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    Die Eylandt Recherche
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Die Eylandt Recherche
    Von Andreas Staben

    Als das Phänomen Blair Witch Project 1999 weltweit für Furore sorgte, soll angeblich einigen Zuschauern angesichts der hektischen und verwackelten Handkameraaufnahmen schlecht geworden sein. Keine zehn Jahre später ist das Publikum so sehr an grobkörnige, schlecht ausgeleuchtete und unruhige Bilder gewöhnt, dass eine solche Schockwirkung absurd erscheint. Umso klarer stellt sich die Frage nach dem Wahrheitsgehalt der Anekdote, hatten die „Blair Witch“-Macher doch nicht nur ihren Film mit den Formalia des vermeintlich Authentischen versehen, sondern dazu noch eine begleitende Internet-Präsenz ausgeklügelt, die die Echtheit des Gezeigten weitaus origineller vortäuschte. Im Reich des Virtuellen schien alles möglich, die im weltweiten Datennetz losgetretene Lawine ermöglichte und begründete einen der größten Überraschungserfolge der Kinogeschichte. Der Duisburger Produzent Michael W. Driesch, der unter dem Pseudonym Don Miguel auch als Regisseur und Autor firmiert, folgt mit seiner Mystery-Doku „Die Eylandt Recherche“ der Doppelstrategie von online gestreuten Informationen und „Mockumentary“. Zwischen den Polen unbeholfener Imitation und gelungener Parodie ist bei diesem Film nicht immer zu unterscheiden, für eine ernsthafte Reflexion der Regeln des Fälschens und Als-Echt-Verkaufens fehlt die Geschlossenheit. Dafür besitzt die Fabel um Aliens im Ruhrgebiet den Charme des Amateurhaften und ein ordentliches Maß Lokalkolorit.

    Der New Yorker Anwalt William Singer erhält aus dem Nachlass von Verwandten drei geheimnisvolle Briefe, unter anderem verfasst von seiner Großcousine Josefine Eylandt. In ihnen ist die Rede von drei rätselhaften Gästen, die von der Familie über Jahrzehnte im Keller ihres Hauses in Duisburg-Rheinhausen versteckt wurden. Singer beauftragt den privaten Ermittler Steffen Werner, der dem mysteriösen Inhalt der Briefe in Deutschland nachspüren soll. Bei den Nachforschungen erhält der Detektiv bald Unterstützung von Lokalpolitiker Karsten Vüllings, der seinerseits auf die Geschichte aufmerksam geworden ist. Das Duo entscheidet bald, die Recherchen filmisch begleiten zu lassen. Immer mehr rätselhafte Umstände kommen ans Licht, mangels Kooperation der Nachfahren der Eylandts geraten die Ermittlungen aber alsbald in eine Sackgasse...

    Driesch knüpft nur einen sehr losen Handlungsfaden, interessant werden soll das Ganze durch mysteriöse Umstände und Informationsfetzen. So ist von UFO-Sichtungen im Umfeld des stärksten Bombenangriffs auf Duisburg im Zweiten Weltkrieg die Rede, eine Schlüsselfigur soll spurlos verschwunden sein und ein weiterer Protagonist der Recherche wird vorgeblich Opfer eines tödlichen Raubüberfalls während er am Telefon gerade über den Fall „Eylandt“ spricht. Das zentrale Rätsel wird dabei selbstverständlich nur ansatzweise gelöst. Wie in klassischen Episoden von „Akte X“ werden Hinweise auf die Existenz der außerirdischen Besucher angehäuft, während auch innerhalb der Fiktion die stichhaltigen Beweise ausbleiben. Im Genre des Vorgetäuscht-Dokumentarischen ist der Inhalt ohnehin zweitrangig, vielmehr geht es um die versuchte Beglaubigung des Erzählten durch die Form. Driesch stützt sich hier in erster Linie auf Stilfiguren, die uns aus den verschiedenen Formaten des Reality-TV vertraut sind: Als nachgestellt gekennzeichnete Szenen mit den Ermittlern vor dem Bildschirm oder am Telefon, Aussagen von Experten in typischer Pose oder das Auflauern mit der Kamera im Bemühen, das Skandalöse oder Vertuschte ans Licht zu zerren. Diese Aufnahmen geraten zumeist in etwa so glaubwürdig wie die haarsträubenden Konflikte und ihre überzogene Darstellung in nachmittäglichen Gerichtsshows.

    Die Vorführung formatbedingter Fragwürdigkeiten verleiht den ureigenen Unzulänglichkeiten, die „Die Eylandt Recherche“ offenbart, etwas Doppeldeutiges. Die mediale Realitätsdarstellung ist inzwischen längst auch im Reich des Grotesken angesiedelt, aus dieser Perspektive betrachtet besitzt Drieschs Films durchaus etwas Entlarvendes. Zumindest im Ansatz gibt er seinem Werk eine weitere Ebene, denn der Film „Die Eylandt Recherche“ ist Teil seiner eigenen Handlung. Die Kamera soll die Nachforschungen dokumentieren und ist zugleich aber ein Mittel der Recherche und der Beweisaufnahme. In der zentralen Sequenz, dem Einbruch in das ominöse Kellerversteck samt Kamera, ist dieses Zusammenfallen besonders augenfällig. Teile dieser weihnachtlichen Episode bekommen wir gleich zwei Mal zu sehen, was den Blick nur noch mehr auf die Inszenierung lenkt. Leider wird die in dieser Konstellation verborgene Komplexität weitgehend ignoriert, auch beim pseudo-kritischen Verweis auf Fälschungen, der vor allem auf den Stoff des artverwandten Films Alien Autopsy anspielt, bleibt es bei Andeutungen.

    Die Reflexion des Fabrizierten leistet Don Miguel nicht, so bleibt sein Film auf einen glaubhaften Hintergrund durch Einbettung in die Realität angewiesen, um als „Mockumentary“ überzeugen zu können. Hier hat „Die Eylandt Recherche“ immerhin ein fein angedachtes Szenario für einen europaweiten Stromausfall, der 2006 auf eine Panne bei der Überführung eines Kreuzfahrtschiffes zurückgeführt wurde, zu bieten. Dieser reale Zusammenhang ist in seiner Kuriosität ein idealer Anknüpfungspunkt für Verschwörungstheorien und Umdeutungen. Hier ist das Spiel mit den Versatzstücken der Wirklichkeit sehr amüsant. Der Clou in der Realitätsanbindung ist aber das Auftreten des Lokalpolitikers und -journalisten Karsten Vüllings. Er ist in doppelter Hinsicht ein Original. Zum einen ist Vüllings tatsächlich in Duisburg Bezirksvertreter für die Gruppierung „Bürgerlich-Liberale“, zum anderen tritt er dazu noch als er selbst auf, während alle anderen Personen alleine schon durch die Besetzung mit Schauspielern (die in der Marketing-Strategie des Films natürlich keine Rolle spielen dürfen und daher nur im Abspann und sonst nirgends Erwähnung finden) deutlich ins Fiktive gerückt sind. Vüllings' schnoddrige Art, sein joviales Auftreten und selbst sein Äußeres wirken in diesem manipulativ infizierten Umfeld sinnigerweise fast schon wieder klischeehaft, so dass der Kettenraucher wie ein entfernter Verwandter Horst Schlämmers mit seinen Marotten erscheint. Der Jargon diverser Experten von der Psychologin bis zum Juristen ist dagegen oft so schlecht getroffen, dass ihre Aussagen nicht in den Verdacht der Glaubwürdigkeit geraten.

    Während die zusammenfassende Erzählerstimme aus dem Off zu den vertrauten Instrumenten des Dokumentarfilms gehört, ist die aufwändig daherkommende Bombast-Symphonik der Filmmusik von Eric Babak ein Fremdkörper und schafft keine Verbindung zwischen oder zu den Bildern, sondern wirkt eher distanzierend. Damit kann der Musikeinsatz stellvertretend für den ganzen Film stehen: Ein deutlicher Eindruck von Inkompetenz steht neben Ahnungen von (Selbst-)Parodie. Auch die im Internet lancierte Begleitkampagne wird kaum die gleiche Aufmerksamkeit erfahren wie bei Cloverfield, auch wenn Drieschs Talent vor allem beim Marketing zu liegen scheint. Die Fabrikation ist sein Metier, für eine analytische Dekonstruktion seiner Fälschungen wie sie Woody Allen mit Zelig vorführt ist in der „Eylandt Recherche“ kein Platz. Das vergnügliche Zerlegen des mühsam errichteten Szenarios ist hier die Hauptattraktion für die Zuschauer.

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