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    Easy Virtue - Eine unmoralische Ehefrau
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Easy Virtue - Eine unmoralische Ehefrau
    Von Jan Hamm

    Sie gehören zu den ergiebigsten Sujets komödiantischer Ambitionen: die Schwiegereltern from hell. Kein Wunder, eignet sich der mit der Familiengründung einhergehende Clash der Generationen doch ausgezeichnet zur Abbildung von Gesellschaft und Zeitgeist. Und wer hat's erfunden? Sicher nicht die Briten, auch wenn die Insel-Klassiker der Marke Oscar Wilde zu den boshaftesten Vertretern ihrer Zunft zählen. Noël Coward ist einer dieser Literaten, dieser späten Dandys, die im Spannungsfeld zwischen sozialer Konvention und lustvoller Grenzüberschreitung schrieben. Bereits Alfred Hitchcock versuchte sich an dessen Bühnenstück „Easy Virtue". Dass aus der Vorlage von 1924 selbst in den Händen des Großmeisters ein eher trivialer Film wurde, hätte dem Australier Stephan Elliott eine Warnung sein müssen - versucht hat er es dennoch. Trotz eines starken Teams vor und hinter der Kamera macht nämlich auch Elliotts Anlauf nur einmal mehr deutlich, dass „Easy Virtue" nicht den Biss eines Oscar Wilde hat.

    Zwischen den Weltkriegen blickt das britische Aristokratenhaus der Whittakers dem Zerfall entgegen. Einzig die Grande Dame (Kristin Scott Thomas) besteht eisern darauf, gemeinsam mit ihren talent- und glücklosen Töchter (Kimberley Nixon, Katherine Parkinson) und ihrem zynischen Veteranen-Gemahl (Colin Firth) noch eine Familie darzustellen. Hoffnung naht in Form von US-Rückkehrer John (Ben Barnes), in dessen junge Hände Mutter Whittaker Restvermögen und Stolz der Sippe legen möchte. Nicht Teil ihres Plans hingegen war die toughe Amerikanerin Larita (Jessica Biel), ihre neue Schwiegertochter, die mit feministisch-modernem Drive gehörigen Aufruhr in den klammen Wänden des Anwesens produziert. Als John auf Ex-Flamme Sarah (Charlotte Riley) trifft, Larita und ihr Schwiegervater ein wortloses Bündnis eingehen und Mrs. Whittaker unter finanziellen Zugzwang gerät, stehen die Zeichen endgültig auf Sturm...

    Eine illustre Mannschaft hat Stephan Elliott da versammelt: Unter den Produzenten von „Easy Virtue" tummelt sich Wilde-Spezialist Barnaby Thompson, der mit der Bürgergroteske „Ernst sein ist alles" und dem düster durchgestylten „Dorian Gray" bereits Kerntexte britischer Literatur verarbeitet hat. Dabei stets an seiner Seite: Englands Vorzeige-Darsteller und gemunkelter Oscar-Kandidat Colin Firth . Auch die Kamera ist mit Second-Unit-Profi Martin Kenzie in sicherer Hand. Doch was helfen all die fähigen Männer, die Erfahrung, die gelungenen Bilder, wenn „Easy Virtue" die Dramaturgie einer Kaffeefahrt offenbart? Elliott und seine Co-Autorin Sheridan Jobbins schaffen es nicht, ihrer Erzählung Stringenz und Konzept zu verpassen.

    Purer Slapstick wird geboten, wenn Jessica Biel den Familienköter mit ihrem hübschen Gesäß erschlägt (!) und händeringend versucht, ihre Tat zu verschleiern. Von bleiernem Ernst erfüllt ist „Easy Virtue" hingegen, wenn Firths herrlich gehässiger Veteran dank Larita über sein Kriegstrauma zu sprechen lernt. Die hier angedeutete Tiefe wird leider nicht weiter ausgelotet, stattdessen erschöpft sich der zentrale Konflikt zwischen Mrs. Whittaker und Larita in einer simplen Gegenüberstellung puritanischer und liberaler Lebensentwürfe. Die Amerikanerin - hart an der Grenze zur Plattitüde mit einer aufgejazzten Version von Tom Jones' „Sex Bomb" angefeuert - treibt Motorsport, schockt ihre Schwiegermutter mit surrealer Akt-Kunst und hat selbstredend nichts für sexuelle Restriktion übrig. Die Hausdame dagegen kämpft erbittert um Etikette und Tradition, um so zumindest die Reste ihres zersplitternden Aristokraten-Selbstbildes aufrecht erhalten zu können.

    So schleicht „Easy Virtue" von Wortgefecht zu Wortgefecht, ohne ein Ziel erkennen zu lassen. Viel zu spät bringt erst das letzte Drittel auf den Punkt, worum es eigentlich geht: Wird John mit seiner hippen Braut durchbrennen und die Familie kollabieren lassen, oder ergibt er sich der von seiner Mutter aufgebürdeten Verantwortung eines hochgeborenen Erben? Wer das Knistern zwischen Larita und dem alten Mr. Whittaker ernst nimmt, wird dann auch keine Überraschung erleben, wenn das Familienpatchwork einfach implodiert. „Easy Virtue" will ein leichtfüßiges und zugleich bissiges Spiel mit sozialer Identität sein. Doch Elliott fehlt der Schneid, filmtauglich in den Originaltext einzugreifen. Und das, wo die zeitlose Boshaftigkeit Wildes einem Coward ohnehin abgeht. Trotz hübscher Ausstattung und gut aufgelegter Darsteller trifft die fiese Schwiegermutter höchstselbst ins Schwarze: „We do not need anymore reminders of your easy virtue."

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