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    James Bond 007 - Sag niemals nie
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    James Bond 007 - Sag niemals nie
    Von Jonas Reinartz

    „I have always hated that damn James Bond. I'd like to kill him.” (Sean Connery)

    Die antiken Griechen und Römer erfreuten sich an ihren Sagengestalten, heute finden sich in der Schatzkammer der populären Kultur dafür Heroen wie der unermüdliche Wiederkehrer James Bond. Auch der regelmäßige Wechsel seiner äußeren Erscheinung kann der archetypischen Urgestalt des Agenten mit der Lizenz zum Töten nichts anhaben, deren Beliebtheit alle Trends und Moden überdauert. Auch kleine Abweichungen und Differenzen in der stets fortgeschriebenen Bond-Biographie fallen dabei nicht übermäßig ins Gewicht. Dennoch haben alle 007-Darsteller einen Beitrag zum Bond-Mythos geleistet und kaum jemand hat das Bild des Superagenten so geprägt wie Sean Connery (Marnie, Der Name der Rose). Nach einem recht lustlosen Abschied 1971 mit Diamantenfieber kehrte der Schotte 1983 mit „Sag niemals nie“ noch einmal zurück - und verlor den von der Presse als „Bond vs. Bond“ titulierten Wettbewerb mit dem im selben Jahr in Octopussy auftretendem Roger Moore an der Kinokasse. Auch bei Bondianern genießt das Werk von Regie-Routinier Irvin Kershner (Das Imperium schlägt zurück, „RoboCop 2“) nicht den besten Ruf. Der inoffizielle, nicht von der üblichen Produktionsfirma Eon produzierte Bondfilm ist nämlich ein, wenn auch recht freies, Remake von Feuerball, der für sich genommen alles andere als verbesserungsbedürftig ist. Produzent Kevin McClory hatte nach einem zähen juristischen Streit die Rechte erhalten und realisierte das Projekt „Sag niemals nie“ wohl vor allem aus purem Trotz. Dabei sind seine Trumpfkarten vor allem ein unerwartet gut aufgelegter Connery sowie einige höchst vergnügliche selbstreflexive Gags - schweißtreibende Action-Sequenzen sind angesichts des Alters des Hauptdarstellers dagegen rar gesät. Zudem enttäuscht der österreichische Bühnen- und Filmstar Klaus Maria Brandauer („Jenseits von Afrika“, Tetro) als Schurke, wogegen Barbara Carrera sich neben Famke Janssen (X-Men, 96 Hours) in GoldenEye als eines der wenigen bösen Bond-Girls auf Augenhöhe mit ihrem Gegenüber profiliert.

    Am grau-melierten James Bond (Sean Connery), ohnehin in den vergangenen Jahren fast ausschließlich als Ausbilder des Agentennachwuchses eingesetzt, nagt sichtlich der Zahn der Zeit. Nach einem missratenen Trainingseinsatz verliert M (Edward Fox), Bonds direkter Vorgesetzter und Chef der MI6, endgültig die Geduld. Er wirft seinem ehemals besten Mann einen fahrlässigen Lebenswandel vor und zwingt ihn zum Besuch der noblen Gesundheitsklinik Shrublands. Doch auch an diesem Ort der Erholung kommt der Mann mit der Lizenz zum Töten nicht zur Ruhe: 007 beobachtet nämlich zufällig die Femme Fatale Fatima Blush (Barbara Carrera) bei ihrem bizarren Treiben mit dem NATO-Angehörigen Jack Petachi (Gavan O'Herlihy) und soll daher beseitigt werden. Dahinter steckt ein alter Widersacher Bonds: Ernst Stavro Blofeld (Max von Sydow) will der freien Welt mit Hilfe zweier entwendeter Atomsprengköpfe Milliarden abpressen. Hauptverantwortlicher für diese Operation ist der reiche Unternehmer - und vermeintliche Philanthrop - Maximilian Largo (Klaus Maria Brandauer). Einzig der reaktivierte Bond scheint wieder einmal in der Lage zu sein, das Schlimmste zu verhindern. Dass Largo eine bildhübsche Freundin namens Domino (Kim Basinger) sein Eigen nennt, stört den Lebemann Bond dabei nicht im Geringsten...

    Agierte Connery im zwölf Jahre zuvor entstandenen „Diamantenfieber“ gelegentlich etwas desinteressiert, so ist er hier ein Ausbund an Spielfreunde. Ausgestattet mit einem schier unendlichen Arsenal an Onelinern, ist er sichtlich in seinem Element und verabschiedet sich würdig von der Figur, die ihn unsterblich machte. Er stolziert hier noch einmal mit jener unfassbaren und unerschütterlichen Nonchalance umher, die selbst so manchen leicht misogynen, billigen Witz verzeihen lässt. Oft scheint es fast so, als würde sich Connery von außen selbst beobachten und sich genüsslich auf die Schulter klopfen, voller Freude, wieviel Spaß es macht, wieder den großen Jungen zu geben. Der Höhepunkt dieser Herangehensweise ist seine letzte Einstellung, in der Connery keck in die Kamera blickt und sich von seinem Publikum im wahrsten Sinne des Wortes mit einem Augenzwinkern verabschiedet. Zur Selbstironie des Schotten gesellt sich die Selbstbezüglichkeit des Films, es gibt kein zweites Bond-Abenteuer, in dem so eindeutig auf die eigene Fiktionalität hingewiesen wird. Der vorübergehende Ruhestand des Agenten verweist auf die jahrelange Unlust des Schauspielers, wieder in seine Paraderolle zu schlüpfen, dazu kommen eingestreute Seitenhiebe auf das Alter des Protagonisten und auch die Eigenheiten der Bond-Figur an sich werden immer mal wieder aufs Korn genommen.

    Seiner ursprünglichen griechischen Wortwurzel zufolge bezeichnet der Begriff „Heros“ (dt.: Held) jemanden, der andere beschützt und dabei der Gemeinheit dient. Dieser Definition entspricht James Bond natürlich nur bedingt. Egal, wie bedroht die Welt auch sein mag, der Agent ist keiner kurzen Affäre abgeneigt. Er ist Hedonist und nimmt seinen Beruf nicht wirklich ernst, denn für ihn ist alles Spiel. Dass ihn die amourösen Abenteuer dennoch bei der Lösung seiner Fälle weiterbringen, ist eher einer effektiven Dramaturgie geschuldet. Kershner macht sich über diese Spielernatur lustig, indem er einen betont albern inszenierten Kampf zwischen Bond und einem Attentäter, mit einer Gruppe Rentnern, zu denen 007 ja bald auch gehören wird, kontrastiert, die sich gemeinsam jubelnd einen Boxkampf im Fernsehen anschauen und somit indirekt die ihnen nicht bewusste Auseinandersetzung kommentieren. Dies ist nicht nur ein gelungener Gag, sondern betont gekonnt die spielerische Komponente, die durch die musikalische Untermalung einer späteren Verfolgungssequenz an der Côte d’Azur mit flotten Tanzrhythmen und die humorvolle Entlarvung des Intros als Trainingseinheit noch unterstrichen wird.

    Was seine visuelle Umsetzung betrifft, wählt Kershner einen nachvollziehbaren Ansatz. Er begreift, dass dies die „Connery-Show“ ist und hält sich wohltuend zurück. Gemeinsam mit dem äußerst versierten britischen Kameramann Douglas Slocombe (Jäger des verlorenen Schatzes, Indiana Jones und der Tempel des Todes) nutzt er die malerischen Kulissen zu klassisch komponierten und sonnenlichtdurchfluteten Scope-Bildern, der nachlassenden Fitness seines Protagonisten entsprechend hält er das Tempo eher gedrosselt. Das mag manchem Zuschauer zu gemächlich erscheinen, sorgt jedoch gerade im Zusammenspiel mit der aus heutiger Sicht leicht angestaubten, aber stimmungsvollen Musik Michel Legrands („Die Regenschirme von Cherbourg“) für eine äußerst entspannte Atmosphäre. Von der bereits erwähnten Verfolgungsjagd einmal abgesehen, ist spektakuläre Action eher Mangelware. Der vorhin erwähnte Faustkampf hat fast schon Slapstick-Charakter und der Showdown ist vergleichsweise enttäuschend. Momente wie ein aus heutiger eher lächerlich anmutender Wettstreit im Videospiel „Domination“ geraten nicht annähernd so spektakulär wie von den Machern augenscheinlich erhofft.

    Angesichts der eher heiteren Grundstimmung ist Klaus Maria Brandauers affektierte Darbietung zunächst durchaus passend. Der Mime gibt sich keinerlei Mühe, seine übliche Persona zu variieren und gibt wie gewohnt den leichtfüßigen, kultivierten Narzissten. Man könnte meinen, sein Hendrik Höfgen aus István Szabós Klaus Mann-Adaption „Mephisto“ wäre im Wald der Fiktionen falsch abgebogen und versehentlich im Bond-Universum gelandet. Letztlich wirkt Brandauer aber zu harmlos, was auch für Max von Sydow (Wilde Erdbeeren, Der Exorzist) zutrifft, dem schlicht die sardonische Präsenz anderer Blofeld-Darsteller wie Donald Pleasance (Man lebt nur zweimal) oder Telly Savalas (Im Geheimdienst Ihrer Majestät) abgeht. Hervorragend dagegen spielt die diabolisch-charismatische Barbara Carrera als dominante, männerhassende Killerin Fatima Blush, die in stetig absurder werdenden Kostüme zu sehen ist und der zudem einer der schwarzhumorigsten Abgänge der Filmserie zugestanden wird. Rowan Atkinson (Johnny English, Mr. Bean macht Ferien) in seinem ersten Leinwandauftritt sorgt zudem für wenig originelle, jedoch durchaus amüsante Situationskomik. Negativ wirkt sich freilich das Fehlen der traditionellen Eon-Markenzeichen (keine Gunbarrel-Sequenz oder Bond-Melodie, die üblichen Darsteller von M, Q und Moneypenny werden ebenfalls vermisst) aus.

    Eine erneute Verfilmung von „Feuerball“ war sicher nicht zwingend nötig, aber auch für die Kenner des ersten Films bietet „Sag niemals nie“ gelungene Unterhaltung, zumal hier nicht Flemings Roman als Vorlage diente, sondern der erste Skript-Entwurf für die Version von 1965. Bei seinem letzten Auftritt als Geheimagent im Dienste ihrer Majestät erleben wir den streitbaren schottischen Nationalhelden Sean Connery in Topform, dazu kommen traumhafte Drehorte sowie die gewohnten Bond-Kalauer. Eine derartige Mischung ist alles andere als ein trüber Schwanengesang und bringt vor allem eines: Spaß für Liebhaber von - im allerbesten Sinne - altmodischer Unterhaltung.

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