimme Befürchtungen aufkommen. Die Macher waren auf der Suche nach einem mit der Welt der illegalen Straßenrennen aus The Fast And The Furious vergleichbaren Milieu. Wie bei den Gaspedalartisten sollte Respekt durch Taten verdient werden – unabhängig von Herkunft und Geschlecht. Dieses Vorgehen ist sicher nicht einfallsreich und die Handlung von „Fighting“ in der Tat eher grob gestrickt. Ein amerikanischer Kritiker hat dies mit den griffigen Worten „A poor man’s Rocky with gangster influences“ umschrieben. Aber auch in einem einfachen Konzept stecken viele Möglichkeiten, und spätestens auf den zweiten Blick hat „Fighting“ Ungewöhnliches zu bieten: Während die Frauen und Freundinnen der Helden in vielen Actionfilmen nur schmückendes Beiwerk ohne Substanz sind, haben Dito Montiel und sein Co-Autor Robert Munic Shaws Love Interest Zulay aufgewertet. In komprimierten Episoden wird das stressige Leben der alleinerziehenden Mutter mit der herrschsüchtigen Oma pointiert auf die Leinwand gebracht. Die Sorgfalt dieser Charakterzeichnung korrespondiert mit der trotz ständig wechselnder Schauplätze stets stimmigen Atmosphäre.

    Geschickt integriert Montiel herausgeputzte New Yorker Sehenswürdigkeiten und dankbare Motive wie die Skyline von Manhattan in seine Inszenierung. Die intelligent ausgewählten Schauplätze, die einfallsreiche Kampfchoreographie und die dynamische filmische Umsetzung sind fein aufeinander abgestimmt. So wird der erste Kampf in einem maroden Bau in Brooklyn dadurch entschieden, dass MacArthur seinen Gegner gegen ein Waschbecken rammt. Später bezwingt er in einem goldverzierten Edel-Bordell einen kampfsporterprobten Japaner mit unorthodoxen Wrestling-Attacken. Die Kamera bleibt sowohl in den Innenräumen als auch in den Hinterhofszenen stets nah am Geschehen, zugleich ist selbst im hektischen Getümmel stets gewährleistet, dass der Zuschauer nicht den Überblick verliert. Zu schnelle Schnittfolgen, eine im heutigen Kino weit verbreitete Marotte, werden größtenteils vermieden.

    Zugegebenermaßen findet sich in „Fighting“ auch einiges Klischeehaftes: Glückliche Umstände machen aus einem einsamen Jungen in New York einen kleinen Star, als Grund für sein Einsiedlerdasein in der Metropole wird die schwere Kindheit und Jugend vorgeschoben und seine erfolgversprechende Karriere als Wrestler wurde durch eine Auseinandersetzung mit dem Vater jäh beendet. Dieser Konflikt ist im Grunde nur poröser Hintergrund, sorgt aber immerhin dafür, dass die Schlagkräftigkeit des Filmhelden nachvollziehbar ist. Die hier nur angedeuteten Probleme im Elternhaus erhalten mit Blick auf Dito Montiels übriges Werk zudem ein anderes Gewicht. Familiäre Spannungen sind ein wiederkehrendes Thema in den Arbeiten des Regisseurs. Montiel flüchtete mit 16 Jahren selbst vor massiven Problemen mit Freunden und Elternhaus aus New York nach Kalifornien. Diese Erfahrungen verarbeitete er in dem Buch „A Guide To Recognizing Your Saints“, das er später selber verfilmte. Dieses autobiographische Kinodebüt, in dem Channing Tatum bereits eine Nebenrolle übernahm, erschien in Deutschland als „Kids - In den Straßen von New York“ nur auf DVD.

    Hauptdarsteller Channing Tatum überzeugt als Sympathieträger und meistert die physischen Herausforderungen seiner Rolle ähnlich mühelos wie die Tanzeinlagen in seinem ersten Erfolgsfilm Step Up. Er profitiert dabei von seinen eigenen Erfahrungen mit Martial Arts aus der Jugendzeit. Regisseur Montiel hält dem Jungstar im Übrigen die Treue und hat ihm bereits einen Part in seinem nächsten Projekt „The Brotherhood Of The Rose“ angetragen. Die zentrale Rolle im dramaturgischen Gefüge von „Fighting“ hat hingegen Terrence Howard als undurchschaubarer Sidekick Harvey Boarden inne. Der Schauspieler kennt sich seit seiner oscarnominierten Rolle als Dealer und Zuhälter in Hustle And Flow, für die er intensive Milieurecherchen anstellte, bestens in der kriminellen Szene aus und verleiht auch Montiels Film Glaubwürdigkeit.

    Von Anfang an entwickelt „Fighting“ mit der Einführung der Hauptfigur, die zum hämmernden Beat von Jay Zs „Heart of the City“ durch das verwinkelte New Yorker U-Bahnsystem wandert, eine beachtliche Sogwirkung. Es folgt eine erste Schlägerei, die Lust auf mehr macht und auch im weiteren Verlauf hält das Action-Drama, was sein Titel verspricht. „Fighting“ bietet spektakulär in Szene gesetzte Kämpfe und vermittelt hautnah das nervenaufreibende Ambiente der illegalen Duelle. Regisseur Montiel präsentiert zudem selbst altbekannte Klischees in frischem Look – trotz einer wenig originellen Handlung ist „Fighting“ somit ein deutlich überdurchschnittlicher Vertreter seines Genres.

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