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    Ich habe sie geliebt
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Ich habe sie geliebt
    Von Ulf Lepelmeier

    Der Debütroman „Ich habe Sie geliebt“ von Anna Gavalda ist nicht gerade ein literarisches Ereignis. Auf knapp 165 Seiten werden zwei fehlgeschlagene Beziehungen unter großem Klagen und mit vielen Tränen von einer jungen Frau und ihrem Schwiegervater betrauert und dabei zahlreiche Klischees bedient. Der übersentimentale Trivialroman für weibliche Melancholie-Fans riss Stephan Maus in seiner Romankritik für die Süddeutsche Zeitung gar zu der Behauptung hin, dass die gehypte Autorin, die mit „Zusammen ist man weniger allein“ zwei Jahre später einen Bestseller abliefern sollte, einzig die Absatztaste als Stilmittel beherrsche. Auf gerade diesem gescholtenen Buch basiert nun das gleichnamige Liebesdrama der Regisseurin Zabou Breitman („Claire“), die in Anbetracht der gegebenen Vorlage ein kleines Wunder vollbringt und mit einem tollen Cast den schwachen Roman in ungeahnte Qualitätsgefilde überträgt.

    Chloé (Florence Loiret) ist fertig mit der Welt, als sie überraschend von ihrem Mann verlassen wird und plötzlich mit ihren beiden kleinen Mädchen alleine dasteht. Anteilnahme und Trost findet die Alleingelassene ausgerechnet bei ihrem zumeist wortkargen Schwiegervater Daniel (Daniel Auteuil), der sie zusammen mit seinen Enkelkindern ins familieneigene Landhaus einlädt. Am Abend wird Daniel auf einmal gesprächiger und offenbart sogar das schmerzlichste Kapitel seines Lebens vor seiner trauernden Schwiegertochter. Vor vielen Jahren hatte sich der verheiratete Manager in eine Frau verliebt, die ihn seinen eigenen Wert wieder erfahren ließ. Daniel ist sich sicher, dass er nur mit seiner großen Liebe Mathilde (Marie-Josée Croze) wirklich hätte glücklich werden können, doch anders als sein Sohn schaffte er es damals nicht, seine Familie zu verlassen...

    Der schnörkellose Akustik-Folksong „Run And Hide“ von Anna Chalon trifft genau den Ton des zurückhaltend-melancholischen Films und sorgt für einen stimmungsvollen Beginn. Die Rahmenhandlung der von ihrem Ehemann verlassenen jungen Frau, die von ihrem Schwiegervater in ein kleines Landhaus gebracht wird, ist im Vergleich mit der literarischen Vorlage sehr subtil geraten. Es wird auf Beziehungsrückblenden und unnötige Voice-over-Monologe dankenswerterweise verzichtet. Regisseurin Zabou Breitman, die auch als Schauspielerin erfolgreich ist, lässt all den geschwätzigen Ballast des Romans beiseite und vertraut dafür ganz auf die Ausdruckskraft ihrer Darsteller.

    Florence Loiret (Erzähl mir was vom Regen, Malen oder Lieben) versteht es, sowohl die Verzweiflung und Trauer, aber auch die Wut der verlassenen Mutter, die von einem Tag auf den anderen von ihrem Mann sitzengelassen wurde, auf die Leinwand zu schmeißen. Man sieht ihr die Kraftanstrengung an, die sie vollbringen muss, um für ihre kleinen Kinder da zu sein und wenigstens etwas von ihrem Gefühlschaos vor ihnen zu verbergen. Hauptdarsteller Daniel Auteuil (Caché, Tage oder Stunden) liefert eine eindrucksvolle Performance und überzeugt sowohl als fürsorglicher, alternder Schwiegervater, der sich den größten Fehler seines Lebens eingesteht, als auch als verliebter und leidender Geschäftsmann mittleren Alters. Mit viel Einfühlungsvermögen spielt er den innerlich gebrochenen Daniel, der mit einer bereits viele Jahre zurückliegenden Entscheidung hadert und der Möglichkeit eines anderen Lebensweges nachtrauert.

    Auch wenn Chloé ihrem Schwiegervater vorwirft, er sei nur mit ihr weggefahren, um die Schandtat seines Sohnes gutzumachen und eine gesellschaftsschädigende Szene in Paris zu verhindern, spürt man die Sympathie und Achtung, die sich die beiden entgegenbringen. Dies bringt Daniel letztlich auch dazu, entgegen seiner verschwiegenen Natur von seiner geheimen Beziehung zu erzählen. Er traut sich sogar, Chloé seine Feigheit einzugestehen, die nicht nur ihn selbst, sondern auch seine Frau und seine große Liebe um die Möglichkeit brachte, glücklich zu sein. In einem alten Ohrensessel sitzend schildert er von der ersten Begegnung mit der Dolmetscherin Mathilde in Hongkong, ihren heimlichen Treffen in Hotels überall auf der Welt, seinen Liebes-, Hoch- und Schuldgefühlen. Beinahe symbiotisch gehen dabei die Bilder ineinander über, zeigen Daniel einmal im Landhaus mit einem Glas Wein in der Hand und im nächsten Moment in der Lobby eines noblen Hotels.

    Die sich langsam entfaltende tragische Liebesgeschichte, die immer wieder durch kurze Dialogsequenzen im Landhaus unterbrochen wird, ist sehr stimmungsvoll in Szene gesetzt. Die eher spröde Prosa der Vorlage wird hier in einen melancholischen Bilderreigen verpackt. Marie-Josée Croze (München), die schon als Krankenschwester in Schmetterling und Taucherglocke faszinierte, schlägt dabei mit ihrer mysteriös-charismatischen Aura nicht nur Daniel in ihren Bann und legt ihre Figur zwischen Eigensinn, Drang nach Unabhängigkeit und Sensibilität an. Die fortan nicht ohne Klischees auskommende Liebesbeziehung lebt von dem schauspielerischen Können der beiden Darsteller und profitiert von der eher distanziert- zurückhaltenden Inszenierung, die allzu kitschige Elemente außen vor lässt und dafür Raum für unterdrückte Gefühle und unausgesprochenen (Fehl-)Entscheidungen schafft.

    Fazit: „Ich habe sie geliebt“ ist lupenreines Gefühlskino aus Frankreich, das mit seinen wunderbaren Darstellern und seiner gelungenen melancholischen Inszenierung nicht einfach nur das Beste aus seiner literarischen Vorlage herausholt, sondern sie sogar klar in den Schatten stellt.

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