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    Drag me to Hell
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Drag me to Hell
    Von Björn Helbig

    Mit Flüchen ist nicht zu spaßen. Das hat schon Sarah Michelle Gellar in Takashi Shimizus Der Fluch feststellen müssen. Besonderes Ungemach droht, wenn die Verwünschungen von Zigeunern ausgesprochen werden. Angehörigen dieser von vielen diffusen Vorurteilen betroffenen Personengruppe werden dem Aberglauben nach besondere Fähigkeiten in den schwarzen Künsten nachgesagt. Davon kann beispielsweise Billy Halleck, der Protagonist im Stephen-King-Roman „Thinner“, ein Lied singen, denn er überfährt eine Roma, wird von ihrem Vater verflucht und macht daraufhin eine unfreiwillige Extrem-Schlankheitskur. Was die Bankangestellte Christine in Sam Raimis schwarzhumorigem Horrorfilm „Drag Me To Hell“ erleiden muss, ist allerdings noch um ein Vielfaches schlimmer. Und lustiger.

    Christine (Alison Lohman) kommt aus armen Verhältnissen. Nun ist sie kurz davor, eine gesellschaftliche Stufe aufzusteigen und damit in den überkritischen Augen der Eltern ihres Freundes Ray (Justin Long, Er steht einfach nicht auf Dich, Stirb langsam 4.0) besser dazustehen. Die Bankangestellte buhlt um eine Beförderung. Um sich gegen ihren Konkurrenten Stu (Reggie Lee, Pirates Of The Caribbean – Am Ende der Welt, Tropic Thunder) durchzusetzen und sich vor ihrem Chef, Mr. Jacks (David Paymer, Nixon, Get Shorty, Redbelt), zu profilieren, lehnt sie das Kreditgesuch der Roma Mrs. Ganush (Lorna Raver) ab. Trotz des bitterlichen Flehens der Frau bleibt Christine hart. Dadurch zieht sie sich den Zorn der Zigeunerin zu, die Christine mit einem Fluch belegt. Danach ist nichts mehr wie es war. Die junge Frau wird plötzlich von schrecklichen Visionen heimgesucht, die ihr das Leben zur Hölle machen. In ihrer Not wendet sich Christine an den Wahrsager Rham Jas (Dileep Rao, Avatar).

    Als Sam Raimi 1982 mit Tanz der Teufel seinen ersten Langfilm herausbrachte, gewann der damals 23-Jährige aus Michigan schnell eine große Fangemeinde. Mit Die Killer-Akademie, Tanz der Teufel 2 und Darkman festigte er seinen Ruf als Kultregisseur. Zu seinen Markenzeichen gehörten ungewohnte Perspektiven, wilde Kamerafahrten, ein comichafter Inszenierungsstil sowie der Einsatz bestimmter Requisiten (ein gelber Delta 88, eine Flasche Maker's Mark Whiskey). Nachdem Raimi in den 1990ern mit dem Western Schneller als der Tod, dem Thriller Ein einfacher Plan und dem Mystery-Film The Gift verschiedene Genres durchstreifte, erhielt er die Chance, den Marvel-Comic Spider-Man zu verfilmen. Angesichts seines Stils wirkte dies nur folgerichtig. Heute, sieben Jahre nach dem Riesenerfolg des ersten Spinnenabenteuers, dem bisher zwei Blockbuster-Fortsetzungen folgten (Teil 4 und 5 sind in Planung), ist Raimis Renommee größer als je zuvor. Allerdings vermissen viele Fans ihren „alten“ Raimi und sein originell-kompromissloses Geisterbahn-Kino.

    Genau an dieser Stelle kommt „Drag Me To Hell“ ins Spiel. Der Film sollte für Sam Raimi eine Lockerungsübung zwischen zwei Blockbustern sowie die Rückkehr zu den eigenen Wurzeln werden. Dass es Raimi gelungen ist, sich mit seinem Zigeunerfluch-Märchen mal wieder so richtig auszutoben, ist mit Blick auf den Film schnell zu erkennen. Die Befürchtung, dass Raimi auf das Niveau der von ihm und seiner Firma Ghost House Pictures sonst produzierten B-Movies (Der Fluch, Boogeyman) sinken würde, hat sich zum Glück nicht bewahrheitet. Und auch wenn es ihm nicht ganz gelingt, an die Frühwerke anzuknüpfen, die ihm den Ruf eines Horror-Genies eingebracht haben, ist ihm doch eine zitatgespickte, trashig-unterhaltsame Geisterbahnfahrt geglückt.

    „Drag Me To Hell“ ist eine Art Light-Version von Tanz der Teufel. Die Enge und Dunkelheit der Waldhütte wurde aufgegeben; diesmal wird die Hauptfigur meist am helllichten Tage und an den unterschiedlichsten Orten von Dämonen gepiesackt: in der Stadt, am Arbeitsplatz, im Auto, zu Hause, auf dem Anwesen der Eltern ihres Freundes und so fort. Christine wird aber wie „Tanz der Teufel“-Protagonist Ash (Bruce Campbell) vom Bösen verfolgt, gepeinigt und bis aufs Blut geschunden. Die Einstufung als Light-Variante bezieht sich dabei wohlgemerkt nicht auf den Grad des erzeugten Horrors – selten hat man in den vergangenen Jahren Schreckmomente erlebt, die so brutal-laut beim Zuschauer einschlugen – sondern auf Raimis Einfallsreichtum bei der Inszenierung dieses Schreckens. Im Handlungsverlauf - Sam schrieb das Drehbuch zusammen mit seinem Bruder Ivan Raimi selbst – kommt es immer wieder zu Passagen des Leerlaufs. Es braucht eine Weile, bis „Drag Me To Hell“ beim Zuschauer das richtige Höllen-Feeling aufkommen lässt. Der solide Auftakt trägt noch nicht die unverwechselbare Handschrift des Regisseurs. Und auch im Mittelteil gibt es immer wieder kleinere Durststrecken zu überwinden, wenn Raimi zu sehr in Selbstzitaten schwelgt, ohne sein Spektrum merklich zu erweitern. Vom kreativen Spuk in der Waldhütte und dem originellen Martyrium von Ash sind Christines Erlebnisse doch ein Stück entfernt. Und auch als Scream-Queen kann Alison Lohman (Tricks, Wahre Lügen, Die Legende von Beowulf) trotz insgesamt guter Leistung ihrem Vorbild, dem charmanten B-Movie-Veteranen Bruce Campbell (My Name Is Bruce, Bubba Ho-Tep) nicht ganz den Rang ablaufen.

    Sehr unterhaltsam ist „Drag Me To Hell“ dennoch. Ein brutales Sounddesign, ein schaurig-schräger Score und viele gekonnt platzierte Schocker sorgen für Gänsehaut und lassen den Zuschauer immer wieder zusammenzucken. Aus einer soliden Regie an Nebendarstellern setzt besonders Lorna Raver („Freeway“, „Die Unglücksritter“), auch bekannt aus Serien wie „CSI: Den Tätern auf der Spur“ oder „Eli Stone“, als fiese Vettel mit Gebissproblem zusätzliche Akzente. Wer auf konventionelles Horrorkino steht, wird mit „Drag Me To Hell“ vielleicht seine Probleme haben, denn der ist genauso wenig ein reiner Horrorfilm wie es „Tanz der Teufel“, „Tanz der Teufel 2“ oder „Armee der Finsternis“ waren. Auch diesmal ist der Comedy-Anteil hoch und der Spaß kommt nicht zu kurz: Diverse herrlich übertriebene Ekelszenen, ein tanzender Zombie, das Schicksal von Christines Hauskatze und weitere Slapstick-Momente, von denen manche sogar mit den frühen Filmen des Regisseurs mithalten können, sorgen dafür, dass auch die Lachmuskeln der Zuschauer trainiert werden. Zu den Höhepunkten des Films gehört sicherlich Christines zweites Treffen mit der Zigeunerin in der Tiefgarage. Nach dem konventionellen Start werden spätestens an dieser Stelle alle Zweifel beseitigt, dass man es mit einem Standardhorrorfilm zu tun haben könnte.

    Fazit: Die scheinbar grenzenlose inszenatorische Kreativität seiner frühen Werke erreicht Sam Raimi mit „Drag Me To Hell“ nur in Ansätzen, die an seinem Talent gemessenen Erwartungen kann er nicht ganz erfüllen. Aus der aktuellen Flut von 08/15-Horrorfilmen sticht „Drag Me To Hell“ dennoch klar heraus. Es bleibt zu hoffen, dass Raimi diese Lockerungsübung und die kreative Kunstpause zu neuem Schwung für das nächste Spinnen-Abenteuer verhelfen. Schließlich machten sich schon bei Spider-Man 3 leichte Verschleißerscheinungen bemerkbar.

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