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    Pandorum
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Pandorum
    Von Björn Helbig

    Science-Fiction-Filme sind häufig ein Abbild ihrer Zeit. Sie spiegeln die Gegenwart und extrapolieren drängende Fragen und Probleme in eine mehr oder weniger weit entfernte Zukunft. Angesichts der alarmierenden Situation, in der sich die Welt aufgrund von Überbevölkerung, Umweltzerstörung und drohenden Kriegen befindet und der damit verbundenen Frage, wie es mit dem Homo Sapiens weitergeht, sollte das Genre eigentlich blühen. Doch seine kritisch-reflexive Kraft wurde zuletzt allzu selten zur Entfaltung gebracht, aus den vergangenen zehn Jahren lässt sich kaum mehr als eine Handvoll erwähnenswerter Beispiele von Filmen (wie zum Beispie Danny Boyles Sunshine) mit dem Mut zu Visionen finden. Doch nun schickt sich der deutsche Regisseur Christian Alvart (Antikörper, Fall 39) an, für ein solches rares Exemplar zu sorgen. Vorweg: So ganz gelungen ist es ihm nicht. Trotzdem sorgt er mit seinem düsteren Science-Fiction-Thriller „Pandorum“ für frischen Wind im Genre. Insgesamt legt er in seinem trotz vieler origineller Ansätze zuweilen etwas konventionell wirkenden Film das Schwergewicht auf die Thriller- und Monster-Elemente seiner Geschichte, was für Spannung sorgt, wodurch er aber auch Möglichkeiten verschenkt.

    2173 sind die Ressourcen der Erde erschöpft, eine Rettungsmission startet in den Weiten des Alls. Ziel: der erdähnliche Planet Talis. Irgendwann in dieser ungewissen Zukunft erwachen die Astronauten Bower (Ben Foster) und Payton (Dennis Quaid) an Bord eines gigantischen Raumschiffs aus dem Kälteschlaf. Orientierungslos und mit nur rudimentärem Wissen über ihre eigene Funktion an Bord des Schiffes versuchen sie die Bruchstücke ihrer Erinnerung zusammenzusetzen. Anscheinend gehören sie zu dem Team, das für die Wachablösung des Kolonialisierungsschiffes „Elysium“ vorgesehen war. Doch warum ist niemand da, um die beiden Männer zu begrüßen? Und warum ist die Tür zur Kommandobrücke versperrt? Und wie lange haben sie überhaupt geschlafen? Ehe Payton und Bower diese Fragen beantworten können, stellt sich ein ganz anderes Problem ein: Die Energieversorgung des Raumschiffs steht kurz vor dem Kollaps und ihnen bleibt nur noch kurze Zeit, um die Elysium zu retten. So begibt sich der junge Bower in die düsteren Eingeweide des Schiffs, während der erfahrene Payton ihn über Funk durch die verlassenen Luftschächte und Gänge dirigiert.

    Der Zuschauer fühlt sich am Anfang von „Pandorum“ beinahe genauso orientierungslos wie die beiden Astronauten. Und das ist gut so, denn je weniger er weiß, desto besser funktioniert der Film. Die unheimliche Atmosphäre an Bord des Schiffs sorgt von Beginn an für Spannung. Während aufgrund des geheimnisvollen Settings und der zahlreichen offenen Fragen anfangs vor allem ein intellektueller Nervenkitzel vorherrscht, geht dieser alsbald in eher körperlichen Horror über: Astronaut Bower entdeckt, dass es an Bord der Elysium nicht nur andere Überlebende gibt, sondern auch sehr gefährliche Kreaturen, die es auf die Menschen abgesehen haben. Während er zusammen mit zwei Passagieren – einer namenlosen Frau (Antje Traue) und einem kampfstarken Botaniker (Chung Le) – auf dem Weg zum Schiffsreaktor ist, tritt das das Schiff umgebende Geheimnis erst einmal in den Hintergrund und „Pandorum“ wird für eine Weile zum klassischen „Run And Chase“-Film.

    Interview

    Filmstarts im Gespräch:

    Interview mit Regisseur Christian Alvart

    In dieser Phase kommt „Pandorum“ ein wenig wie die Weltall-Version von The Descent daher. Zudem lassen sich eine Spur des französischen Eden Log, ein Quäntchen Event Horizont und ein Hauch von I Am Legend ausmachen – auch Ridley Scotts Alien grüßt bei Bowers anfänglichem Irrweg durch die Tunnel des Schiffes kurz. Doch trotz aller Vergleichsmöglichkeiten wirkt Alvarts Film niemals abgekupfert. Dem Regisseur sind die optischen und thematischen Bezüge durchaus bewusst und er versucht stets, über sie hinauszugehen und seine eigenen Ideen zu platzieren. Das tolle Design – vom eigentümlich aussehenden Raumschiff Elysium über dessen düsteres Innenleben bis hin zu den gelungenen Mutanten, die ein wenig an die furchteinflößenden „Reavers“ aus Joss Whedons serie,Firefly-Universum erinnern -, trägt ebenso wie der stimmungsvolle Score entscheidend zur gruseligen Stimmung bei. Alvart verzichtet meistens auf überflüssigen CGI-Einsatz, „Pandorum“ ist solide Handarbeit mit originellen Details und einfallsreicher Inszenierung, einzig die übertriebenen Soundeffekte nerven etwas.

    Gute Leistungen zeigen auch die Schauspieler: Ben Foster (The Messenger, Todeszug nach Yuma) zeigt viel Körpereinsatz und verleiht seiner Figur so trotz einer nur rudimentären Charakterzeichnung ein glaubhaftes Profil. An Fosters Seite macht sich Newcomerin Antje Traue, die hier in ihrem ersten großen Film zu sehen ist, ebenfalls gut. Als namenlose Frau, die in ihrer wortkargen Bestimmtheit an Milla Jovovich in Resident Evil erinnert, bietet Traue eine starke physische Performance. Psychologisch spannend wird es bei der Rolle von Dennis Quaid (G.I. Joe - Geheimauftrag Cobra), der - von seiner Begegnung mit Passagier Gallo (Cam Gigandet, Twilight) abgesehen - allein zurückbleibt und mit dem Stoßtrupp nur via Funk verbunden ist. Quaid wirkt zunächst etwas zu routiniert, kann am Ende dann aber doch noch Akzente setzen. Einzig die teils hölzernen Dialoge und die nicht immer nachvollziehbaren Entscheidungen der Figuren sorgen gelegentlich für leichte Dissonanzen.

    Video-Interview

    Filmstarts im Gespräch:

    Interview mit Christian Alvart

    Es ist möglicherweise der Entstehungsgeschichte des Films geschuldet, dass die in „Pandorum“ zweifellos vorhandenen starken Ideen nicht voll zur Geltung kommen. Als Alvart nach Hollywood kam, schrieb er gerade an „No Where“, einem Drehbuch zu einer groß angelegten Science-Fiction-Geschichte. Wie er selbst im Interview berichtet, hatte er eigentlich nicht die Hoffnung, den Stoff in den nächsten Jahren umsetzen zu können. Als die Produzenten Robert Kulzer, Jeremy Bolt und Paul W. S. Anderson, die nach ihrer „Resident Evil“-Reihe auf der Suche nach einem originellem Filmstoff waren, über den aufsehenerregenden „Antikörper“ auf den deutschen Newcomer aufmerksam wurden, erhielt Alvart dann doch früher als erwartet seine Chance. Doch dann schickten die Produzenten dem jungen Regisseur ein Originaldrehbuch von Travis Millroy zu, das eine sehr ähnliche Story erzählt. Schließlich wurde die Entscheidung getroffen, dass Millroy und Alvart die Geschichte gemeinsam weiterentwickeln sollten. Für den Deutschen war das die Gelegenheit, „seinen“ Stoff zumindest in Teilen zu verfilmen, aber Kompromisse waren natürlich unvermeidlich. Im fertigen Film wirkt es dann leider so, als hätte die interessantere Ebene der Erzählung oft den Kürzeren gezogen.

    Video-Interview

    Filmstarts im Gespräch:

    Interview mit Darstellerin Antje Traue

    Alvarts Ursprungsidee ging von der Frage aus, welche Veränderungen ein Expansionsversuch der Menschheit ins All mit sich bringen würde. So wirkt „Pandorum“ in seinen stärksten Momenten wie eine pechschwarze Version von Gene Roddenberrys „Raumschiff Enterprise“, in der eine Geschichte von fehlgeleiteter Evolution erzählt wird und somit ein gänzlich anderes Bild der Zukunft der Menschheit in unendlichen Weiten gezeichnet wird. Das Drehbuch von Millroy legt dagegen einen viel stärkeren Fokus auf Action und Thrill. Auch wenn sich beide Elemente im fertigen Film finden, wird die faszinierende Hintergrundgeschichte durch den Actionpart doch zu sehr in den Hintergrund gedrängt. Die bedrohliche Atmosphäre an Bord des Schiffes, die dunklen Gänge, die Verfolgungsjagden und die Gefahr durch die Mutanten – das alles ist durchaus spannend, aber eben auch sehr konventionell und lange nicht so mitreißend wie der unter der Oberfläche schwelende, faszinierende Science-Fiction-Plot. Erst im letzten Drittel, wenn Alvart dem Film durch einen Zweifach-Twist zusätzlichen Drive gibt, zeigt sich dann noch einmal deutlich, dass „Pandorum“ mehr sein soll als bloßes Spannungskino.

    Fazit: „Pandorum“ hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck: Optisch durchweg ansprechend, aber dramaturgisch über weite Strecken auch sehr gewöhnlich, zeigt sich die eigentliche Stoßrichtung erst am Ende. Es bleibt zu hoffen, dass Alvart die Chance bekommt, seine Sci-Fi-Ideen weiter auszuarbeiten. Denn eigentlich ist „Pandorum“ nur der Auftakt für eine sehr viel größere und wahrscheinlich noch viel spannendere Geschichte. Doch angesichts des Abschneidens an der US-Kinokasse scheint eine Weiterführung im Kino unwahrscheinlich.

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