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    Gänsehaut
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Gänsehaut
    Von Antje Wessels

    Mit „Willkommen im Haus der Toten“ begann 1992 die Gruselbuchserie „Gänsehaut“ des amerikanischen Schriftstellers R.L. Stine. Im Lauf der Jahre entwickelte sich daraus das nach der „Harry Potter“-Saga zweiterfolgreichste Kinder- und Jugendromanfranchise der Welt, das bisher 70 reguläre „Goosebumps“-Bücher (so der Originaltitel), 13 Bände aus der Spin-off-Reihe „Gänsehaut HorrorLand“ und 15 sogenannte Abenteuer-Spielbücher umfasst, in denen der Leser an bestimmten Wendepunkten der Handlung unter verschiedenen Optionen auswählen kann, wie es mit der Geschichte weitergehen soll. Zwischen 1995 und 1998 entstanden zudem 74 Folgen einer „Goosebumps“-Fernsehserie (deutscher Titel: „Gänsehaut – Die Stunde der Geister“). Schon vor der Jahrtausendwende wurde auch daran gedacht, die beliebte Mischung aus verschmitztem Humor und kindertauglichem Monstergrusel ins Kino zu bringen: Tim Burton sollte produzieren, seine „Ed Wood“-Drehbuchautoren Scott Alexander und Larry Karaszewski wurden mit dem Skript beauftragt. Das Projekt kam zunächst zwar nicht zustande, aber die damals ausgeheckte Grundidee blieb erhalten, als mehr als 15 Jahre später endlich Nägel mit Köpfen gemacht wurden: In Rob Lettermans 3D-Gruselkomödie „Gänsehaut“ wird der schaurige Schabernack in eine amüsante selbstreflexive Rahmenhandlung verpackt und eine fiktionalisierte Version des Autors R.L. Stine selbst mitten hineingeworfen in den spaßigen Kampf gegen die populärsten und prägnantesten seiner Kreaturen.

    Nach dem Tod seines Vaters zieht Zach (Dylan Minnette) gemeinsam mit seiner Mutter Gale (Amy Ryan) von New York City ins provinzielle Madison, Delaware. Bald nach der Ankunft bemerkt er, dass die Bewohner des Nachbarhauses etwas verbergen. Der kleine rundliche Hausherr (Jack Black) beobachtet Zach heimlich und hält seine charmante Tochter Hannah (Odeya Rush) von ihm fern, was die beiden Teenager nicht davon abhält, sich miteinander anzufreunden. Als Zach eines Nachts mitbekommt, wie Hannah von ihrem Vater misshandelt zu werden scheint, bricht er gemeinsam mit seinem Schulfreund Champ (Ryan Lee) bei den Nachbarn ein. Dort müssen die Jungs sich einen Weg durch allerhand Fallen bahnen, bis sie schließlich vor einem riesigen Bücherschrank stehen. Hier lagern im wahrsten Sinne des Wortes abgeschlossene Bände der „Gänsehaut“-Serie. Der grantige Hausbesitzer ist niemand anderes als deren Verfasser R.L. Stine. Was die beiden Jungen nicht ahnen: In den Büchern stecken nicht bloß die geschriebenen Geschichten, sondern auch die Monster selbst, die nur darauf warten, in die Freiheit entlassen zu werden. Was folgt ist das größte Chaos, das dieses kleine Städtchen je erlebt hat. Und mittendrin ein paar Teenager, die an der Seite des Autors persönlich versuchen, dessen lebendig gewordene Kopfgeburten wieder einzufangen…

    Von den diversen schmalen „Gänsehaut“-Bänden wurden weltweit bereits über 350 Millionen Exemplare verkauft (im Film wird die Zahl vorsorglich auf 400 Millionen aufgerundet), dieser phänomenale Zuspruch über Generationen von Acht- bis Zwölfjährigen (und Älteren) hinweg ist den Filmemachern Verpflichtung und Ansporn zugleich: Einerseits sorgen sie dafür, dass die Markenzeichen der Reihe erhalten bleiben, zum anderen gehen sie ironisch mit ihnen um und legen liebevoll die Formelhaftigkeit der Geschichten offen. So konfrontiert Zach den zunächst recht griesgrämigen Bestsellerautor ganz direkt damit, dass die „Gänsehaut“-Romane in Figurenentwicklung, Spannungsaufbau und Pointe stets einem kinderleicht zu durchschauenden Schema folgen – und so ist es dann natürlich auch im Film selbst bis zu einem gewissen Punkt: Die augenzwinkernd-selbstreferentiellen Seitenhiebe sind zugleich nostalgisch angehauchte Liebeserklärungen der Teenager-Figuren an das Universum des R.L. Stine. Und wenn es darum geht, dass der von Jack Black („School Of Rock“) mit ebenso viel Schrulligkeit wie Wärme ausgestattete Autor sich die ersten Geschichten einst ausgedacht hat, um seine eigenen jugendlichen Sorgen und Ängste zu bändigen, dann sind wir dem wahren Erfolgsgeheimnis auf der Spur: In der „Gänsehaut“-Welt wird das junge (Lese-)Publikum ernst genommen. Diese Maxime haben sich auch Regisseur Rob Letterman („Monster Vs. Aliens“) und Drehbuchautor Darren Lemke („Jack and the Giants“) sichtlich zu Herzen genommen.

    Während in der TV-Serie eher die Gruselelemente im Zentrum standen, setzen die Filmemacher vor allem auf Humor und Abwechslung. So gibt ihnen die clever konstruierte Meta-Ebene die Gelegenheit, ein Action-Abenteuer mit einem guten Dutzend der bekanntesten Monster aus den knapp 100 verschiedenen Romanen zu entfesseln, darunter der Werwolf aus den Fiebersümpfen, der unsichtbare Mann, die unheimlichen Gartenzwerge und – natürlich – die mörderische Bauchrednerpuppe Slappy. Die bekam in den Büchern schon mehrere Fortsetzungen und fungiert hier entsprechend als Anführer der außer Rand und Band geratenen Ungeheuer. Die Animationen wirken dabei beileibe nicht immer perfekt, sondern gerade auch durch den recht hohen Anteil an handgemachten Effekten eher spielerisch. Das passt ganz gut zu einem Film, in dem nicht der Schrecken im Vordergrund steht, sondern der Spaß. Für den sorgen wiederum allerlei skurrile Nebenfiguren, darunter Jillian Bell („21 Jump Street“) als Zachs herrlich überdrehte Tante sowie Amanda Lund („Take Me Home“) und Timothy Simons („The Interview“) als in seiner Planlosigkeit unglaublich komisches Cop-Duo.

    Fazit: Liebevolle Erweiterung des beliebten Gruselfranchise mit sympathischen Figuren und den beliebtesten „Gänsehaut“-Monstern.

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