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    Teufel in Blau
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Teufel in Blau
    Von René Malgo

    Los Angeles, 1948. Ezekiel Rawlins (Denzel Washington), genannt Easy, hat seinen Job in der Fabrik verloren. Sein Freund Joppy (Mel Winkler) stellt ihm einen weißen Privatdetektiv vor, DeWitt Albright (Tom Sizemore), der Easy einen 100-Dollar-Job anbietet. Seine scheinbar leichte Aufgabe besteht darin, eine junge Weiße namens Daphne Monet (Jennifer Beals) zu finden - die Geliebte des Bürgermeisterkandidaten Todd Carter (Terry Kinney). Da sie sich gerne in Gesellschaft Farbiger aufhält, ist Easy genau der Richtige für den Job. In einem illegalen, schwarzen Jazz-Club beginnt er denn auch sogleich seine Suche. Er stößt auf Coretta James (Lisa Nicole Carson), die zu wissen scheint, wo sich Daphne aufhält. Nach einer Liebesnacht hat Easy die Adresse, wo sich Daphne offenbar aufhalten soll. Am nächsten Morgen tauchen jedoch die beiden LAPD-Detectives Miller (Beau Starr) und Mason (John Roselius) vor seiner Haustür auf. Coretta ist ermordet worden und Easy gehört zu den Hauptverdächtigen. Plötzlich findet sich Easy in einem Morast von politischen Intrigen, Korruption, Mord und Rassismus wieder.

    L.A. Confidential meets Out Of Time. Von einem Plagiat kann aber nicht die Rede sein, denn „Teufel in Blau“ ist jeweils älter als die beiden Filme. Carl Franklin führte Regie, von ihm stammt auch Out Of Time mit Denzel Washington in der Hauptrolle. Ähnlich dem atmosphärischen Thriller „Out Of Time“, der 2004 in den deutschen Kino untergegangen ist, erging es 1995 „Teufel in Blau“. Mittlerweile erinnert sich kaum jemand an den modernen Anschluss an die Schwarze Serie Hollywoods, den Film Noir. Das ist schade, denn Carl Franklin gelang ein stilsicherer, stimmiger Kriminalthriller, der fast nahtlos an Klassiker wie Chinatown oder Tote schlafen fest anknöpft.

    Wäre „Teufel in Blau“ nicht im afroamerikanischen Milieu angesiedelt und Easy kein Farbiger, er hätte glatt als ein Philip Marlowe in jungen Jahren durchgehen können. Aus der Not heraus beginnt er als Privatdetektiv und stellt sich anfangs ziemlich dilettantisch an. Doch mit der Aufgabe wachsen seine Fähigkeiten und er lernt die Regeln des Spiels kennen. Und obwohl er ziemlich was auszuhalten hat, beginnt sich Easy mit seiner neuen Rolle als privater Ermittler anzufreunden. Integer und mit einigen romantischen Vorstellungen vom Leben geht er zu Werke und beweist vor allem Köpfchen. Marlowe und sein geistiger Vater Raymond Chandler lassen grüßen.

    „Teufel in Blau“ basiert auf Walter Mosleys erfolgreichem Roman „Devil In A Blue Dress“, welcher ein gewisser Bill Clinton zu seinem Lieblingsbuch deklariert hat. Regisseur Carl Franklin schrieb das Skript in enger Zusammenarbeit mit Denzel Washington, der sich so maßgeblich an der Charakterentwicklung von Easy beteiligen konnte. Einflüsse von Raymond Chandler, Dashiell Hammett und den Filmen der Schwarzen Serie sind nicht von der Hand zu weisen. Ähnlich wie Tote schlafen fest setzt „Teufel in Blau“ mehr auf Stimmung und Stil, als auf eine nachvollziehbare Geschichte und daraus resultierende Spannung. Wenn am Ende der komplexen Story alle Fäden zusammenlaufen, leuchtet noch immer vieles nicht ein; auch bei nochmaliger Ansicht nicht. Die Undurchsichtigkeit einer finsteren Unterwelt wird mittels einer undurchsichtigen Geschichte unterstrichen. Wieder sei an dieser Stelle auf „Tote schlafen fest“ im Besonderen und Raymond Chandler im Allgemeinen verwiesen.

    Beginnend mit einem Mord offenbart sich ein komplexes Netz aus Intrigen, Schweinereien und Korruption. Der (Anti-)Held besucht dunkle Spelunken und Clubs, irrt auf Los Angeles’ verlassenen Straßen umher, gelangt bis in eine große Villa und beschließt seine Ermittlung auf dem Land in einer Blockhütte. Eine Femme Fatale darf auch nicht fehlen und so sind alle Zutaten für einen richtigen Film Noir gegeben. Darüber hinaus nimmt sich „Teufel in Blau“ aber eines Themas an, welches in der Schwarzen Serie nie so richtig behandelt wurde: Rassismus. Easy trifft gleichermaßen auf offene Rassisten, wie selbsternannte „Neger“-Freunde - oft schlimmer als die vorgenannten.

    Die Charakterisierungen der meisten Prota- und Antagonisten entsprechen gängigen Genreklischees. Das muss dem Film aber nicht unbedingt zum Nachteil ausgelegt werden, da bei einer Hommage an den Film Noir genau diese Charaktere vom Publikum auch erwartet werden. Denzel Washington spielt routiniert und gut wie immer. Gleiches gilt für Tom Sizemore, Terry Kinney oder Maury Chaykin. Eine besondere Erwähnung verdienen sich zwei Nebendarsteller - aus völlig gegensätzlichen Gründen. Zum einen wäre da Jennifer Beals, die „Flashdance“-Tänzerin. Sie müht sich zwar nach Leibeskräften ab, erweist sich aber leider als glatte Fehlbesetzung. Die Femme Fatale nimmt der Betrachter ihr genauso wenig ab, wie die emotionalen Komponenten ihrer Rolle. Sie scheint der Komplexität ihrer Figur leider nicht gewachsen zu sein. Ganz anders dagegen Don Cheadle. Als Easys psychotischer Killerfreund Mouse hinterlässt er einen nachhaltigen Eindruck. Gleichermaßen lustig wie angsteinflößend mimt er die interessanteste Figur des Films.

    Die glatt polierte und glänzende Oberfläche von „Teufel in Blau“ sieht ansehnlich aus, doch darunter brodelt es. Realitätsnähe ist damit nur bedingt garantiert, „Teufel in Blau“ ergeht sich gleichwie Miller´s Crossing in fast idyllisch anmutender Retro-Romantik. Da aber Stil und Atmosphäre unverhohlen im Vordergrund stehen, kann auch solches dem Noir-Thriller nicht angekreidet werden. Die afro-amerikanische Variante diverser Chandler-Erzählungen überzeugt und fängt in beispielloser Art und Weise den Geist alter Noir-Filme ein. Neben jazzigen Songs, Rhythm und Blues steuert Elmar Bernstein (Wer die Nachtigall stört, Bringing Out The Dead) einen stimmigen Soundtrack bei, der das Geschehen perfekt unterstreicht. Tak Fujimotos (Das Schweigen der Lämmer, The Sixt Sense) schöne Kameraführung gibt „Teufel in Blau“ im besten Sinne des Wortes den Rest.

    „Teufel in Blau“ kann auf fast ganzer Linie überzeugen. Außer der fehlbesetzten Beals fallen weitere kleinere Schwächen kaum ins Gewicht und „Teufel in Blau“ darf als atmosphärischer, fesselnder Noir-Thriller in Erinnerung bleiben. Die Meisterlichkeit eines Tote schlafen fest, Chinatown oder eben dem später erschienenen L.A. Confidential erreicht „Teufel in Blau“ zwar nicht, ist aber nah dran. Freunden der Schwarzen Serie sei diese afro-amerikanische Hommage an ein düsteres Subgenre auf jeden Fall ans Herz gelegt.

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