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    Leergut
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Leergut
    Von Christoph Petersen

    „Leergut“ tritt als Abschluss der Lebensalter-Trilogie des tschechischen Regisseurs Jan Sverák in riesige Fußstapfen. Der erste Teil „Volksschule“ (1991), der sich mit dem Thema Kindheit beschäftigte, war nicht nur das Kinodebüt des Filmemachers, er sicherte diesem auch gleich eine Oscar-Nominierung in der Kategorie „Bester nicht-englischsprachiger Film“. Dank dem zweiten Part „Kolya“, der sich der Verantwortung des Erwachsenenalters annahm, konnte Sverák den Goldjungen in derselben Kategorie 1997 sogar mit nach Hause nehmen. Da die Tschechen in diesem Jahr Jirí Menzels I Served The King Of England ins Oscar-Rennen schicken, wird der dritte Teil nun zwar auf jegliche Acadamy-Ehren verzichten müssen, dafür hat er sich allerdings einen anderen Titel gesichert – mit über einer Million Zuschauern (bei gerade einmal zehn Millionen Einwohnern) hat sich „Leergut“ in seiner Heimat zum erfolgreichsten Kinofilm aller Zeiten gemausert. Besonders beeindruckend ist diese Leistung, wenn man bedenkt, dass es sich hier um einen Film über das Alter handelt – eigentlich nicht unbedingt das beste Thema, um an den Kinokassen so richtig abzusahnen.

    Josef (Zdenek Sverák) ist ein in die Jahre gekommener Lehrer. Mit seinen Schülern kommt er schon lange nicht mehr klar. Bei besonders aufmüpfigen Bemerkungen neigt er sogar dazu, einen nassen Schwamm über dem Kopf des Übeltäters auszudrücken. Irgendwann zieht Josef die Notbremse und kündigt seinen Job. Doch zuhause bei seiner Frau Eliska (Daniela Kolárová) rumsitzen, kommt für den rüstigen Frührentner auch nicht in Frage. Immerhin hat der Schwerenöter noch einige Träume zu verwirklichen – unter anderen einen von jungen Frauen in Strapsen. Nach einem kurzen, unsanft gestoppten Gastspiel als Fahrradkurier landet Josef schließlich in einem Supermarkt, wo er sich um die Leergutannahme kümmert. In diesem Refugium altmodischer Gemütlichkeit, in dem man sich noch freundlich grüßt und mit seinen Kunden leicht ins Gespräch kommt, fühlt er sich schnell wohl. Seine beiden Kollegen, den wortkargen Schneider (Pavel Landovský) und den schüchternen Jungen vom Papierreißwolf, verkuppelt er sogar. Doch dann soll die Getränkeannahme wegrationalisiert und durch einen Flaschenautomaten ersetzt werden…

    Im ersten Moment möchte man meinen, der 1965 geborene Regisseur Jan Sverák sei eigentlich noch zu jung, um einen Film über das Alter zu drehen. Doch genau wie bei „Volksschule“ und „Kolya“ hat auch für „Leergut“ Jans Vater, die tschechische Schauspiel-Legende und Josef-Darsteller Zdenek Sverák, das Drehbuch verfasst. Und dieser weiß ganz offensichtlich, wovon er schreibt. Denn wo sowohl Hollywood (Das Beste kommt zum Schluss, Alan Arkins Rolle in Little Miss Sunshine) als auch Europas Filmindustrie (Die Herbstzeitlosen, „Jetzt oder nie – Zeit ist Geld“) sich mit alten Menschen und ihren Wünsche am liebsten in verniedlichter oder schrulliger Form auseinandersetzen, ist Zdeneks Skript einfach ehrlich: Obwohl sich der Film schlussendlich das Prädikat „leichtfüßige Komödie“ verdient, wird hier keineswegs ein oberflächlicher, glattgebügelter Held präsentiert. Josef hat echte Ecken und Kanten – und zwar keine kalkuliert skurrilen, die ihn für das Publikum eh nur noch liebenswürdiger machen würden.

    Diese Ungeschliffenheit fängt schon damit an, dass Jakob seine Frau, mit der er seit Ewigkeiten verheiratet ist, regelmäßig und hemmungslos betrügt. Die meisten Filme mit einem solchen Storyelement würden es sich einfach machen und die Frau einfach als nerviges Scheusal hinstellen – damit wären die Sympathien der Zuschauer wieder gesichert. Doch Eliska ist weder nervig noch ein Scheusal, sie ist vielmehr in jeder Hinsicht liebenswürdig. So hat Jakob, der Held einer leichten Komödie, schon nach wenigen Szenen beim Publikum erstmal verschissen – ein mutiger, unkonventioneller Schritt, der sich auszahlt. Dazu kommen dann noch die sexuellen Phantasien. Sicherlich sind die Filmemacher nicht gleich so weit gegangen, Jakob von dreckigen Darkrooms schwärmen zu lassen, aber für eine an das große Publikum gerichtete Komödie haben es die feuchten Träume von Frauen in Strapsen in einem Bahnabteil durchaus in sich. Obwohl es sich von der Dramaturgie her eigentlich um eine „stinknormale“ Komödie handelt, ist „Leergut“ dank seines ambivalenten Helden so doch ein ungewöhnlich reifer Film geworden, der trotz seines hohen Unterhaltungswerts auch dahin geht, wo es weh tut.

    Fazit: Jan Sverák ist ein würdiger Abschluss seiner Lebensalter-Trilogie geglückt. „Leergut“ ist eine sympathische Komödie abseits aller Alte-Leute-Klischees, die auch nicht davor zurück schreckt, ihren Protagonisten hin und wieder mal in einem gar nicht sympathischen Licht erscheinen zu lassen.

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