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    Todespolka
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Todespolka
    Von Marian Petraitis

    Rechtspopulismus ist in Westeuropa wieder in der gesellschaftlichen Mitte angekommen, illustre Gestalten wie Geert Wilders oder Thilo Sarrazin sind da bloß die Spitze des Eisbergs. Wo diese rasanten Erfolge der neuen Rechten enden werden, kann noch keiner wirklich vorhersehen. In seinem filmischen „Was-wäre-wenn"-Spiel wagt der österreichische Regisseur Michael Pfeifenberger mit einer Mischung aus Politsatire, Horrorfilm und Psycho-Thriller eine reichlich überzeichnete Prognose, wie sein Heimatland mit einer rechtspopulistischen Regierung und nationalem Leitdenken aussehen würde. Trotz mutiger Kompromisslosigkeit bei der Demaskierung bürgerlicher Moralvorstellungen kommt „Todespolka" mit seiner Schreckensvision aber gar nicht erst beim Publikum an. Denn neben einer schleppenden, trashigen Inszenierung verpasst es Pfeifenberger, seinen Film neben allerlei Schlägen in die Moral-Magengrube mit einem stimmigen Gesellschaftsentwurf, einer schlüssigen Handlung und glaubwürdigen Figuren auszustatten.

    Das Volk hat entschieden. Österreichs neue Bundeskanzlerin Dr. Sieglinde Führer (Tamara Stern) hat die Wahl souverän gewonnen und nimmt sich den Problemen und Ängsten ihrer Gefolgschaft an. In passender Volkstracht wendet sich die neue Landesmutter an ihre ergebenen (Spieß-)Bürger, warnt vor staatszersetzenden „Gutmenschen", kriminellen Ausländern und verspricht Recht und Ordnung. Einschneidende Veränderungen lassen nicht lange auf sich warten: Austritt aus der EU, Wiedereinführung des Schilling, Stopp der Einwanderung und Verstärkung der Polizeipräsenz. Die zwei Medizinstudenten Raphael (Stefano Bernardin) und Michael (David Wurawa) sehen die Entwicklung mit Sorge und ihre zurückhaltende Begeisterung für Frau Führer lässt sie schnell bei Polizei und Nachbarschaft anecken. Was mit schiefen Blicken der Anwohner beginnt, wird schon bald blutiger Ernst...

    Bereits mit der Eingangssequenz wird klar, mit welchem Bürgerlichkeits-Entwurf in „Todespolka" hantiert wird: Im hauseigenen SM-Studio lässt sich ein älterer Herr von einer Domina penetrieren, auspeitschen und als Hund an der Leine herumführen. Im Hintergrund dröhnt aus dem Radio die krächzende Stimme der Bundeskanzlerin. Den ergrauten Fetischisten scheint die Kombination so sehr zu begeistern, dass er von einem plötzlichen Herzinfarkt übermannt wird. Euphorisch stammelt er mit seinem letzten Atemzug eine Mischung aus „Geil" und „Sieg heil", bevor er sichtlich erfüllt den Löffel abgibt. Die Nachbarn kommen nicht besser weg. Am Esstisch sieht man triebgesteuerte Proleten im Trainingsanzug und blondierte, sensationsgierige Hausfrauen, denen das Wohl ihres Hundes mehr am Herzen liegt als das der eigenen Kinder. Auf Charakterstudien und eine differenzierte Betrachtung der Gesellschaft kommt es Pfeifenberger nicht an, stattdessen wird der Bürger als apathisches Monster präsentiert. „Todespolka" zeigt das vermeintliche Endprodukt einer von rechtem Gedankengut vernebelten Gesellschaft und wirft gar nicht erst die Frage auf, wie es dazu kommen konnte.

    Darüber hinaus ist Pfeifenberger nicht groß um Realismus bemüht. Die Dialoge wirken hölzern und bewusst wie vorgelesen. Auch auf visueller Ebene setzt der Film auf Überzeichnung. Kontrastreiche Farbgebung und grünstichiges, gleißendes Sonnenlicht lassen die Bilder wie eine Mischung aus Fiebertraum und Drogentrip wirken. So konsequent und kompromisslos „Todespolka" mit seiner grenzüberschreitenden Ästhetik wirken mag, so schnell wird ihm die maßlose Übertreibung jedoch zum Verhängnis. Gut und Böse sind sofort verteilt und die starre Konfrontationslinie von Anfang an ersichtlich, das blutige Aufeinandertreffen im Schlussakt allzu leicht vorhersehbar. Trotz kurzer Laufzeit fehlt „Todespolka" eine funktionierende Dramaturgie. Eine Entwicklung der Figuren gibt es nicht, der Nachbarschaft fehlt es genauso wie Michael an pointierter Zuspitzung über den Verlauf des Films, an Feinheiten und Kontur, um glaubwürdig, entlarvend oder zumindest komisch zu wirken.

    So verpasst Pfeifenberger die Chance, über seine Gesellschaftsprognose Debatten anzustoßen und Einsichten zu ermöglichen. Anstatt sich mit der brisanten Thematik auseinanderzusetzen und ihr mit ausdifferenzierten Figuren und der Abbildung eines gesellschaftlichen Wandels zu begegnen, entfernt er sich durch die trashige Inszenierung von ihr. Was bleibt, ist recht zahnloses Haudrauf am Rande des guten Geschmacks, den auch das kompromisslose Ende nicht mehr aus der Belanglosigkeit rettet. Nach dem blutigen Finale bleibt der tiefere Sinn dieser filmischen Auseinandersetzung erst recht nebulös. Das Gesehene bewegt einfach nicht, die abgebildete Gesellschaft mutet mit ihren grotesk überformten Protagonisten allzu realitätsfern an. Und das ist nunmal Gift für jede politische Satire.

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