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    100 Tears
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    0,5
    katastrophal
    100 Tears
    Von Christian Roman

    „It’s gonna hurt!“ – passender könnte der Untertitel des Direct-to-DVD-Horrorfilms „100 Tears“ nicht sein. Denn mehr als Schmerzen wird die Geschichte um den psychopathischen Clown Gurdy, der schnetzelnd durch Florida zieht, beim Publikum nicht hervorrufen. Die Handlung ist belanglos, die Schauspieler unfähig und die schlechten Spezialeffekte versprühen nicht einmal mehr einen trashigen Charme. Bemerkenswert ist allein die Entschlossenheit, mit der Regisseur Marcus Koch das unterirdische Niveau über die gesamte Laufzeit von 90 Minuten hält.

    Zum Inhalt: Ein Clown schlachtet Menschen ab und zwei Journalisten versuchen, die Identität des Mörders zu lüften. Der Rest ist uninteressant. So viel sei aber trotzdem verraten: Mit einem monströsen Fleischerbeil zersägt, ersticht und filetiert „Gurdy, der Clown“ seine Opfer seit nunmehr 20 Jahren. Die Polizei der Provinz Tampa tappt noch immer im Dunkeln. Deshalb begibt sich das ungleiche Reporter-Paar Jennifer Stevenson (Georgia Chris) und Mark Webb (Joe Davison) eigenständig auf die Jagd nach dem Serienkiller. Anstatt jedoch den ultimativen Knüller zu landen, werden Jennifer und Mark plötzlich selbst zu Akteuren im Zirkusspiel des perversen Clowns…

    Das Vorhaben des Regisseurs, den Plot in zwei Handlungssträngen zu erzählen und am Ende zusammenzuführen, hebt sich angenehm vom minimalistischen Storybrei vergleichbarer Splatter-Orgien ab – das misslingt bedauerlicherweise aber bereits im Ansatz: So bilden die episodenhaften Einschübe, die die Ermittlungen von Jennifer und Mark verfolgen, zwar einen starken Kontrast zu den blutigen Massakern von Gurdy, öden aufgrund des miserablen Drehbuchs aber gewaltig an. Die Journalisten leben in einer nicht näher definierten Lebensgemeinschaft: Sie wohnen zusammen, sind aber scheinbar kein Liebespaar. Das ist dann auch schon alles, was der Zuschauer über sie erfährt. Die Hintergründe der Figuren werden nur schemenhaft angedeutet und sind somit austauschbar. Noch jämmerlicher fallen die Dialoge aus. Den Großteil des Films pflastern sich Jennifer und Mark mit stumpfsinnigen Sprüchen zu und überraschen den Zuschauer mit Weisheiten der Marke: „The Killer-Clown is here. And he is trying to kill us!” Das wirkt nicht nur unfreiwillig komisch, sondern erstickt jegliche Atmosphäre bereits im Keim.

    Story, Dialoge und Charaktere sind allesamt zweitrangig, mag der überzeugte Splatter-Fan jetzt argumentieren. Leider bietet „100 Tears“ aber auch sonst nicht mehr als schlechte Standardkost. Nach einem außergewöhnlich blutigen Schlachtfest zum Auftakt plätschert der Film über eine Stunde lang nur höhepunktlos vor sich hin. Schuld daran ist neben dem parallelen Handlungsstrang auch Gurdy, der Clown, der sich derart fantasielos durch die Menschenmassen metzelt (hier ein abgetrennter Kopf, dort ein Schnitt durch die Kehle), dass auch der letzte Gore-Fan gelangweilt in den Sessel sinkt. Das Saw-Franchise beispielsweise zeigte alles dies schon weitaus einfallsreicher, wenn auch nicht unbedingt subtiler.

    Nach dem weitgehend unbeachteten Zombiestreifen „Rot“ liefert der Amerikaner Marcus Koch mit „100 Tears“ nun seine zweite Regiearbeit ab. 10.000 Dollar des geringen Gesamtbudgets von etwa 75.000 Dollar verschlangen allein die Spezialeffekte. Davon ist im Film allerdings wenig zu sehen. Wo das Blut zumindest noch als solches zu erkennen ist, macht ein Erste-Hilfe-Dummy meist einen glaubhafteren Eindruck als die Leichen, nachdem Gurdy mit ihnen fertig ist. Von Koch, der seinen Weg als Special-Effects-Artist in die Horrorfilmbranche fand, hätte man hier sicherlich deutlich mehr Geschick erwartet. Zu den schwachen visuellen Effekten gesellt sich ein katastrophaler Score. Insbesondere das Techno-Gehämmer, das Gurdys Blutbäder begleitet, ist auf Dauer nur schwer erträglich.

    Anstatt das Budget für Effekte zu verprassen, hätte Koch es sowieso besser in einen funktionierenden Cast stecken sollen. Hier werden die finanziellen Defizite nämlich besonders deutlich. Einzig die charmant-drahtige Georgia Chris („Vampire Biker Babes“, The Punisher) liefert als Reporterin Jennifer Stevenson solide Arbeit ab. Joe Davison ist hingegen seine Vergangenheit als Produzent und Drehbuchautor (er schrieb auch das Skript zu „100 Tears“) deutlich anzumerken. Nach Mimik und Gestik such man bei ihm weitestgehend vergeblich, die hohlen Sprüche tun ihr übriges, um die Rolle des Mark endgültig zu zerstören. Kaum zu erwähnen ist die Nebendarsteller-Riege, da diese nach einer flüchtigen Einführung sowieso nur noch als Frischfleisch für Gurdy dient.

    Fazit: „100 Tears“ dürfte Splatter-Fans und Durchschnittskinogänger gleichermaßen enttäuschen. Geduldige Anhänger des Trash-Horrors werden angesichts der lästigen Nebenhandlung gelangweilt auf das nächste Schlachtfest warten, alle anderen nutzen besser das Rückgaberecht ihres Versandhauses und legen sich stattdessen einen von Rob Zombies Slasher-Streifen (Haus der 1000 Leichen, The Devil´s Rejects) zu. Zwar sind dort auch keine Story-Leckerbissen zu erwarten, dafür stimmt aber der Rest. Im erlösenden Abspann von „100 Tears“ erklingen schließlich drei Liedzeilen, die geradewegs vom Regisseur stammen könnten: „I do it all because I’m evil. And I do it all for free. Your tears are all the pay I ever need.” Eines ist sicher: Sein Lohn würde fürstlich ausfallen.

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