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    The Factory
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    The Factory
    Von Michael Meyns

    „Inspiriert von wahren Begebenheiten“ – So oft hat man diesen oder ähnliche Hinweise zu Beginn eines Films gesehen, dass das einstige Alleinstellungsmerkmal längst nichts Besonderes mehr ist. Zunehmend wird auch bei Genre-Filmen behauptet, eine wahre Grundlage zu haben, was etwa beim übernatürlichen Exorzismus-Shocker „Possession - Das Dunkle in Dir“ auch mal für Stirnrunzeln sorgte. Und auch bei Morgan O’Neills Thriller „The Factory“, in dem John Cusack („2012“) als obsessiver Cop eine Entführungsserie im Prostituiertenmilieu untersucht, darf  man die behauptete reale Basis durchaus bezweifeln. Dies gilt besonders für das äußert überraschende, sehr originelle Ende, dass einen soliden, durchschnittlichen Thriller doch noch zu einem sehenswerten, perfiden Schocker macht.

    Buffalo, kurz vor Thanksgiving. Der Psychopath Carl (Dallas Roberts, „The Walking Dead“) ist wieder auf der Jagd, doch dieses Mal hat er aus Versehen eine transsexuelle Prostituierte mit nach Hause genommen, die so gar nicht in sein Konzept passt. Enttäuscht tötet er die Prostituierte und zerstückelt sie. Zahlreiche Frauen hat Carl in den vergangenen Jahren entführt und spurlos verschwinden lassen, was den in den Fällen ermittelnden Detektiv Mike (John Cusack) zunehmend zur Verzweiflung bringt. Seit Jahren geht Mike zusammen mit seiner Kollegin Kelsey (Jennifer Carpenter, „Dexter) Spuren nach, doch bislang ohne Erfolg. Mike ist inzwischen so besessen von der Serienkillerjagd, dass er zunehmend seine Familie vernachlässigt und sich vor allem nicht um seine halbwüchsige Tochter Abby (Mae Whitman, „Vielleicht lieber morgen“) kümmert. Eines Abends klettert Abby nach einem Streit mit den Eltern unbemerkt aus dem Fenster ihres Zimmers und trifft ihren Freund. Als der die Beziehung beendet, ist Abby völlig entnervt und für einen Moment unachtsam: Sie landet im Wagen von Carl, der wieder auf der Jagd ist. In seinem Verlies entdeckt er, dass Abby die Tochter eines Polizisten ist, doch trotz der offensichtlichen Gefahr lässt er sie am Leben. Während draußen Mike verzweifelt nach seiner Tochter sucht, wird Abby zusammen mit zwei anderen, mit Drogen und Gewalt gefügig gemachten Mädchen, in einem Kellerverlies gefangen gehalten. Denn sie ist fruchtbar und somit ideal für die Pläne des psychopathischen Carls geeignet, der sich nach einer großen Familie sehnt – und dafür eine Fabrik ganz besonderer Art eingerichtet hat.

    Als Genre-Fan glaubt man eigentlich mittlerweile, dass jede Variation von gängigen Thriller-Stoffen bekannt ist, weil man es schon zigmal gesehen hat. Umso überraschender ist es, wenn es Filmemachern gelingt, die Muster des Genres auf eine Weise zu variieren, die neu sind. Über weite Strecken läuft Morgan O’Neills („Solo“) zweite Regiearbeit, zu der er zusammen mit dem australischen Soap-Star Paul Leyden auch das Drehbuch verfasst hat, erst einmal ganz nach Plan ab: Ein Cop, der obsessiv einen Psychopathen jagt, Kollegen, die langsam an seiner Zurechnungsfähigkeit zweifeln, eine vernachlässigte Familie. Das ist solide geschrieben und inszeniert, wenngleich ohne besondere Originalität. Doch umso mehr das Thema der Familie ins Zentrum rückt, umso deutlich diese betont wird, umso stärker werden nach und nach die bekannten Muster variiert.

    Während Mike seine Familie zunehmend vernachlässigt und seine Kollegin Kelsey erst gar keine hat, wünscht sich der psychopathische Carl nichts sehnlicher als viele Kinder. Und so bleibt die explizit brutale Anfangssequenz auch die einzige wirkliche Gewaltszene, denn Carl ist kein gewöhnlicher Serienkiller, sondern entführt Prostituierte, um sie zu Brutmaschinen umzufunktionieren. Und wenn das nicht schon eine kranke Variation der bekennten Muster ist, haben sich die Macher für ihr Finale einen Twist ausgedacht, der dies noch einmal steigert – aber natürlich an dieser Stelle nicht verraten werden soll. Dass dies für „wahre Begebenheiten“ weit hergeholt scheint, stört ganz sicher nicht: Denn das Ergebnis ist, dass ein Thriller, der in den meisten Bereichen kaum mehr als solide ist, mit zunehmender Dauer erzählerische Überraschungen aufzuweisen hat, die ihn von der durchschnittlichen Genre-Masse leicht abheben. Mit John Cusack steht dazu ein unprätentiöser Schauspieler im Mittelpunkt, dem man immer wieder gerne zuschaut.

    Fazit: Mit „The Factory“ ist Morgan O’Neill ein sehr solider Thriller gelungen, der souverän inszeniert ist, mit John Cusack einen immer sehenswerten Hauptdarsteller hat und vor allem überraschende Wendungen aufweist, die wunderbar perfide sind.

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