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    Holy Rollers
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Holy Rollers
    Von Jan Görner

    Das Jahr 2011 könnte einen neuen Stern am Firmament Hollywoods aufgehen sehen – mit seinem Auftritt als Mark Zuckerberg in David Finchers „The Social Network" konnte Jesse Eisenberg gerade seine erste Oscar-Nominierung verbuchen. Auch wenn es beim ersten Anlauf nicht mit dem Goldjungen geklappt hat, geht es weiter aufwärts für den New Yorker. Für 2011 steht einiges auf seinem Plan, darunter eine Fortsetzung der erfolgreichen Horror-Komödie „Zombieland". Doch bevor es soweit ist, will Eisenberg in Kevin Aschs Thriller-Drama „Holy Rollers" den Beweis seiner Vielseitigkeit antreten.

    Brooklyn, 1998: der 20-jährige Sam Gold (Jesse Eisenberg) lebt ein behütetes Leben in einer harmonischen jüdisch-chassidischen Familie. Als sich die Eltern seiner künftigen Braut überraschend gegen die Hochzeit aussprechen, gerät der fromme Mann in eine Sinnkrise. Auf der Suche nach Anerkennung gibt Sam seine Rabbiner-Ambitionen auf und wendet sich dem weltlich orientierten Yosef (Justin Bartha) zu, der ihn als nicht ganz legalen „Medizin"-Kurier einspannt. Fasziniert und zugleich abgestoßen vom Reiz des Verbotenen, beginnt Sam bald selbst Geschäfte im Drogen-Milieu anzuleiern und gerät dabei in einen Strudel von Ereignissen, die seinen Glauben auf die Probe stellen...

    „Inspired by true events" ist ein Etikett, dessen sich Filmemacher bedienen, um ihre Geschichten über einen oftmals bloß behaupteten Realitätsbezug zu legitimieren. Aus dramaturgischen Gründen aus dem starren Korsett der zugrunde liegenden Geschichten auszubrechen, ist gängig. Fest steht, dass es einem israelischen Schmugglerring in einem relativ kurzen Zeitraum zwischen 1998 und 1999 tatsächlich gelang, Millionen von Ecstasy-Pillen in die USA einzuführen. Die bevorzugten Kuriere dabei: junge chassidische Juden. Das exotische Milieu, in dem Kevin Asch seinen Film ansiedelt, macht den Reiz von „Holy Rollers" aus. Diese Parallelgesellschaft mit ihren strengen Sitten, der ultra-orthodoxen Religionsauslegung und dem engen Gemeinschaftssinn wird allerdings nicht nur Gojim fremd vorkommen.

    Wenn Sam und seine künftige Angetraute Zeldy (Stella Keitel) das erste Mal unter vier Augen miteinander sprechen und gleich dazu übergehen, um die Zahl der Kinder zu feilschen, wird dies auch der Lebenswelt vieler Juden widersprechen. Anders als Darren Aronofskys Thriller „Pi" nimmt Regisseur Kevin Asch nicht die mystischen Aspekte des Talmuds ins Bild, dennoch bedient er sich jüdischer Religion, um die Versuchung seiner Hauptfigur Sam zu kommentieren. Immer wieder wird das Verhältnis zwischen Mensch und Schöpfer verhandelt. Das erinnert bisweilen an „A Serious Man", hält aber nie Schritt mit der leichtfüßigen Inszenierung der Coen-Brüder. Auch Adam Vardys „Mendy" hat eine ähnliche Story ungleich kraftvoller erzählt.

    Das ausgefallene Szenario kann nicht überdecken, wie formelhaft Drehbuch-Autor Antonio Marcia nach Rise-and-Fall-Schema arbeitet. Hauptdarsteller Eisenberg gelingt es dabei immerhin, den naiv-liebenswürdigen Sam Gold zu charmantem Leben zu erwecken. Umso weniger nachvollziehbar gestaltet sich dann die Wandlung des ergebenen Gemeinde-Sohnes. Allzu sehr verlässt sich der Darsteller auf die Wirkung seines treu-doofen Rehblicks, um im Publikum die Vorstellung zu installieren, dass hier mehr als eine oberfläche Anpassung an neue Gegebenheiten stattfindet. Justin Bartha („Das Vermächtnis der Tempelritter") als Yosef seinerseits ist mit sichtbarem Spaß bei der Sache und füllt seine Rolle als schwarzes Schaf trotz hölzerner Skriptzeilen zufriedenstellend aus.

    Mark Ivanir („Schindlers Liste") als Sams Vater Mendel gelingt die stärkste Performance in „Holy Rollers". Das intensive Spiel des gebürtigen Ukrainers stellt den nominellen Star des Films in den Schatten und verleiht sogar klischeebelasteten Zeilen der Marke „you're not my son anymore" Glaubwürdigkeit. Kevin Aschs Inszenierung ist solide und kommt ohne Ausfälle oder Höhepunkte aus. Inspiriert von anderen – besseren - Milieustudien nimmt sich die Arbeit des Regisseurs dabei bisweilen wie eine zahm-jüdische Variante von „Hexenkessel" aus. Sams neuer, weltlicher Lebenswandel hingegen wird in rauschhaften Bildern von Kameramann Ben Kutchins zweckdienlich abgebildet.

    „Holy Rollers" packt mit einem spannenden Szenario, das dann doch nur als Kulisse einer abgegriffenen Geschichte um Aufstieg und Fall, um Sünde und Vergebung herhält. Die Moral vom Spiel mit dem Feuer folgt verlässlich: Wenn die Sirenen der Strafverfolger näher kommen und Sams Sündenregister abgerechnet wird, zieht sich Kevin Asch auf eben die erzkonservative Warte zurück, gegen die er seinen Protagonist zu Beginn hat rebellieren lassen. Damit wird „Holy Rollers" zum unterhaltsamen, aber zahnlosen Drama – auf den nächsten Karriereschub wird Jesse Eisenberg wohl noch etwas warten müssen.

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