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    Tengri - Das Blau des Himmels
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Tengri - Das Blau des Himmels
    Von Christian Schön

    Geradezu shakespearesche Ausmaße verspricht der Plot von „Tengri – Das Blau des Himmels“. Im Zentrum von Marie Jaoul de Ponchevilles Spielfilmerstling steht eine Liebe, die nicht sein darf. Nichts weniger als die Verfilmung des berühmtesten Romans des 2008 verstorbenen kirgisischen Autors Tschingis Aitmatow, „Dshamilja“, der zudem den Ruf genießt, die schönste Liebesgeschichte der Welt zu sein, hat sich „Tengri“ auf die Fahnen geschrieben. Gemessen an diesen Superlativen kommt das Melodram „Tengri“ äußerst spröde daher. Anstatt die schönste Liebesgeschichte der Welt zu erzählen, hält sich Poncheville damit auf, unwichtige Details in den Mittelpunkt zu rücken.

    Als der ehemalige Fischer Timür (Ilimbek Kalmouratov), der sich illegal in Frankreich aufhält, von den Behörden aufgegriffen wird, schicken diese ihn zurück in seine Heimat Kirgisien. Als er in sein Dorf zurückkehrt, muss er erfahren, dass sein Vater, sein letzter verbleibender Verwandter, vor längerem gestorben ist. Trotzdem wird Timür geduldet, weil seine Arbeitskraft gebraucht wird. Gleich bei seiner Ankunft verliebt sich außerdem Amira (Albina Imasheva) unsterblich in ihn. Allerdings ist sie bereits mit einem Mudschaheddin verheiratet worden, der sie bisher aber stets ignoriert oder schlecht behandelt hat. Nach einer Weile des Verharrens beginnen die beiden eine heimliche Liebschaft. Um ihre Liebe aber frei leben zu können, bleibt nur ein Ausweg: die Flucht. Zunächst ohne festes Ziel, wagen Amira und Timür diesen Weg. Doch ihr Verschwinden bleibt nicht lange unbemerkt. Auf sein Recht als Ehemann pochend, nimmt Amiras Mann mit ein paar bewaffneten Mitstreitern die Verfolgung auf…

    Die lakonische Eröffnung des Films zeigt gewissermaßen eine Reise des Protagonisten – von seiner Gefangennahme im geschichtsträchtigen Ort Calais in Nordfrankreich zurück in seine Heimat irgendwo in der Steppe von Kirgisien. Diese relativ kurze Episode markiert ein weitreichendes Konzept. Wie ein umgekehrter Bildungsroman, in dem eigentlich mit zunehmender Reisetätigkeit der Erfahrungsschatz des Reisenden steigt, liest sich die erzwungene Reise zurück in die Heimat wie ein Regress. Vom vermeintlichen Sehnsuchtsort Frankreich wird die Hauptfigur zurückgeworfen auf ihren Ursprung. In Kirgisien herrschen noch archaische Zustände. Diese stehen jedoch im Konflikt mit von außen einbrechenden Einflüssen. Der Krieg und das Bewusstsein, dass die Moderne angebrochen ist, setzten die traditionellen Strukturen immer mehr unter Druck.

    Vor diesem Hintergrund spielt die Liebesgeschichte zwischen Amira und Temür. In ihrer Umsetzung verhält sich die Regisseurin auf geradezu militante Weise wertneutral. Einerseits wäre es verführerisch gewesen, sich die absolute Liebe, die keine Schranken kennt, in der noch heilen Welt des Nomadenvolks und der unberührten Natur spiegeln zu lassen. Doch auch wenn die Langsamkeit und Starrheit dieser Lebenswelt aufgegriffen wird, geschieht dies mit einer zurückhaltenden Nüchternheit, die - gemessen an dem Raum, den sie im Film einnimmt - ermüdet. Außerdem ist diese Welt vom Untergang oder zumindest vom Umbruch bedroht. Realismus wird hier bei der Umsetzung zum Gebot der Stunde, was dem Film auf lange Strecken aber eher schadet - da viel Nebensächliches nötig ist, um die realen Nöte der untergehenden Welt darzustellen, bleibt für die eigentliche Liebesgeschichte kaum Raum.

    Fazit: Auch wenn „Tengri“ im letzten Drittel, in dem es um die Flucht und damit um die Möglichkeit der Liebe geht, etwas Fahrt aufnimmt, fehlt es der Erzählung insgesamt an einem ausgewogenem Rhythmus. Die Verfolgungsjagd zu Pferde und der Kampf gegen die Widrigkeiten der kirgisischen Natur wirken zu behäbig. Ein retardierendes, spannungserzeugendes Moment fehlt zudem schon allein deswegen, weil das gesamte Personal zu eindimensional daherkommt, als dass ein ernsthafter Zweifel am Fortgang der Handlung aufkommen könnte.

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