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    Ich & Orson Welles
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Ich & Orson Welles
    Von Christian Horn

    Als mit „Citizen Kane" sein erster Spielfilm in den Kinos startet, ist Orson Welles gerade einmal 26 Jahre alt. Der frühe Erfolg entwickelt sich auch zu einem Fluch, denn der Erwartungsdruck an Welles steigt erheblich und nicht immer kann der Regisseur diesem standhalten. Doch die Karriere von Orson Welles beginnt nicht erst 1941 mit „Citizen Kane", sondern bereits in den Dreißigerjahren. Noch vor seiner legendären Hörspieladaption von H.G. Wells‘ „Krieg der Welten" (1939) erlangte er als Darsteller und Regisseur am Broadway Bekanntheit. Eine Schlüsselfunktion nimmt hier die Aufführung von Shakespeares Drama „Julius Caesar" ein, die Welles im Jahr 1937 für das von ihm gegründete Mercury Theatre inszenierte. Richard Linklater („Before Sunrise", „A Scanner Darkly") – auch ein Regisseur, der nicht immer an den künstlerischen Erfolg seines Erstlingswerkes „Slacker" (1991) anknüpfen kann – erzählt in dem Drama „Ich und Orson Welles" nun die Entstehungsgeschichte dieser Aufführung. Die historisch verbürgten Fakten versieht Linklater (in Anlehnung an die gleichnamige Romanvorlage) nicht unwesentlich mit fiktionalen Abänderungen. So dichtet er zwei für den Film entscheidende Figuren hinzu: die schöne Welles-Assistentin Sonja sowie den Kunst-begeisterten Schüler Richard, der das Ich aus dem Titel markiert.

    Durch einen glücklichen Zufall erhält der 17-jährige Richard (Zac Efron, „High School Musical") eine kleine Rolle in dem Theaterstück „Julius Caesar", das in Kürze seine Uraufführung am Broadway erfahren soll. Die anfängliche Begeisterung ob dieser großen Chance weicht recht bald einer gewissen Ernüchterung. Regisseur Orson Welles (Theaterschauspieler Christian McKay in seiner ersten Kinorolle) packt sein Ensemble während der Proben hart an: Wutausbrüche, hohe Anforderungen und der wiederholte Verweis darauf, dass eigentlich nur er selbst etwas zähle und die Darsteller allenfalls Handlanger seiner Kreativität seien, sorgen für angespannte Stimmung. Dennoch ist der jugendlich-naive Richard vom Theaterbetrieb verzaubert – auch, weil er sich in Welles' Assistentin Sonja (Claire Danes, „William Shakespeares Romeo + Julia") verliebt.

    Die für das Publikum wesentliche Identifikationsfigur ist der von Zac Efron dargestellte Richard: So wie der junge Schauspieler, der ja eigentlich noch zur Schule geht, lernt der Betrachter den Broadway der Dreißiger im Verlauf des Films kennen. Die für die Erzählung zentrale Figur ist jedoch der von Christian McKay kongenial verkörperte Orson Welles, wobei hier in der Tat von einer Verkörperung gesprochen werden kann. Nicht nur physiognomisch sieht McKay dem realen Welles auffallend ähnlich; auch Gestik und Mimik adaptiert er vom Vorbild, das er bereits 2004 in dem Theaterstück „Rosebud" spielte – etwa den von unten auf das Gegenüber gerichteten Blick. Claire Danes schließlich spielt mit Sonja eine aus den Perspektiven von Richard und Welles erzählte Figur; sie ist der wesentliche, wenngleich nicht einzige „Ort", an dem die Interessen des Regisseurs und seines Schauspielers aufeinander treffen und an dem sich das ungleiche Kräftemessen beider manifestiert: Der mächtige und einflussreiche Welles und der naive Richard buhlen um Sonja, die dadurch allerdings nicht zum Spielball wird, sondern ihrerseits ganz eigene Ziele – eine steile Karriere als Schauspielerin nämlich – verfolgt. So gibt sie sich sowohl Orson, als auch Richard hin (ersterem eher aus professionellem Kalkül, zweiterem aus Lust). Und kein Geringerer als David O. Selznick – der erfolgreiche Produzent des Kassenschlagers „Vom Winde verweht" - spielt auch noch eine wichtige Rolle in den Liebeswirren.

    Die Art und Weise, in der Richard Linklater von diesen zwischenmenschlichen Beziehungen erzählt, ist sehr gediegen. Ohne große Aufregung, mit Swing-Musik und oft langen Einstellungen breitet er seine Geschichte aus. „Ich & Orson Welles" ist zwar auch ein bildgewaltiger Film – vor allem die bezaubernd inszenierte Erstaufführung des Theaterstücks und die stilvollen Kulissen/ Kostüme verdienen hier eine Hervorhebung – greift aber auch auf zunächst unfilmische Erzählweisen des Theaters zurück. Die langen Einstellungen und einige Szenen, die in erster Linie mit (stets interessanten) Dialogen arbeiten und weniger mit der Bildgestaltung, fallen hier ebenso auf wie die klare Anordnung der Szenen und Akte, die kaum Überraschungen bietet, im Rahmen eines Kinofilms, der vom Theater handelt, aber durchaus funktioniert. Linklater verlässt also bisweilen die rein filmische Narration und adaptiert Inszenierungsformen des Theaters – eine ästhetische Strategie, die dem Sujet auf ganz unprätentiöse Art Rechnung trägt.

    Einen großen Anteil am Gelingen von Linklaters Film haben die Darsteller. Nicht nur Zac Efron und Claire Danes, sondern auch alle anderen kleineren und größeren Rollen finden zu einer bemerkenswerten Präsenz. Christian McKay als Orson Welles ist dabei der zentrale Fixpunkt und schon alleine seine Welles-Darstellung macht „Ich und Orson Welles" sehenswert. An sich ist das despotische Verhalten des Regisseurs unsympathisch, andererseits strahlt er eine große Portion Charisma aus und wirkt tatsächlich wie die Lichtgestalt, als die er sich vermittelt – McKay gelingt es mit beeindruckender Intensität, diese Aura zu transportieren (und Linklater tut gut daran, ihm die Bühne dafür zu bieten). Wie die anderen Figuren auch fühlt Richard sich von Orson Welles zugleich abgestoßen und angezogen; das Ich im Titel steht von dieser Warte aus betrachtet nicht nur für Richard, sondern auch für den Zuschauer.

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