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    The Ides of March - Tage des Verrats
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    The Ides of March - Tage des Verrats
    Von Björn Becher

    Til Schweiger als Bundeskanzler? Oder Veronica Ferres? Harald Schmidt? Unvorstellbar! Ja, denn in Deutschland verlaufen zwischen Showbusiness und Politik klare Trennlinien, die auch nicht aufgelöst wurden, als Die Linke 2009 den „Tatort"-Kommissar Peter Sodann als chancenlosen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten aufstellte. In den USA sieht das dagegen ganz anders aus: Clint Eastwood war Bürgermeister, Arnold Schwarzenegger Gouverneur und der Schauspieler Ronald Reagan schaffte es gar zum US-Präsidenten. Auch viele andere Hollywood-Stars engagieren sich offen politisch. George Clooney etwa gilt als Frontmann der Liberalen Hollywoods und wäre mit seiner charismatischen und smarten Ausstrahlung leicht als Präsident vorstellbar. In seinem neuesten Regie-Werk „The Ides Of March" kommt er diesem Amt nun so nah wie nie zuvor, spielt er doch eine Figur, die kurz davor steht, Präsidentschaftskandidat der Demokraten zu werden. Eine Bewerbung Clooneys für Obamas Job ist das Polit-Drama allerdings nicht – ganz im Gegenteil. In „The Ides Of March" erzählt er vom Scheitern eines ehrbaren Politikers und rechnet mit dem zynischen Polit-Establishment ab. Seine Adaption des Theaterstücks „Farragut North" liefert zwar keine neuen Erkenntnisse, der Film fesselt aber dennoch von der ersten bis zur letzten Minute – nicht zuletzt dank des fantastischen Ryan Gosling in der Hauptrolle.

    Gouverneur Morris (George Clooney) und Senator Pullman (Michael Mantell) liefern sich in den demokratischen Vorwahlen ein Kopf-an-Kopf-Rennen - und da die Republikaner darniederliegen, hat der Gewinner große Chancen, nicht nur Kandidat seiner Partei, sondern auch nächster US-Präsident zu werden. Eine entscheidende Etappe ist die Abstimmung in Ohio, wo es gilt, den schmierigen Senator Thompson (Jeffrey Wright) auf seine Seite zu ziehen. Morris vs. Pullman ist vor allem auch ein Duell der Wahlkampfmanager: Paul Zara (Philip Seymour Hoffman) und Tom Duffy (Paul Giamatti) sind alte Hasen, die jeden Trick kennen. Doch Zara hat einen Trumpf im Ärmel. Seine rechte Hand Stephen Myers (Ryan Gosling) ist nicht nur ein kluger Kopf, sondern kämpft auch bedingungslos für Morris, weil er überzeugt ist, dass dieser mit seiner Aufrichtigkeit endlich ein guter Präsident für alle Amerikaner sein könnte. Doch dann überschlagen sich die Ereignisse. Myers lässt sich von Duffy zu einem geheimen Treffen überreden. Dessen Angebot, das Lager zu wechseln, lehnt er zwar entrüstet ab, doch die Journalistin Ida Horowicz (Marisa Tomei) kommt dahinter und droht, ihn mit einer Story zu ruinieren. Dann eröffnet Myers‘ Freundin, die Praktikantin Molly Stearns (Evan Rachel Wood), ihm auch noch, dass Morris sie nach einer Party verführt und geschwängert hat...

    George Clooney wollte das Stück „The Ides Of March" schon bei seinem Erscheinen 2008 verfilmen. Doch dann gab es plötzlich den Präsidentschaftskandidaten Barack Obama - und zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit standen in Amerika die Signale auf Neuanfang. Dem Wahlsieger von 2009 trauten Liberale wie Clooney zu, tatsächlich etwas verändern zu können. Inzwischen allerdings ist die Politikverdrossenheit längst zurück und die Zeit scheint somit reif für einen schonungslosen Blick auf das Politgeschäft. Mit „The Ides Of March" macht Clooney eines unmissverständlich klar: Ehrliche Menschen haben in den Zentren der politischen Macht keine Chance. Schon früh rät die erfahrene Reporterin Ida Horowicz dem Idealisten Stephen Myers, das Berufsfeld zu wechseln. Er sei zu nett und die Politik werde ihn früher oder später verderben. Da erntet sie noch ein Lächeln. Als sich die beiden Figuren später noch einmal begegnen, läuft Myers mit steinernem Blick an ihr vorbei. Zwischen diesen Szenen sind alle Hoffnungen und Illusionen auf der Strecke geblieben, fast wähnt man sich nun in einem Rache-Film aus den Siebzigern. Doch Myers hat keine Knarren in der Tasche, sondern nutzt viel gefährlichere Waffen: Bluffs, Erpressungen und nicht zuletzt die zerstörerische Macht des Wortes. Auch er spielt nun schmutzig und hat nur noch seine eigenen Interessen im Auge.

    Ryan Gosling („Blue Valentine", „Crazy Stupid Love") verleiht Stephen Myers genau jene Komplexität, ohne die „The Ides Of March" zur platten Polit-Abrechnung geworden wäre. Der humorvoll eingeführte Idealist, der sich in einer knappen Woche Handlungszeit zum verbitterten Polit-Profi entwickelt, wird durch Goslings charismatische Darstellung zur Identifikationsfigur. Dabei versteht es der Schauspieler auch, sich in den zahlreichen Szenen mit Charakterdarstellern wie Philip Seymour Hoffman („Capote"), Paul Giamatti („Barney's Version") oder Marisa Tomei („The Wrestler") zu behaupten. George Clooney wiederum übernimmt wie schon bei seinen vergangenen Regie-Arbeiten „Geständnisse - Confessions Of A Dangerous Mind" und „Good Night, and Good Luck" selbst nur eine Nebenrolle und überlässt seinem Hauptdarsteller Gosling die ganz große Bühne.

    „The Ides of March" ist voll unerbittlicher Härte gegen einen Politikbetrieb, der hier als total verrottet und nicht mehr zu retten erscheint. Clooney lässt da keine Missverständnisse aufkommen und hält das Tempo hoch, auch wenn er dafür bisweilen etwas dick auftragen muss. Da wird die junge Praktikantin Molly vom Präsidenten in spe nicht nur verführt, sondern auch gleich noch geschwängert. Doch damit nicht genug: Zu allem Überfluss ist sie auch noch die Tochter eines einflussreichen Komitee-Vorsitzenden. Im Gegensatz zu früheren Arbeiten zeigt Clooney einen deutlich stärkeren Hang zum Plakativen, ein Eindruck, der durch die Musik von Alexandre Desplat („Der Ghostwriter") zusätzlich verstärkt wird. Was Clooney hier an Vielschichtigkeit vermissen lässt, macht er an anderer Stelle aber mit einer fast schon satirischen Schärfe wieder wett.

    Fazit: Es ist etwas faul im Staate USA. Unterstützt von einem eindrucksvollen Ensemble, das vom brillanten Ryan Gosling angeführt wird, rechnet George Clooney gnadenlos mit dem politischen Establishment ab.

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