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    Oh, wie schön ist Panama
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Oh, wie schön ist Panama
    Von Martin Thoma

    Janosch ist der Künstler, der den wunderbaren Bilderbuchklassiker „Oh, wie schön ist Panama“ und noch so einiges anderes Tolles geschrieben und gezeichnet hat. Janosch ist aber auch der Verantwortliche für einen Haufen Tigerenten-Merchandising-Müll, der sich auch noch als pädagogisch wertvoll gibt. Einer wie Janosch gehört nicht zu der Sorte Autor, die Filmproduzenten lästig fällt, weil sie ihr Werk nicht gerne verfälscht sehen will. Wenn heute, nachdem sich der Kinderfilm mehr und mehr zu einem profitablem Markt entwickelt hat, sein Welterfolg von 1978 von Warner Brothers Family Entertainment für das Kino ausgewertet wird, kann man sich denken, dass bei der Schaffung des Endprodukts kommerzielle Überlegungen höher gewichtet wurden als künstlerische. So gesehen ist es wahrscheinlich schon eine gute Botschaft, dass es dem Zeichentrickfilm von Regisseur Martin Otevřel (der fürs Fernsehen bereits eine Reihe von Janosch-Geschichten animierte) nicht gänzlich gelingt, die poetische Kraft und die Faszination der Geschichte zu zerstören.

    Der kleine Bär und der kleine Tiger leben ein geruhsames Leben in einem hübschen Haus in ruhiger, autofreier ländlicher Umgebung. Ihr Horizont reicht bis zu einem Hügel mit zwei großen Bäumen. Von allem, was dahinter liegt, haben sie keine Ahnung. Als der Fluss eines Tages eine Bananenkiste mit der Aufschrift Panama anspült, beschließen sie ihre Heimat zu verlassen und das Land Panama zu suchen. Denn ein Ort, wo es so verlockend nach Bananen riecht, muss das Paradies sein. Unterwegs treffen sie auf andere Tiere und fragen sie nach dem Weg. Die Tiere nehmen sehr unterschiedlich stark Anteil an ihrer Suche; ihnen allen gemeinsam ist allerdings, dass sie genauso wenig wissen, wo Panama liegt, wie der kleine Bär und der kleine Tiger. Deshalb kommen die beiden Freunde nach einer Reihe von Abenteuern - obwohl sie das glauben - auch nicht in Panama an, sondern an dem Ort, zu dem man gelangt, wenn man immer nach links geht. Sie sind trotzdem glücklich.

    Janoschs Bilderbuch liefert zu wenig Material für einen immerhin gut 70 Minuten langen Film. Andererseits bietet die Road-Movie-Struktur der Geschichte die Möglichkeit, sie ziemlich problemlos um mehrere Episoden zu erweitern. Und da Janosch eine ganze Reihe weiterer Geschichten mit kleinem Bären und kleinem Tiger geschrieben hat, gibt es auch genügend Material, auf das sich zurückgreifen lässt. Die Frage ist nur, ob die Geschichte am Ende noch rund und spannend ist.

    Für kindgerechte Spannung zumindest hat der Drehbuchschreiberstab gesorgt. Dazuerfunden wurden: eine rasant während der Fahrt zu besteigende Eisenbahn, eine gefährlich baufällige Hängebrücke, auf der ein reißender Fluss überquert werden muss und eine Seefahrt mit einem kleinen Schiff, das schließlich in einem wilden Sturm auf einer einsamen Insel kentert. Das sind so ungefähr die ältesten Abenteuerfilmelemente, die man sich vorstellen kann, aber ihre Wirkung auf ein Publikum, das vielleicht zum ersten Mal einen Film im Kino sieht, sollte nicht unterschätzt werden. Leider geht der Tonfall der Bücher in diesen Szenen völlig verloren. Für den kleinen Bären und den kleinen Tiger, an denen in Janoschs Büchern die Schatzkarten in der Flaschenpost reihenweise unbemerkt vorbeischwimmen, ist diese Art von Abenteuer viel zu groß. Schmerzlich vermisst man im Film den Erzähler und seinen distanzierten, trockenen Witz. Es ist klar, dass so eine Erzählerfigur im Medium Film keinen Sinn hat. Umso mehr hätte ein Filmemacher, der seine Vorlage wirklich ernst nimmt, darauf achten sollen, mit filmischen Mitteln den Tonfall des Buches zu treffen.

    Manchmal immerhin gelingt das. Der im Film hinzugefügte Schnuddel mit seinem Tandem ist ein hervorragendes Beispiel. Ebenfalls lobenswert: Janoschs viele kleine, in den Bildern versteckte Einfälle, die die Kinder beim Betrachten der Bilderbücher erst nach und nach entdecken können, haben die Fantasie der Filmemacher angeregt. Auch der Film bietet lebendige kleine Details am Rande, von denen das ein oder andere vielleicht noch beim zweiten Sehen überrascht. Die skurrilen Figuren aus dem Buch, die klare Struktur der Handlung und ihre ergreifend schlichte Moral schließlich sind gar nicht kaputt zu kriegen. Von vornherein unmöglich dagegen war es, Janoschs eigenwilligen Zeichenstil umzusetzen. Zeichentrickfiguren müssen glatter sein. Das lässt sich nicht ändern. Die grellbunte Farbgebung des Films aber, die Janoschs Landschaften einiges von ihrem Zauber nimmt, ist eine ganz bewusste schlechte Entscheidung der Filmemacher. Keine Geschichte, die Janosch je geschrieben und gezeichnet hat, ist kitschig. Der Film ist es an einigen Stellen. Wenn die Bilder allgemein zu glatt sind, man noch eine Szene unterm Sternenhimmel einfügt, zu der dann noch eine Grille mit der Fidel spielt, und es dann noch einen symphonischen Soundtrack gibt, dessen Thema entfernt klingt wie Smetanas „Moldau“ an einer ganz besonders seichten Stelle, summiert es sich zum Kitsch.

    Bei der Besetzung der Sprecher von Bär und Tiger dürfte die Suche nach werbewirksamen Namen eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben: Der eine ist ein Kalauer (Dietmar Bär), der andere leider nicht (Til Schweiger). Til Schweiger unterstreicht mit seiner Rolle als kleiner Tiger, dass er eine unmögliche Stimme hat. Ähnliche kommerzielle Erwägungen darf man getrost auch dahinter vermuten, dass sich ein kleiner, lästiger sprechender Fisch ins Drehbuch verirrt hat. Der wird nämlich von Anke Engelke gesprochen, die die gleiche Rolle in der überaus erfolgreichen Pixar-Produktion Findet Nemo synchronisiert hatte. Dory hieß das Tier, dem sie dort ihre Stimme lieh. Dory war das überdrehte Gegenstück zur biederen Hauptfigur Marlin. In „Oh, wie schön ist Panama“ hat so ein Fisch nicht mehr verloren als ein Clownsfisch im Süßwasseraquarium. Kleiner Bär und kleiner Tiger sind sich Gegenstück genug, und als überflüssiges Anhängsel führen sie bereits ihre Tigerente mit sich, die diese Rolle ganz hervorragend ausfüllt.

    Der dazuerfundene Fisch ist in noch einer weiteren Hinsicht symptomatisch für das, woran dieser Film krankt. In Janoschs „Post für den Tiger“ heißt es: „Er [der kleine Bär] fing noch zwei Fische: einen zur Speisung und einen, damit er ihm das Leben schenken konnte. Damit er sich darüber freut; denn Freude ist für jeden schön.“ Im Film ist die witzige Gemeinheit der Aussage gestrichen; die Ernährung der beiden Protagonisten trotz mitgeführter Angel streng vegan, der Fisch freiwilliger Schoßhund. Janosch pflegt einen durchaus bissigen Humor. Der Film vermeidet ihn um jeden Preis. Sehr schade ist es auch um Fuchs und Gans. Das Schöne an Fuchs und Gans in Janoschs Büchern ist die Selbstverständlichkeit, mit der der Fuchs immer Sieger über sein dümmliches Beutetier bleibt. Die Filmemachern wollten das ihrem Zielpublikum offensichtlich nicht zumuten. Der Fuchs im Film muss hungern.

    Der Janosch-Ausverkauf geht übrigens pünktlich zum Filmstart in die nächste Runde: In den Kinderbuchabteilungen von Hugendubel und Co. liegen jetzt schon Bücher aus, deren Einbände anstelle der Zeichnungen von Janosch die glatten Figuren aus dem Film zieren. Kein Kommentar dazu. Sich darüber aufzuregen, ist ungefähr so sinnvoll, wie es der Einsatz von Rattengift gegen Diddl-Mäuse wäre.

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