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    Stella und der Stern des Orients
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Stella und der Stern des Orients
    Von Christian Horn

    Man nehme ein charismatisches und beherztes Mädchen als Heldin wie es in der Nachfolge von Pippi Langstrumpf zuletzt in Die Insel der Abenteuer zu sehen war und lasse es die Suche nach einem geheimen Schatz anführen, mit dessen Hilfe wie in Richard Donners Kinderabenteuer-Klassiker „Die Goonies“ das Elternhaus vor dem Verkauf gerettet werden soll. Nun garniere man diese Vorstellung mit einem Zeitreisemotiv und ergänze sie durch eine biedere formale Umsetzung in Fernsehspiel-Ästhetik, schon ergibt sich ein erstes Bild von Erna Schmidts Debütfilm „Stella und der Stern des Orients“. Die Regisseurin verfügt über ein lebhaftes Trio von Kinderdarstellern und gestaltet die Dreierkonstellation prägnant aus. Sie versieht die Geschichte zudem mit viel Humor, und auch an der einen oder anderen abenteuerlichen Szene fehlt es nicht. Trotz der vielsprechenden Zutaten kommt die Geschichte allerdings nie so richtig in Fahrt, denn der Inszenierung fehlen Schwung und Originalität. „Stella und der Stern des Orients“ ist ein Kinderfilm, der so am ehesten für das junge Zielpublikum fesselnd sein dürfte.

    Wir befinden uns im Jahr 2005, es ist der Silvesterabend: Die kleine Stella (Laura Berschuk) besucht gemeinsam mit ihrer Mutter die Oma in der alten Villa der Familie. „Seit wann sind Sachen, die verboten sind, eigentlich nicht erlaubt?“, fragt sich das Mädchen mit den lebhaften Augen und erkundet auf ihrem Streifzug durch das Haus besonders interessiert den Speicher, dessen Betreten ihr zuvor untersagt wurde. Unwissentlich aktiviert sie mit einem Amulett eine Zeitreisemaschine und wird durch einen Schrank geradewegs in das Jahr 1905 versetzt. Dort lernt sie ihren Ur-Großonkel Gustav (Julius Römer) und ihre Ur-Oma Clementine (Hanna Schwamborn) kennen, die zu dem Zeitpunkt beide etwa in Stellas Alter sind. Als sie erfahren, dass der Vater sich beim Bau einer Eisenbahnstrecke hoffnungslos verschuldet hat und die Familienvilla deshalb vor dem Verkauf steht, geben die drei Kinder nicht auf: Angeblich hat der Abenteurer-Onkel von Gustav und Clementine in der Nähe einen wertvollen Schatz versteckt und den gilt es nun schnellstens zu finden. Leider bekommen auch zwei Halunken Wind von der Sache und verfolgen die Kinder...

    Nach der sehr knapp gehaltenen zweigeteilten Exposition steht „Stella und der Stern des Orients“ ganz im Zeichen der kindlichen Schatzsuche. Einen riesigen Wald mit tiefen Schluchten, in dem womöglich Wölfe lauern, gilt es zu durchqueren, aber das atmosphärische Potential dieser verschneiten Kulisse wird kaum genutzt. Aufregende Situationen sind unspektakulär ins Bild gesetzt, die gesamte Inszenierung wirkt träge und uninspiriert. Selbst die beiden Verfolger-Figuren wirken oft eher störend, als dass sie Spannung verbreiteten. Dabei versuchen der berechnende Dr. Lodeus (Hans-Martin Stier) und der von Axel Prahl (Halbe Treppe, Mondkalb) gekonnt verkörperte, tölpelhafte Kleinheinz alles, um an den Schatz zu gelangen. Gegen den Witz und den Einfallsreichtum der Kinder - vor allem der Mädchen - können sie auf Dauer jedoch nichts ausrichten.

    Besser gelungen ist die Figurenzeichnung bei den Kindern und vor allem die Darstellung ihrer Beziehungen untereinander. Stella, das moderne Mädchen aus dem 21. Jahrhundert, kann so gar nichts mit den Rollenvorstellungen anfangen, mit denen sie bei ihren Vorfahren konfrontiert wird: Frauen sollen nur den Haushalt schmeißen und sich um die Kinder kümmern? Ihnen soll ein Studium verwehrt bleiben? Nein, das geht gar nicht. Und so flößt Stella ihrer Ur-Oma ein wenig emanzipatorisches Gedankengut ein, ihr gemeinsames Motto lautet bald „Mädchen an die Macht!“. Aus der Zukunft weiß Stella bereits, dass Clementine sehr zur Verzweiflung des konservativ-patriarchalischen Vaters später einmal Medizin studieren wird. Das aus dem 21. Jahrhundert angereiste Mädchen trägt nun aktiv zu dieser Entwicklung bei, macht ihrer Vorfahrin Mut und gibt ihr letztlich erst den Anstoß, gesellschaftliche Konventionen zu überwinden. Durch die Impulse aus der Zukunft wird verdeutlicht, wie weit Clementine ihrer eigenen Zeit voraus sein wird.

    Der Gegensatz zwischen heutigen Gepflogenheiten und den um 1900 geltenden Gebräuchen wird indes nicht nur für die Reflektion sich wandelnder Rollenbilder genutzt. Auch der Humor des Films speist sich zum großen Teil aus dem historischen Kontrast, vor allem aus den sprachlichen Unterschieden. „Cool“, „verschärft“, „spitzenmäßig“ – diese und andere Begriffe sind Clementine und Gustav ein Rätsel, Stella kann im Gegenzug die altdeutsche Schrift nicht entziffern. Als die drei aus der Villa in Richtung Schatzsuche aufbrechen wollen, konstatiert die Titelheldin: „Wir machen es wie James Bond!“ Die Kinder aus der Vergangenheit reagieren natürlich verständnislos und Stella behilft sich mit der Erklärung, das sei so eine Art Geheimbund. In der Folge stellt Gustav immer wieder fest: „Wir sind der beste James-Bund.“ Derlei aus sprachlichen Missverständnissen entstehender Humor findet sich in „Stella und der Stern des Orients“ sehr häufig. Nach dem zehnten „Wir sprechen ein anderes Deutsch“-Witz lässt die Begeisterung allerdings ein wenig nach.

    „Stella und der Stern des Orients“ besitzt einen aufklärerischen Grundton. Die drei Kinder werden trotz aller Gegensätze und Verständigungsprobleme zu Freunden – denn im Grunde sind sie doch gleich. Hier findet sich ein zumindest implizit auch auf die Probleme der Gegenwart bezogenes Plädoyer für Toleranz und Offenheit. Da Erna Schmidt die Schatzsuche aber leider zu fade und blutleer inszeniert und viele Elemente ständig wiederholt werden, stellt sich beim Betrachter schnell eine gewisse Gleichgültigkeit ein, die allenfalls von sehr jungen Zuschauern übersehen werden könnte.

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