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    Hercules
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Hercules
    Von Christoph Petersen

    Um den Feind zu demoralisieren, warf die britische Armee im Zweiten Weltkrieg Flugblattbomben mit gefälschten Horoskopen und furchteinflößenden Nostradamus-Deutungen über Deutschland ab. Aber diese Idee der psychologischen Kriegsführung war schon damals alles andere als neu, reichen ihre Ursprünge doch mindestens bis ins 14. Jahrhundert zurück, als die Mongolen die Demütigung des Gegners ganz bewusst zu einem zentralen Pfeiler ihrer Strategie erhoben und zur Demonstration ihrer Macht und Ruchlosigkeit etwa nach einer siegreichen Schlacht Bauwerke aus den Knochen der getöteten Feinde errichteten. In seinem auf der Comic-Serie „The Thracian Wars“ basierenden Schlachten-Epos „Hercules“ deutet Regisseur Brett Ratner nun die mythologische Sage um den griechischen Halbgott zu einem besonders raffinierten Mittel der psychologischen Kriegsführung um: Das ist eine erfreulich intelligente (und in Anbetracht des vor allem in den Massenmedien ausgetragenen Kampfes um die Deutungshoheit im Gaza-Konflikt hochaktuelle) Prämisse, die zudem nicht die einzige Stärke von „Hercules“ bleibt.

    Seit der Ermordung seiner Frau und Kinder, deren mysteriöse Umstände noch immer nicht aufgeklärt sind, zieht der keulenschwingende Muskelprotz Hercules (Dwayne Johnson) gemeinsam mit dem Messerwerfer Autolycus (Rufus Sewell), der Bogenschützin Atalanta (Ingrid Bolsø Berdal), dem Axt-Berserker Tydeus (Aksel Hennie) und dem Seher Amphiaraus (Ian McShane) als Söldner durchs Land. Das effektivste Mitglied der Truppe ist allerdings keiner der erfahrenen Kämpfer, sondern der Geschichtenerzähler Iolaus (Reece Ritchie), der kunstvoll ausgeschmückt von Hercules‘ heldenhaften Taten berichtet und dabei nicht nachlässt, bis die Feinde endgültig in Ehrfurcht erstarren. Als Lord Cotys (John Hurt) sie bittet, ihn im Kampf gegen eine Rebellenarmee zu unterstützen, nehmen die Söldner den Auftrag augenblicklich an, immerhin bietet ihnen der Lord das Gewicht von Hercules in Gold als Belohnung an. Doch dann verdichten sich immer mehr die Anzeichen, dass Hercules und seine Kumpanen dieses Mal womöglich für die falsche Seite in die Schlacht ziehen…

    Während Renny Harlin zu Beginn des Jahres in seinem vermurksten „The Legend Of Hercules“ eine sehr freie, aber auch sehr uninspirierte Interpretation der bekannten Halbgottsage bot, nimmt sich Brett Ratner („Rush Hour“, „Roter Drache“) nun zwar noch mehr Freiheiten heraus, versteht sie dafür aber auch deutlich besser zu nutzen: Gleich zu Beginn bekommt es Hercules mit einer 40 Mann starken Piratenmannschaft zu tun – und als der Kapitän eine erste größere Gruppe loshetzt, führt Hercules sie so geschickt um eine Ecke, dass ihm seine Kumpanen im Kampf helfen können, es aber hinterher trotzdem so aussieht, als hätte Hercules alle im Alleingang plattgemacht: Die übrigen Piraten ziehen wimmernd den Schwanz ein, die psychologische Kriegsführung hat die Schlacht einmal mehr entschieden. Auch für die legendären zwölf Aufgaben des Hercules von der Erlegung des Nemëischen Löwen bis zum Sieg über Kerberos, den dreiköpfigen Wachhund der Unterwelt, bietet Ratner einige augenzwinkernde Erklärungen, so dass es selbst für den Kinobesucher lange Zeit angenehm unklar bleibt, ob Hercules nun wirklich ein Sohn des Zeus oder einfach nur ein geschickter Schwindler ist.  

    Es gibt in „Hercules“ zwar keine einzelnen unvergesslichen Action-Sequenzen, aber dafür sind die Schlachten durch die Bank aufregend und abwechslungsreich inszeniert, wobei sich ein vermeintliches Handicap als unerwarteter Vorteil entpuppt: „Hercules: The Thracian Wars“ ist ein recht brutaler Comic, doch Regisseur Brett Ratner durfte in seiner Verfilmung  kaum Blut einsetzen, um die vom Studio angestrebte Jugendfreigabe nicht zu gefährden. Statt eine CGI-Blutfontäne auf die andere folgen zu lassen wie es zuletzt Noam Murro in „300: Rise Of An Empire“ getan hat, lässt es Ratner buchstäblich krachen: Vor allem wenn Hercules seine Widersacher mit seiner gewaltigen Keule zermalmt, glaubt man jeden Knochen einzeln brechen zu hören. Nur im großen Finale übertreibt es der Regisseur ein wenig und untergräbt zugleich seine eigene Prämisse von der medial aufgebauschten Legendenbildung, wenn Hercules plötzlich doch nicht nur über sich selbst, sondern auch über alles Menschenmögliche hinauswächst.

    Dwayne Johnson („Fast and Furious 6“, „G.I. Joe 2“) ist 2014 erstmals auf dem zweiten Platz der meistverdienenden Hollywoodstars gelandet und in „Hercules“ wird einem auch wieder bewusst, warum der aus dem Wrestlingring ins Schauspielfach gewechselte Muskelmann bei seinen Fans (7,46 Millionen Twitter-Follower) so unheimlich beliebt ist: Johnson zählt sicherlich nicht zu den besten Charaktermimen, aber als Heldendarsteller wirkt er einnehmend und sympathisch wie aktuell kein zweiter in der Traumfabrik – selbst mit einem Bart aus Grunzochsen-Schamhaar wie hier. Schon seine zahlreichen Hercules-Dreharbeiten-Posts in den sozialen Netzwerken ließen immer wieder durchblicken, wie viel Lust Johnson auf diese Rolle hat – und diese Motivation merkt man seiner Performance an (beim Dreh einer Szene, in der er sich von Stahlketten losreißt, ist er gar vor Anstrengung nach jedem Take ohnmächtig geworden). Gerade im Vergleich dazu bleiben seine Gegenspieler allerdings arg blass: Während Joseph Fiennes („Shakespeare in Love“) in seinen kurzen Auftritten als König Eurystheus zumindest der Wahnsinn ins Gesicht geschrieben steht, hätten vor allem John Hurt („Snowpiercer“) als Lord Cotys und Peter Mullan („Gefährten“) als knochenpeitschenschwingender General Sitacles ruhig noch eine ganze Ecke diabolischer auftreten dürfen.

    Fazit: Gar nicht dummes Sandalenfilm-Epos mit einem gewohnt supersympathischen Dwayne Johnson.

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