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    The Happytime Murders
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    The Happytime Murders
    Von Björn Becher

    Die Jim Henson Company steht bis heute für grandiose Puppen-Unterhaltung, selbst wenn die zwei bekanntesten der vielen von Jim Henson geschaffenen Marken, nämlich die „Sesamstraße“ und die „Muppets“, inzwischen gar nicht mehr zu der Firma gehören. Den größten Erfolg der jüngeren Vergangenheit gab es daher anderswo: Disney setzte 2011 mit „Die Muppets“ ein Ausrufezeichen – doch eine neue Puppenfilm-Welle kam dadurch nicht ins Rollen. Stattdessen brachte Disney den vorsichtigen Hype sogar selbst wieder zum Verebben – und zwar mit der katastrophalen „Die Muppet Show“-Neuauflage von 2015. In dieser kam man, wie der britische HBO-Moderator John Oliver so passend bemerkte, sogar auf die absurde Idee, „Kermit ein anderes Schwein zum Ficken zu geben“.

    Eine solch derbe Formulierung am Anfang dieser Kritik zu „The Happytime Murders“ kommt nicht von ungefähr. Denn Brian Henson, der die einst von seinem Vater gegründete Jim Henson Company heute zusammen mit seinen Geschwistern leitet, setzt bei seiner dritten Regie-Arbeit fürs Kino nämlich ausgiebig auf solche Kraftausdrücke und dazu passende Bilder. Seine Puppen-Persiflage scheint dabei bewusst als Gegenbild zu den Disney-Muppets entworfen zu sein. Aber dieses Konzept geht nicht auf, denn wie auch der überzogene Gag von John Oliver zeigt, sind auch die „Muppets“ selbst im Kern eben nicht in erster Linie auf Kinderunterhaltung ausgelegt. Zudem setzt Brian Henson so stark auf die immergleichen Gags, dass er die interessanten Ansätze seiner Film-noir-Hommage mit spermasprühenden Puppen darüber vernachlässigt.

    Menschen und Puppen leben gemeinsam in der realen Welt, aber gleichberechtigt sind sie deshalb noch lange nicht. Die „Fleischis“ schauen auf die „Stoffis“ herunter, misshandeln sie und gewähren ihnen nur wenige Rechte. Phil Philips (gesprochen von Dietmar Wunder) hat dennoch geschafft, was eigentlich als unmöglich galt: Für kurze Zeit war er Polizist – als erste und auch letzte Puppe. Seit er unehrenhaft aus dem Dienst entlassen wurde, schlägt er sich als Privatdetektiv durch. Ein Erpressungsfall führt ihn dabei scheinbar zufällig mitten hinein in ein Massaker in einem Puppen-Pornoshop. Doch als kurz darauf auch Phils Bruder getötet wird, ist der Spürnase klar, dass ein mysteriöser Killer versucht, alle Stars des einstigen TV-Erfolgs „Happytime Gang“ auszuschalten. Auf eigene Faust will er nun den Mörder zur Strecke bringen. Zu dumm nur, dass seine Ex-Kollegin Connie Edwards (Melissa McCarthy) die Ermittlungen in dem Fall leitet. Denn die kann ihren Stoffi-Ex-Kollegen eh nicht ausstehen…

    Während in der englischen Originalfassung von „The Happytime Murder“ die jeweiligen Puppenspieler ihre Figuren selbst sprechen, hat man für die deutsche Fassung einige der besten Synchronsprecher der Branche verpflichtet. So ist unter anderem auch „Die drei ???“-Legende Oliver Rohrbeck in einer Minirolle als pornosüchtiges Häschen zu hören. Eine Glanznummer ist hier aber Dietmar Wunder, der sonst unter anderem Daniel Craig in den James-Bond-Abenteuern seine Stimme leiht und für den perfekten Einstieg in „The Happytime Murders“ sorgt. Als Off-Erzähler führt er uns in bewährter Film-noir-Tradition in das Geschehen ein – „Sunset Boulevard“, „Goldenes Gift“ und andere Klassiker lassen grüßen.

    Weil Wunders 007-Stimme perfekt auf den abgewrackten, dauerqualmenden Detektiv Phil Philips passt, entsteht sofort eine fesselnde Atmosphäre, die an die legendären Detektivgeschichten um Philip Marlowe erinnert. Diese Stimmung versucht Regisseur Henson die ganze Spielzeit hindurch aufrechtzuerhalten. Mehrfach verwendet er ähnlich verrauchte Voice-Over, dazu kommen die klassische Erzählung rund um eine mysteriöse Femme Fatale sowie Verabredungen in schmierigen Hinterzimmern. Jede Menge Noir-Anklänge in einem Erwachsenen-Puppen-Film also, wie man es aus der Abteilung „Henson Alternative!“ auch erwarten kann. Unter diesem Logo produziert Brian Henson nämlich schon seit Jahren exklusiv für die erwachsene Zielgruppe. Doch nach Impro-Theater, Internet-Shows und TV-Serien reicht ihm beim Kinofilm eine Krimi-Geschichte (wie beim offensichtlich als Vorbild dienenen „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“) nicht aus. Stattdessen streut er möglichst viele Sex-Gags ein, um den R-Rated-Anspruch zu untermauern.

    Dass dies funktionieren kann, zeigt sich in einer gelungenen Referenz auf „Basic Instinct“. Es bleibt allerdings das einzige Mal, dass Sex und Story wirklich zusammenkommen. Ansonsten zünden die mauen Zoten in Brian Hensons drittem Kinofilm (nach „Die Muppets Weihnachtsgeschichte“ und „Muppets - Die Schatzinsel“) fast nie. Auch weil jegliche Variation fehlt – alle Gags haben eine ähnliche Stoßrichtung und ähnliche Pointen. Das Ergebnis: Wer den ersten Witz nicht lustig findet, findet auch die fünfte Variante davon nicht lustig. Wer die erste noch lustig findet, ist nach der fünften ermüdet. Da kann noch so viel Puppen-Sperma spritzen. Zumal die Gags nicht nur deshalb besser werden, weil sie mit jeder Wiederholung immer expliziter vorgetragen werden. Und so sind die schemenhaften Puppenporno-DVD-Cover, über die die Abspanntitel laufen, noch das Witzigste am Film.

    Ähnlich einfallslos geht Henson mit seinem Setting um. Man muss das Bild einer Gesellschaft, in der Menschen und Puppen koexistieren, nicht so zwanghaft auf eine Rassismus-Analogie ummünzen, wie es mit Menschen und Orks in der misslungenen Netflix-Produktion „Bright“ gemacht wurde. Doch es verwundert schon, wie Henson diesen Ansatz nach einer starken Einführung überwiegend wegbügelt. Dass eine Puppe ihre knallblaue Stoffhaut bleichen will, um menschlicher zu wirken, ist eine starke Idee. Doch sie geht wie die gesamte Noir-Story hinter Tiraden, Geschrei, Körperflüssigkeiten oder dem Fell zerfetzter Puppen einfach unter.

    Was die Henson Company dagegen perfekt beherrscht: Die eigenen Fell-Protagonisten in Szene zu setzen. Das zeigt auch „The Happytime Murders“ wieder. Die Puppen fügen sich nahtlos in die reale Umgebung ein, die Puppenspieler leisten grandiose Arbeit. Deutlich schwieriger fällt Henson das Inszenieren seiner menschlichen Darsteller. Ausgerechnet das Komödien-Potential von Melissa McCarthy („Mike & Molly“) nutzt er kaum aus. Die Schauspielerin spielt vor allem in der ersten Hälfte mit angezogener Handbremse und verkörpert eine relativ vernünftige Polizistin. Erst eine aus heiterem Himmel auftauchende Drogensucht verleiht der Figur eine wilde Seite und verschafft McCarthy den Raum, um dem Affen sogar im buchstäblichen Sinne mehr Zucker zu geben.

    Während Fans von McCarthy nicht ganz auf ihre Kosten kommen, stiehlt ihre „Brautalarm“-Kollegin Maya Rudolph die Show. Als Bubbles, die überdrehte Sekretärin von Schnüffler Phil, hat sie selbst an den absurdesten Szenen sichtlichen Spaß. Mit Perücke, engem Fummel, hohen Stöckelschuhen und exaltierten Bewegungen gibt sie äußerlich die stereotype Vorzimmer-Blondine, lässt dabei aber stets gekonnt durchschimmern, dass diese Figur alles andere als auf den Kopf gefallen ist. Und natürlich bekommt sie ihren großen Moment, um genau das zu beweisen. Viel besser aber ist noch, wie Rudolph groteske Situationen mit nonchalantem Auftreten erdet oder mit kleinen Gesten im lauten Krawall um sie herum für den eigentlichen Witz sorgt.

    Fazit: Was „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“ mit den Toons gelang, hätte „The Happytime Murders“ mit Puppen wiederholen können. Die gelungenen Ansätze gehen aber in einem selten zündenden und ermüdend redundanten Zoten-Feuerwerk unter.

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