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    Beste Gegend
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Beste Gegend
    Von Christoph Petersen

    Das Erwachsenwerden ist eines der beliebtesten Themen im Kino überhaupt. Nicht umsonst wurde diesem Topic mit „Coming of Age" gar ein eigenes Genre gewidmet. Und weil es einfach so unglaublich viel über diese schwierigen Jahre zwischen Pubertät und Verantwortung zu erzählen gibt, nimmt sich Bayerns Regie-Shootingstar Nr. 1 Marcus H. Rosenmüller (Wer früher stirbt, ist länger tot, Schwere Jungs) auch gleich drei Filme Zeit, um diese komplexe Thematik abzudecken: Nachdem der erste Teil Beste Zeit vor nicht einmal sechs Monaten sowohl die Kritik zu überzeugen als auch an den Kinokassen (über 260.000 überwiegend bayrische Zuschauer) abzusahnen verstand, folgt nun mit „Beste Gegend" die erste Fortsetzung auf dem Fuße. Während „Zeit" sich mit den amourösen, familiären und stets hochdramatischen Auswüchsen der in den letzten Zügen liegenden Pubertät auseinandersetze, begleitet „Gegend" nun die ersten holprigen Schritte im Erwachsenendasein seiner beiden kultig-sympathischen Protagonistinnen Kati und Jo.

    Kati: „Die Jo und ich wollen fortfahren, auf Weltreise."

    Mama: „Ich weiß nicht, Mauserl. Du bist ja nicht mal geimpft."

    Am Ende von Beste Zeit hat Kati (Anna Maria Sturm) beschlossen, ihr Austauschjahr in Amerika abzublasen und stattdessen in Tandern zu bleiben. Seit dieser Entscheidung sind nun zwei Jahre vergangen. Es ist Sommer und die Abiturprüfungen stehen vor der Tür. Kati und Jo (Rosalie Thomass) sind noch immer die besten Freundinnen. Im Anschluss an die letzten Klausuren wollen sie endlich ihre Freiheit genießen und gemeinsam eine Weltreise in Katis klapprigem Benz unternehmen. Ganz so einfach, wie sich die beiden die Sache mit der Freiheit vorstellen, ist es dann aber doch nicht: Zunächst einmal rasselt Jo durchs Abi und müsste eigentlich zur Nachprüfung antreten. Und als das motivierte Reiseduo am Fuße des Brennerpasses ankommt, verhindert nicht nur eine schwere Autopanne das Weiterkommen, weil Katis Opa im Sterben liegt, müssen die beiden kurz darauf sogar wieder ganz umkehren. Langsam erkennen die beiden, dass das Glück der Jugend nicht unendlich ist und jede erst einmal für sich erwachsen werden muss...

    Kati: „Du, die Jo und ich, wir fahren fort."

    Vater: „Ja, ich muss auch noch in die Stadt."

    „Auf Fahrtwind und Freiheit. Sehnsucht und Liebe. An Tschik und a Bier und den Vollmond als Wegweiser." – das Motto von Kati und Jo ist auch was den Film angeht Programm. Nachdem man auf so charmante Art miterlebt hat, wie die beiden sympathischen Mädels langsam ins wahre Leben stürzen, entlässt „Beste Gegend" den Zuschauer beschwingt und voller Aufbruchstimmung aus dem Kinosaal. Was dies angeht, schließt „Gegend" also nahtlos an den ersten Teil an. Allerdings wirkt der zweite Anlauf nicht mehr ganz so dicht, nicht mehr ganz so pointiert. Während in der Jugendzeit die Clique ständig aufeinanderhockt, gehen die Wege nach dem Ende der Schulzeit meist radikal auseinander. So ist dieses leicht unbefriedigende Gefühl, dass das etwas zerfaserte Skript hinterlässt, auf der anderen Seite auch sehr authentisch. Immerhin ist das Erwachsenwerden nun einmal eng mit dem Aus-den-Augen-verlieren und dem Neue-Freundschaften-knüpfen verbunden. Und da Rosenmüller diese Wahrheit nicht einfach unter den Teppich kehrt und der typischen Kinodramaturgie anpasst, sondern gerade dieses Verzweigen der Lebenswege thematisiert, sind die auseinanderdriftenden Handlungsstränge schlicht eine logische, unvermeidliche Konsequenz.

    Katis Bruder: „Opa, wir haben dich überall gesucht!"

    Opa: „Und? Habt ihr mich gefunden?"

    Die Authentizität, mit der die mittlerweile 25-jährige Anna Maria Sturm (Ensemble-Mitglied der Münchner Kammerspiele) die 16-jährige Kati in Beste Zeit trotz des deutlichen Altersunterschieds verkörperte, gehört zu den herausragenden Darbietungen des vergangenen Kinojahres. Und auch wenn Rosalie Thomass (Grimme Preis für den Dominik-Graf-TV-Krimi „Polizeiruf 110 – Er sollte tot sein") mit ihren 20 Jahren altersmäßig deutlich näher an den Protagonistinnen dran ist, schmälert dies keinesfalls ihre Leistung. Man mochte damals beinahe meinen, dass die Nachwuchsdarstellerinnen sich selber spielen. Doch „Beste Gegend" beweist nun, dass dies keineswegs der Fall war, wir es schlicht und einfach mit zwei herausstechenden Talenten zu tun haben. Denn nicht nur als Teenie-Mädels, auch als junge Erwachsene wirken die beiden zu 100 Prozent natürlich. Der dritte Hauptdarsteller ist wie im Vorgänger einmal mehr die bayrische Mundart. Immer wieder wird geschrieben, Rosemüller hätte den Heimatfilm neu erfunden. Das ist sicherlich zu viel des Lobes, aber er hat das eingeschlafene Genre zumindest einer extrem wirksamen, dringend notwendigen Frischekur unterzogen.

    Jo: „Das muss jetzt alles anders werden!"

    Kati: „Das wird vielleicht wirklich alles anders. Und was wird aus uns?"

    Fazit: „Beste Gegend" ist atmosphärisch und dramaturgisch nicht mehr ganz so dich wie sein Vorgänger. Dennoch kommt auch die Fortsetzung mit solch einer Wucht von frischem, lebensbejahendem Charme daher, dass sich ein Kinobesuch auch außerhalb der bayrischen Staatsgrenzen lohnt. Die Vorfreude auf den hoffentlich bald folgenden Abschluss der Coming-of-Age-Heimatfilm-style-Trilogie bleibt ungebrochen.

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