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    Urban Justice - Blinde Rache
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    Urban Justice - Blinde Rache
    Von Björn Becher

    Wenn man so durch das Internet surft und dabei auf die InternetMovieDatabase oder die diversen Steven-Seagal-Fanseiten schaut, dann wird man den Eindruck nicht los, der in die Jahre gekommene, übergewichtig gewordene einstige Actionstar habe mit „Urban Justice“ ein ähnlich eindrucksvolles Comeback hingelegt wie jüngst Jean-Claude Van Damme mit Until Death. Und wie begründen sich diese Lobhudeleien? Seagal hat endlich seine Stuntdoubles und Voice-Dubber weggeschickt und legt wieder selbst Hand an. Doch das ist eigentlich selbstverständlich und reicht nicht für eine Auferstehung. Auch dass das Blut mit Freude spritzt und Knochen regelmäßig brechen, genügt noch nicht für ein neues B-Movie-Action-Meisterwerk. Zumal der Rest, allen voran die mehr als uninspirierte Regie von Don E. FauntLeRoy, weit entfernt vom Mittelmaß ist.

    Der Cop Max Ballister (Cory Hart) wurde in einem üblen Viertel auf offener Straße erschossen. Seine Kollegen legen den Fall schnell zu den Akten. Ein zufälliger Toter bei einer Gangauseinandersetzung, der Mörder werde nie zu ermitteln sein. Doch Ballisters Vater Simon (Steven Seagal) will sich damit nicht zufrieden geben. Er mietet sich eine Wohnung in dem von den Gangs dominierten Viertel und findet schnell eine Spur, die zu Gangster Armand Tucker (Eddie Griffin) führt. Knochen, Genicke und Nasen berechend „fragt“ Simon sich langsam durch die Nachbarschaft, um zu erfahren, wer seinen Sohn tötete.

    Ja, es stimmt. Soweit es zu erkennen ist, macht Steven Seagal seine Actionszenen wieder komplett selbst. Mit seiner gewohnten Aikido-Technik versohlt er seinen Gegnern ordentlich die Hintern und darf auch kompromisslos, moralisch verwerflich morden. Dazu gibt es eine Menge Kugeln in die Brust, wobei jedes Mal eine schöne Blutfontäne aus dem Rücken spritzt. Doch soll das wirklich reichen, um die Rückkehr der einstigen „coolen Sau“ Seagal zu begründen? Der findet sich nämlich mittlerweile nur noch in Direct-To-DVD-Actionstreifen wieder. Aber selbst dieser Film wäre in der Form nie in Produktion gegangen, wenn der Hauptdarsteller halt nicht immer noch seinen marketingtechnisch gut verwertbaren Namen hätte. Und nachgetrauert hätte dem auch keiner. Wer Seagals endlich wieder handgemachte Action hochlobt, hat wohl noch keinen Film des Hongkonger Dreamteams Wilson Yip und Donnie Yen (Kill Zone S.P.L., Dragon Tiger Gate, Flash Point) gesehen. Die haben zwar auch einige Schwächen, sind aber, nur die Action betrachtet, so viel besser, dass die FILMSTARTS.de-Wertungsskala eigentlich gar nicht ausreicht, um den Unterschied auszudrücken. Und in „Kill Zone S.P.L.“ wirbelt ein Sammo Hung durch die Gegend, der nur ein knappes Jahr jünger als Seagal ist, aber sogar noch mehr Körperumfang aufweist. Trotzdem sind seine Kicks und Entwaffnungshandgriffe noch schnell und behände, während Seagal in „Urban Justice“ ein paar Mal so langsam und behäbig agiert, dass man sich drei Mal vergewissert, dass dies kein Zeitlupeneffekt ist. So viel dazu, dass es für Seagals Alter und Körperfülle einzigartig sei, was er noch leistet.

    Und um irgendwelche Hoffnungen gleich zu zerstören: Auch neben Seagal findet sich nicht viel Positives. Das Setting mitten in der Gangsterhood (Arbeitstitel des Films in Anlehnung an einen Sergio-Leone-Klassiker „Once Upon A Time In The Hood“) geht einem schneller gegen den Strich als es eingeführt wird, so viele dumme Möchtegerngangster dürfen einem mit dem typischen „Motherfucker“-Slang auf die Nerven gehen. Und ihr Boss wird von Komiker Eddie Griffin (Scary Movie 3, Date Movie, Norbit) selten blass gespielt. Seagals sehr ähnlich gelagerter 2005er Film Into The Sun - Im Netz der Yakuza (auch hier Rumfragen bis zum Finale) nervt zwar aufgrund weit weniger Action (das „Fragen“ ist dort wirklich ein Fragen), hat aber wenigstens einen richtig guten Bösewicht zu bieten, dessen Auftritte „Urban Justice“ allein in die Tasche stecken. Hier dürfen die bösen Gangster nur pseudo-lustige Sprüche kloppen, von denen gerade mal einer ins Schwarze trifft ( Superman. Have some of this kryptonite.). Der Rest ist mehr als lahmarschig.

    Ein im Vorfeld groß angekündigter Auftritt von Kultdarsteller Danny Trejo (Machete, From Dusk Till Dawn, Miami Vice) entpuppt sich als Kurzbesuch im Cameoformat. Er spielt den Boss einer Gang, von der man Seagals Charakter weiß machen will, dass sie hinter dem Mord steckt. Eine flotte Stippvisite bei Trejo und die nach einer kurzen Frage (hier wörtlich zu verstehen), ob er es war, verneinende Antwort, stimmt Seagal aber zufrieden, da man ja aus dem gleichen Holz geschnitzt sei. Voila und fertig ist die überflüssigste Szene von „Urban Justice“ und mit ihr der gesamte Auftritt von Danny Trejo.

    Dass Autorennewcomer Gilmar Fortis II, der bisher hauptsächlich Kaffeekocherjobs an Filmsets hatte, und Regisseur Don E. FauntLeRoy, in seiner dritten Zusammenarbeit mit Seagal, den Zuschauer auch noch für dumm halten, macht die Sache auch nicht besser. Oder wie ist es zu erklären, dass man keine fünf Minuten nachdem Seagal im Nachlass seines toten Sohnes eine Visitenkarte findet, denkt, per Rückblende an diesen Fund erinnern zu müssen, als er eine weitere Karte überreicht bekommt und seinen Gegenüber der Lüge entlarvt. Man scheint mit einem ausgesprochen kleinen Kurzzeitgedächtnis des durchschnittlichen Zuschauers zu rechnen.

    Bleibt zu hoffen, dass Seagal vielleicht doch noch einmal in die Erfolgsspur zurückfindet und einen Film macht, der wenigstens das „Niveau“ von Exit Wounds und Co. erreicht. Und auch Regisseur FauntLeRoy (u.a. Kameramann bei Jeepers Creepers und Jeepers Creepers 2) ist für seinen nächsten Versuch, einem gealterten Star zum einem Actionhit zu verhelfen, Glück zu wünschen. Er wird David Hasselhoff für gleich zwei Sequels von „Anaconda“ durch den Dschungel hetzen. Und wer sich zum Abschluss noch fragt, warum „Urban Justice“ von der Niedrigstwertung verschont wird: Auch wenn es nur wenige Momente sind, aber wenn Seagal auf Aussagen wie „You are just as bad they are“ mit einem kalten „No, I am lot fucking worse“ antwortet, ist er trotz fortgeschrittenen Actionalters, Übergewicht und Peinlichkeit immer noch ein coolerer Baaadaass als Knallchargen wie Bill Goldberg (Halb tot 2) und Co.

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