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    Jakobs Bruder
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Jakobs Bruder
    Von Jens Hamp

    Bisher war Christoph Maria Herbst vor der Kamera für das verantwortlich, was er am besten kann: lustig sein. Sei es als hinterfotziger Abteilungsleiter der Capitol-Versicherung (serie,Stromberg) oder als an Adolf Hitler erinnernder Butler (Der Wixxer) – selbst in den kleinsten Nebenrollen drückte der gebürtige Wuppertaler Filmen noch seinen eigenen Stempel auf. Mit dem „Tatort“-Kommissar Klaus J. Behrendt an seiner Seite wagt sich Herbst nun etwas aus dem Komödiengenre heraus. Als ungleiches Bruderpaar fahren die beiden durch Deutschland und müssen dabei sich selbst finden. Zwar lässt Daniel Walta bei seinem gelungenen Regiedebüt den Humor keineswegs außen vor, doch im Vordergrund des hintersinnigen Road Movies stehen die Entwicklung der Brüder und die Bewältigung einer Alzheimer-Erkrankung.

    Lorenz Goldt (Christoph Maria Herbst) fährt mit seinem klapprigen Volvo in das entfernte Ostfriesland, um seinen Bruder Jakob (Klaus J. Behrendt) zu besuchen. Doch die Familienzusammenführung steht unter keinem guten Stern. Lorenz hatte bisher nicht die Kraft, der gemeinsamen Mutter (Hannelore Elsner, Das Sichtbare und das Unsichtbare, Kirschblüten – Hanami) zu sagen, dass sie an Alzheimer erkrankt ist. Nun erhofft er sich Unterstützung von seinem großen Bruder. Widerwillig lässt sich der bärbeißige Jakob auf die Fahrt in seine Heimat ein, bei der er mit seiner eigenen Vergangenheit und der erfrorenen Beziehung zu Lorenz konfrontiert wird…

    Etwas Stromberg schimmert auch bei Lorenz durch. Er redet viel, ist Moderator einer Call-in-Show und beleidigt eine Anruferin, die das Saarland als ein Mitgliedsland der EU verkaufen will. Hinter der aufmüpfigen Fassade verbirgt sich jedoch ein Charakter, der seit seiner Kindheit nach Halt dürstet und nunmehr versucht, sich seinem Bruder zu beweisen. In Rückblenden wird Stück für Stück das zerstörte Familienleben aufgedeckt. Schon früh musste sich Jakob um Lorenz kümmern, da der Mutter nach dem Tod des Vaters einfach die Kraft dazu fehlte. Christoph Maria Herbst fühlt sich problemlos in diese feingliedrige Figur ein. Zu Beginn nutzt er dennoch jede Gelegenheit, um zu poltern - etwa die Streitereien mit Jakob. Ernste Zwischentöne verbleiben dabei zunächst im Hintergrund.

    Im Endeffekt geht Jungregisseur und Drehbuchautor Daniel Walta damit aber nur einen ungewohnten Weg, um das Frühstadium der Alzheimer-Erkrankung und die Reaktionen der (un)mittelbar Betroffenen darzustellen. Hierzu wird nicht der psychische Verfall eines Alzheimer-Patienten – wie etwa in Iris oder An ihrer Seite – in den Mittelpunkt gerückt, sondern dem Zuschauer im Finale glaubhaft die ersten Schritte zur Bewältigung einer schwerwiegenden Krankheitsdiagnose vor Augen geführt.

    Angereichert wird das Road-Movie-Abenteuer mit der von Sophie Rogall („Fickende Fische“, Zweier ohne) dargestellten Ausreißerin Lara, die die Brüder aufgabeln. Auch ihre familiäre Situation ist nach der Trennung der Eltern äußerst angespannt. Die Flucht zur großen Schwester nach Italien erinnert dabei oft an die Geschichte der Goldts. Doch im Gegensatz zu der aufmüpfigen Lara hat sich Jakob inzwischen zu einem gewissenhaften Erwachsenen gewandelt. Diese knorrige Korrektheit verkörpert Klaus J. Behrendt überzeugend und sorgt so immer wieder für komische Momente auch abseits der trockenen Kommentare von Christoph Maria Herbst. Etwa wenn die jugendliche Anhalterin ihr Insulinspritzbesteck auspackt und er sofort davon überzeugt ist, einen Junkie vor sich zu haben.

    Die Story beruht auf Daniel Waltas eigener Diplomarbeit, dem Kurzfilm „Lorenz lacht“, bei dem er bereits mit denselben Darstellern zusammengearbeitet hat. Leider ist die Transformation in einen Spielfilm der einzige Kritikpunkt, den man gegenüber „Jakobs Bruder“ äußern muss. Immer wieder greift der Film überflüssige Nebenaspekte auf, konzentriert sich etwa zu sehr auf Laras Probleme. Abgesehen von einem Autounfall bekommt Walta jedoch immer wieder die Kurve und geht einen bemerkenswerten Weg, um zu zeigen, dass der kleine Lorenz doch nicht der Verlierer ist, für den man ihn lange hält.

    Mühelos ließe sich „Jakobs Bruder“ als klassisches Fernsehspiel abtun. Wirklich gerecht würde man Daniel Waltas Debütlangfilm damit aber nicht. Angetrieben von zwei spielfreudigen Hauptdarstellern entfaltet der Nachwuchsregisseur ein äußerst angenehmes Road Movie über zwei Brüder, das mit einer unaufgeregten Erzählweise sowie fröhlich-entspannter Musik von Thomas Kisser zu gefallen weiß.

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