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    Dein Weg
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Dein Weg
    Von Jörg Brandes

    Hollywood-Star Martin Sheen („Apocalypse Now") ist gläubiger Katholik. Er hat der Friedensnobelpreisträgerin Mutter Teresa die Hand geschüttelt, im Vatikan neben Papst Johannes Paul II. gesessen und die heilige Grotte in Lourdes besucht. Sogar den Jakobsweg hat er schon bepilgert – aus Zeitmangel allerdings nur für sieben Tage. So kam es Martin Sheen, der eigentlich Ramon Antonio Gerard Estevez heißt, nicht ungelegen, dass er sich für einen Film seines Sohnes Emilio Estevez („Bobby") noch einmal auf den „Camino" begeben konnte. Wer nun befürchtet, im humorvollen Drama „Dein Weg" würden einem die religiösen Aspekte des Wallfahrens nur so um die Ohren gehauen, sei beruhigt. Die beschränken sich hier nämlich auf einige wenige Szenen in der Kathedrale von Santiago de Compostela am Ende des Jakobswegs. Im Kern erzählt das Vater-Sohn-Projekt auch eine Vater-Sohn-Geschichte – und zwar eine sehr berührende.

    Tom Avery (Martin Sheen) ist gerade beim Golf mit Freunden, als sein Handy bimmelt. Der Anrufer hat dem Augenarzt eine schreckliche Nachricht zu übermitteln: Sein Sohn Daniel (Emilio Estevez) sei bei einem Sturm auf dem Jakobsweg in den Pyrenäen ums Leben gekommen. Schweren Herzens setzt sich der Amerikaner in einen Flieger, um die sterblichen Überreste des Verunglückten heimzuholen. Doch vor Ort in St.-Jean-Pied-de-Port überlegt es sich der etwas engstirnige Tom, der die lockere Lebensweise seines reiselustigen Filius häufig kritisiert hatte, dann anders. Er lässt die Leiche verbrennen und macht sich mit Daniels Ausrüstung, Pilger-Pass und Asche selbst auf den mehr als 800 Kilometer langen Weg nach Santiago de Compostela...

    Schnell ist etabliert, dass Tom durch die Wanderung seinem Sohn näher zu kommen hofft, als er es zu dessen Lebzeiten zuletzt war. Ihm dabei zuzusehen, wie er dieses Ziel für sich allein verfolgt, wäre auf Dauer aber doch etwas eintönig. So gesellen sich dann noch drei weitere Wanderer zu Tom, die alle ihr eigenes Päckchen zu tragen haben und den langen Trip aus ganz unterschiedlichen Motiven auf sich nehmen: Zunächst der kiffende, feiernde und futternde Holländer Joost (Yorick van Wageningen), der gerne abspecken würde. Dann die herbe und sarkastische Kanadierin Sarah (Deborah Kara Unger), die vorgibt, sich das Rauchen abgewöhnen zu wollen. Und später noch der schreibblockierte irische Autor Jack (James Nesbitt), der sich Inspiration für ein Buch erhofft. Nach und nach gewinnt das Trio Konturen, die weit über Klischees hinausgehen.

    Dazu bilden die Begleiter dem von Natur aus mürrischen Tom, der sie vergeblich auf Distanz zu halten versucht, produktive Reibungsflächen – eine spektakuläre Persönlichkeitswandlung dichtet Estevez dabei keiner seiner Figuren an, stattdessen erzählt er seine Geschichte mit Bodenhaftung. Überhaupt ist der Film schön ausbalanciert, schnell findet Estevez einen Rhythmus zwischen Szenen, in denen unterwegs etwas passiert, und solchen, in denen einfach nur gewandert wird und man einen Eindruck von der nordspanischen Landschaft gewinnt, durch die der Camino führt. Passend dazu wirkt die unaufdringlich eingesetzte Begleitmusik von Tyler Bates. Zudem halten sich bei den Begegnungen der Truppe mit anderen Pilgern und mit Einheimischen humorvolle Episoden mit dramatischeren die Waage.

    Dabei hat man nur selten das Gefühl, die Situationen seien vom Drehbuch herbeigezwungen, so wie etwa beim Diebstahl von Toms Rucksack samt Daniels Asche durch einen Zigeunerjungen in Burgos. Der Vorfall wird aufgelöst, als wollte Estevez hier mal eben seine Political Correctness unter Beweis stellen. Solche atmosphärischen Störungen bleiben auf der Pilgerreise aber rar, das liegt auch am Ensemble, insbesondere an Martin Sheen, der die darstellerische Hauptlast trägt. Trauer und Schuldgefühle nimmt man seinem Tom ohne weiteres ab; was er tut und wie er reagiert, das wirkt hundertprozentig authentisch. Und schließlich bewahrt Sheen mit seinem natürlichen Spiel auch die Augenblicke, in denen Tom der tote Daniel erscheint, davor, ins allzu Sentimentale oder gar ins Kitschige abzugleiten.

    Fazit: „Dein Weg" ist ein bewegender, größtenteils angenehm zurückhaltend inszenierter Film über einen Mann, der einen Trauermarsch zu Ehren seines Sohnes antritt und dabei zu sich selbst findet - getragen von einem großartigen Martin Sheen.

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