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    Wie das Leben so spielt
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Wie das Leben so spielt
    Von Sascha Westphal

    Vor diesem sich so langsam seinem Ende zuneigenden Kinosommer war Judd Apatow, als Regisseur der beiden Komödien-Hits Jungfrau (40), männlich, sucht... und Beim ersten Mal und als Autor sowie Produzent zahlreicher anderer Hollywood Comedies, ohne Frage der Mann der Stunde, wenn nicht gar des Jahrzehnts in der Traumfabrik. Es verging kaum ein Monat, in dem nicht wenigstens eine Produktion in die Kinos kam, in deren Credits sein Name zu lesen war. Nun sind die Karten allerdings etwas anders gemischt. Mit dem sensationellen Erfolg von Todd Phillips’ Hangover deutet sich eine Zeitenwende zumindest an. Schließlich ist nur wenige Wochen später Apatows dritte Regiearbeit, die Stand-Up-Tragikomödie „Wie das Leben so spielt“, zwar nicht gefloppt, aber doch deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Wirklich überraschend ist das im Endeffekt nicht bei diesem überlangen, unentschieden zwischen mehr oder weniger gelungenen Stand-Up-Routinen und einer Apatow-typischen Familien-Sentimentalität hin und her schwankenden Filmhybriden. Nur passt diese Beschreibung letztlich irgendwie auch auf seine beiden frühen Filme, und die haben von dieser eigenwilligen Mischung, die fast schon so etwas wie ein Markenzeichen ist, ohne Frage profitiert.

    George Simmons (Adam Sandler, Chuck und Larry, Spanglish) hat es nach ganz oben geschafft. Aus dem einstigen Stand-Up Comedian, der die ganze Ochsentour durch die kleinen und mittleren Clubs überlebt hat, ist ein millionenschwerer Hollywood-Star geworden – mit allem, was dazu gehört: einer Villa in den Hügeln, teurem Spielzeug und natürlich unzähligen weiblichen Fans, die sich ihm bei jeder Gelegenheit an den Hals werfen. Doch nun hat das alles keinen Wert mehr. Sein Arzt hat ihm gerade offenbart, dass er an einer seltenen Blutkrankheit, einer besonders aggressiven Leukämie-Variante, leidet. Ihm bleibt höchstens noch ein, immer wieder von extremen Schmerzen begleitetes Jahr. Angesichts dieser Aussichten hält er es in seinem mit teuren Möbeln und neuesten High-Tech-Geräten vollgestopften, aber menschenleeren Haus nicht mehr aus. Die Erkenntnis niemanden zu haben, keine Freunde und auch keine Frau, trifft ihn letztlich sogar härter als die Diagnose. Also besinnt er sich auf seine Anfänge und tritt noch einmal in einem Comedy-Club auf. Nur fällt er mit seinen düsteren, zutiefst deprimierenden Bemerkungen und Witzen durch, und gibt damit dem jungen, bisher eher glücklosen Comedian Ira Wright (Seth Rogen, Beim ersten Mal, Zack & Miri Make A Porno, Ananas Express) genau die richtige Vorlage...

    Bisher hatte Judd Apatow zwar nur an dem Drehbuch von Adam Sandlers politisch möglichst unkorrekter Komödie Leg dich nicht mit Zohan an mitgearbeitet. Aber trotzdem verbindet den berühmten Komiker und den gerade amtierenden Hansdampf in allen Gassen Hollywoods eine lange gemeinsame Geschichte. Vor 20 Jahren, als sie beide noch als Stand-Up-Komiker auf ihren Durchbruch warteten, wohnten sie gemeinsam in einer WG. Aus dieser Zeit stammen auch die grobkörnigen Videobilder, mit denen diese offensichtlich autobiographisch eingefärbte Innenansicht aus der Zunft der amerikanischen Comedians beginnt. Apatow hat damals mit seiner Videokamera festgehalten, wie der noch ganz junge Sandler Fremden mit grotesk verstellter Stimme Telefonstreiche spielt und sich dabei vor Lachen kaum beherrschen kann. Es ist eine Zeit der Unschuld, des noch rein kindlichen Spaßes an den eigenen Albernheiten, die „Funny People“, wie der Film im Original viel passender heißt, in diesen Augenblicken heraufbeschwört. Die Sehnsucht, die aus ihnen spricht, verbindet den Regisseur und seinen Star vielleicht noch mehr als alles andere. Sie ist auch der Motor, der die Geschichte von George Simmons und Ira Wright überhaupt erst in Gang bringt und dann am Laufen hält.

    Wie schon die beiden vorherigen Filme Apatows mäandert auch dieser ständig zwischen zwei Welten und Geschichten hin und her, die sich zwar gelegentlich berühren, aber nie wirklich eins werden. In der einen engagiert der einsame – vielleicht sogar aus Einsamkeit todkranke – Simmons den Nachwuchskomiker Ira als Gag-Schreiber und Mädchen für alles. Er holt ihn in seine Villa und schreckt auch nicht davor zurück, ihn, der eigentlich nur ein Angestellter ist und jederzeit um seinen Job fürchten muss, als Ersatz-Freund zu missbrauchen. Dass Ira das alles über sich ergehen lässt und seinem Idol sogar noch hilft, als der versucht, seine frühere, inzwischen verheiratete Freundin Laura (Leslie Mann) zurückzuerobern, hat dabei weniger mit Ehrgeiz und Berechnung als mit seinem grundguten Herzen zu tun.

    Blog

    Filmstarts-Bericht von Pressekonferenz zum Film:

    Adam Sandler hat Angst vor Stand-Up-Comedy

    Die andere Welt ist die der Wohngemeinschaft, in der Ira mit seinen Freunden Leo Koenig (Jonah Hill, Superbad, Nachts im Museum 2) und Mark Taylor Jackson (Jason Schwartzman, I Heart Huckabees, Marie Antoinette, Darjeeling Limited) lebt. Die beiden sind als aufstrebende Stand-Up Comedians und Fernsehschauspieler zudem aber auch seine deutlich erfolgreicheren Konkurrenten. Die Serie, in der Mark eine große Rolle ergattert hat, ist zwar grauenerregend. Aber die Schecks, die er Woche für Woche bekommt, könnte Ira auch gebrauchen. Übrigens waren die so genannten Freunde des Protagonisten schon in Jungfrau (40), männlich, sucht... und Beim ersten Mal alles andere als echte Freunde.

    Diese Männer-Cliquen sind bei Apatow immer ein Hort offener wie versteckter Eifersüchteleien und kleinlicher Streitigkeiten. Jedes Mal, wenn sie ins Spiel kommen, wird zum einen die Komik der Filme brachialer – gelegentlich entwickelt sie sogar deutliche Tendenzen zum gross out. Zum anderen kommt mit diesen (Wohn)Gemeinschaften eine mehr als nur unterschwellige Paranoia in Apatows Filme. Da ist dann ein höchst befremdlicher Unterton, der den Eindruck des Disparaten, der sowieso schon aus der zweigleisigen Struktur der Filme resultiert, noch einmal verstärkt. Allerdings bekommt dieser Zug ins Paranoide, diese nicht wirklich eingestandene Angst vor den Freunden und Mitbewohnern, im Kontext von „Funny People“ noch eine ganz andere, recht bizarre Dimension. Schließlich waren auch Apatow und Sandler einmal Mitbewohner.

    Dem Misstrauen gegenüber allen, die um den gleichen Kuchen kämpfen wie Apatows Protagonisten, steht in allen seinen Filmen eine akute Sehnsucht entgegen – die nach einem Familien-Idyll, nach dem Ideal einer durch nichts zu erschütternden Einheit aus Vater, Mutter und ein bis zwei Kindern. Natürlich hegt Apatow als Scheidungskind auf der anderen Seite aber auch gegenüber dieser Form von Gemeinschaft ein gehöriges Misstrauen. Simmons zieht es zurück zu Laura, die von niemand anderem gespielt wird als von Apatows Ehefrau Leslie Mann (Ein Mann für alle Unfälle, 17 Again). Sie ist für ihn das Glück, das er sich durch die Finger hat rinnen lassen. Mit seinen Bemühungen zerstört er allerdings fast Lauras Ehe und Familie. Es läuft seit einiger Zeit nicht mehr richtig zwischen ihr und ihrem Mann, einem von Eric Bana (Hulk, München) gespielten australischen Workaholic und Macho. Das macht sie empfänglich für Georges Aufmerksamkeiten. Nur sind da noch ihre beiden Töchter, die Apatow – wie sollte es auch anders sein – natürlich mit seinen eigenen Töchtern besetzt hat.

    Die ganzen offenen und verschlüsselten autobiographischen Aspekte und Hinweise verleihen „Funny People“ ohne Frage einen gewissen Reiz. Es macht Spaß, bei diesem seltsamen gemeinsamen Versteckspiel eines erfolgreichen Filmemachers und eines Hollywood-Stars mitzumachen. Doch mit der Zeit verliert sich der Film dabei selbst. Die an sich schon eher ungewöhnliche, beinahe experimentelle Mischung aus Komik und Sentimentalität, tödlichem Ernst und kindischer Albernheit kippt nach und nach in eine reine Selbstbespiegelung. Dem hat auch Adam Sandler nichts entgegenzusetzen. In dem Bestreben, seine Figur möglichst nah an der Wirklichkeit eines auch im Kino erfolgreichen Stand-Up Comedians zu halten, engt Apatow seinen Star extrem ein. Von dieser einzigartigen Aggressivität und Explosivität, die einfach zu Sandlers Persona gehören, bleibt hier nur ein vage passiv-aggressives Verhalten. Das passt zwar zu George Simmons. Aber Sandler fehlt damit ausgerechnet die Seite seiner Komik, die die alten Videoaufnahmen feiern: die unkontrollierte, immer auch am Rand des Abgrunds balancierende Spontaneität, diese seine besten Auftritte so unberechenbar macht.

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