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    Vernetzt - Johnny Mnemonic
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Vernetzt - Johnny Mnemonic
    Von Gregor Torinus

    Als 1995 mit „Vernetzt – Johnny Mnemonic" der erste auf einer Geschichte von William Gibson basierende Science-Fiction-Film in die Kinos kam, waren die Erwartungen der Fans des Cyberpunk-Autors entsprechend hoch gesteckt. Mit dem New Yorker Konzept-Künstler Robert Longo als Regisseur und Gibson selbst als Drehbuchautor schien die Ausgangslage für eine werkgerechte Umsetzung der Kurzgeschichte „Der mnemonische Johnny" denkbar gut. Doch das Ergebnis dieser Zusammenarbeit sorgte bei vielen Fans für Enttäuschung. Statt einer inhaltlichen Komplexität, für die Gibsons Bücher bekannt sind, zeichnet den Film ein sehr geradliniger Actionplot aus. Auch die normalerweise sehr vielschichtigen Charaktere wurden durch eher eindimensionale Figuren ersetzt. Doch das alles war vom Autor selbst so gewollt und visuell ist „Vernetzt – Johnny Mnemonic" streckenweise geradezu als spektakulär zu bezeichnen.

    Johnny (Keanu Reeves) ist ein Datenkurier, der die zu transportierenden Informationen in einem Teil seines Gehirns speichert. Doch zu viele Infos führen innerhalb von kurzer Zeit zum Durchbrennen der Synapsen und somit zum Tod. Eine derart gefährlich große Datenmenge muss Johnny bei seinem neuen Auftrag transportieren. Nur leider ging bei einem blutigen Zwischenfall der Schlüssel verloren, den der Kurier zum Entladen seiner Fracht benötigt. Johnny bleiben 24 Stunden, um die Daten aus seinem Kopf zu löschen. Zugleich will ein gigantischer Pharmakonzern mit allen Mitteln die Verbreitung dieser Informationen stoppen. Nur die Untergrundbewegung der Low-Tecs ist bereit, Johnny in diesem Kampf zu unterstützen.

    Longo setzt auf grelle Effekte und auf ein ganzes Arsenal an holzschnittartigen und schrillen Gestalten. Da diese jedoch allesamt sehr prominent und passend besetzt sind, bietet der Film nicht nur für Freunde des gepflegten Trashs einen erheblichen Unterhaltungswert. Wahrlich nicht von dieser Welt wirkt Dolph Lundgren als mörderischer Priester. Gewohnt genial ist Udo Kier als äußerst skurriler Verbrecher Ralfi, der später einen derben Abgang in Scheibchen macht. Ebenso souverän zeigt sich „Beat" Takeshi Kitano als böser Yakuza-Boss. Hardcore-Sänger Henry Rollins gefällt als Underground-Doktor Spider, während der andere Musiker in der illustren Runde, es handelt sich um den Rapper Ice-T, einen eher peinlichen Auftritt als Kämpfer unter den Straßen der Stadt hinlegt. Hauptdarsteller Keanu Reeves spielt den weitestgehend emotionslosen Johnny Mnemonic mit gewohnt minimierter Mimik.

    Visuell hingegen kann „Johnny Mnemonic" bei jedem Science-Fiction-Freund – und insbesondere bei Cyberpunk-Fans – deutlich punkten. Hier zeigt sich auch die besondere Stärke des Regisseurs. Gerade Detailaufnahmen gelingen Roberto Longo geradezu perfekt. Wenn sich Johnny mit Datenhelm auf dem Kopf und mit vor Schmerz verzerrtem Gesicht auf abenteuerliche Reisen in den Cyberspace aufmacht, dann ist fast jedes Einzelbild ein kleines Kunstwerk für sich. Besonders spektakulär für ihre Entstehungszeit ist auch die Visualisierung der virtuellen Welten, durch die Johnny navigiert.

    Sehr originell und mit viel Liebe fürs Detail ist das Set-Design gestaltet, vor allem „Heaven", der gigantische, an einer alten Brücke hängende Hauptsitz der Lo-Tecs. Der gewaltige Komplex, den man heute weitestgehend mit CGI erschaffen würde, wurde damals noch in einer riesigen leeren Lagerhalle in Toronto nachgebaut. Das Herz von „Heaven" ist ein Raum mit einer riesigen Monitorwand und einem Aquarium in dem sich „Jones" befindet. Jones ist ein gewaltiger Delphin mit einer Direktverbindung zum Cyberspace. Auch er entstand nicht am Computer, sondern man setzte ihn als Roboter zusammen. Somit ist „Johnny Mnemonic" schon allein aus filmhistorischer Sicht interessant - auch in Hinblick auf den vier Jahre später erschienenen Sci-Fi-Meilenstein „Matrix", in dem Keanu Reeves ebenfalls die Hauptrolle spielt.

    Fazit: „Johnny Mnemonic" spart nicht mit grellen Effekten. Statt auf eine verschachtelte Handlung und realistische Charaktere setzten Robert Longo und William Gibson auf eine geradlinige Story und einen Haufen skurriler Figuren. Die Darstellungen des Cyberspace und das Set-Design haben zu ihrer Zeit nicht ohne Grund neue Maßstäbe gesetzt und beeindrucken noch heute.

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