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    Last Night
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Last Night
    Von Asokan Nirmalarajah

    Der Seitensprung zählt zu den spannenderen Sujets des Liebesfilms. Ganz gleich, ob es sich um eine komische oder dramatische Umsetzung handelt, kaum ein anderes Thema ist mit so vielen ambivalenten Gefühlen verbunden wie die reizvolle Möglichkeit, der kurze Genuss und die belastenden Schuldgefühle einer außerpartnerschaftlichen Affäre. Partnerpsychologisch kann die Versuchung eines „Sprungs zur Seite", die gesellschaftlich lange Zeit tabuisierte, mittlerweile gar von Online-Partnerbörsen beworbene Abweichung vom Beziehungsalltag ein gleichermaßen konfliktlösendes wie -förderndes Mittel sein, um die Grenzen einer langjährigen Liebesbeziehung neu abzustecken, sie gleichsam auf die Probe zu stellen, sie aber auch irreparablen Schäden auszusetzen. Filmdramaturgisch bildet der Moment des Seitensprungs oft einen Höhepunkt, bei der das Chaos der Gefühle des Fremdgehers umschlägt in die Erwartung der emotionalen Abgründe, die sich im Laufe der Handlung vor dem betrogenen Partner auftun werden. Von sentimentalen Filmklassikern wie William Wylers „Zeit der Liebe, Zeit des Abschieds" (1936) und David Leans „Begegnung" (1945) bis hin zu zeitgenössischeren Beziehungskriegen wie Stanley Kubricks „Eyes Wide Shut" (1999), Adrian Lynes „Untreu" (2002) oder Mike Nichols' „Hautnah" (2004) hat die zeitlose Geschichte von der außerehelichen Affäre nichts von ihrer erotischen wie emotionalen Wucht verloren, liegen doch selten Lust und Frust so nah beieinander wie beim Seitensprung. Dies erkannt und einfühlsam umgesetzt hat das schwierige, weil potentiell redundante Thema die iranisch-amerikanische Drehbuchautorin Massy Tadjedin in ihrem atmosphärisch dichten, schnörkellosen Regiedebüt, dem hochkarätig besetzten Liebesfilm „Last Night".

    Lässt der Filmtitel noch die klassische Einheit von Ort, Zeit und Raum vermuten, spielt die unscheinbare Geschichte des Films tatsächlich über einen Zeitraum von zwei Nächten, in zwei Städten und zwischen zwei unmöglichen Paaren in mehreren Restaurants, Bars und Wohnungen. Die Handlung beginnt mit einem Streit zwischen den jungen Ehepartnern Michael (Sam Worthington) und Joanna Reed (Keira Knightley), einem erfolgreichen Geschäftsmann und einer erfolglosen Buchautorin. Auf einer Party eines Arbeitskollegen ihres Gatten wird Joanna erstmals Michaels schöne neue Kollegin Laura (Eva Mendes) vorgestellt. Joanna meint aus den zarten Gesten und Blicken zwischen ihrem Mann und seiner Mitarbeiterin eine gegenseitige Attraktion herauszulesen und stellt ihn zur Rede. Michael aber streitet ab und fährt am nächsten Morgen mit Kollegen, auch mit Laura, dienstlich nach Philadelphia. Allein in New York läuft Joanna unterdessen ihr Ex-Freund und erfolgreicher Autor Alex (Guillaume Canet) über den Weg, der sie spontan zum Abendessen einlädt. Während Michael angespannt versucht, den Reizen und Avancen Lauras zu widerstehen, lässt sich Joanna von ihrer alten Liebe verzaubern... nur für eine Nacht?

    Die elegant-stilvolle französisch-amerikanische Co-Produktion besticht auf dem ersten Blick durch die ungewöhnliche Besetzung internationaler Filmstars, die man nicht unbedingt mit einem modernen Beziehungsfilm in Verbindung bringen würde. Abgesehen vom charismatischen Franzosen Guillaume Canet („Liebe mich, wenn du dich traust") entfernen sich der Australier Sam Worthington („Avatar - Aufbruch nach Pandora"), die Britin Keira Knightley („Stolz und Vorurteil") und die kubanischstämmige Amerikanerin Eva Mendes („Bad Lieutenant - Cop ohne Gewissen") hier von ihren erfolgreichen Genre-Terrains und versuchen sich an einem weniger effekthascherischen, subtileren Schauspiel. Entsprechend gewöhnungsbedürftig sind die ersten Minuten des Films, in denen sich Knightley ohne historisches Kostüm, Worthington sich ohne computeranimierten Hintergrund und Mendes sich ohne ihr patentiertes Breitwandgrinsen präsentieren. Doch langsam wachsen die charmanten Darsteller, selbst der ungelenke Worthington, in ihre überraschend ambivalenten Rollen hinein, unterstützt von der zurückhaltenden, stimmungsvollen Musik Clint Mansells, der sanften, gleitenden Schnittarbeit von Susan E. Morse und vor allem der einladenden, oft im romantischen Halbdunkel gehaltenen Bilder von Kameramann Peter Deming.

    Wo es dem Film, dessen berechenbare Geschichte so altmodisch gestaltet ist, dass das moderne Setting von Upper-Class-Begegnungsstätten zur Nebensache wird, an Originalität und Überraschungen mangelt, können die ansprechende filmische Umsetzung und der ruhige, unaufdringliche Erzählstil punkten. Tadjedin, die ihren Star Knightley bereits mit ihrem Skript zu dem romantischen Mystery-Thriller „The Jacket" als Darstellerin gewinnen konnte, verzichtet dabei auf narrative und inszenatorische Spielereien. Sie konzentriert ihre Breitwandbilder stattdessen auf die Gesichter ihrer emotional aufgewühlten Figuren und verfolgt den gradlinigen Plot um die Irrungen und Wirrungen der Liebe und Lust, indem sie elegant von einem potentiellen Seitensprung zum anderen wechselt und bis zum Schlussbild offen lässt, wer wen wie hintergehen und welche Folgen die Ereignisse einer Nacht für die Eheleute und für ihre Affären haben wird. „Last Night", ein Film über schöne, privilegierte Menschen mit ausreichend Zeit für geistreiche Diskussionen über Beziehungsnöte, erzählt somit weder eine neue Geschichte, noch wird diese hier besonders variiert. Dennoch zeigt der Film einmal mehr die kleinen Fiktionen, die sich Paare erzählen, um ihre Beziehung intakt zu halten, und dass die Versuchung eines Seitensprungs auch zu der Einsicht führen kann, dass man sich jeden Tag erneut für seinen Partner entscheiden muss.

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