Mit "Heat" inszenierte Michael Mann ein Quasi-Remake seines eigenen TV-Films "L.A. Takedown" aus dem Jahre 1989. Auch darin geht es um den Cop Vincent Hanna (gespielt von Scott Plank), der wie bessessen auf der Jagd nach einem Bankräuber ist, dem von Alex McAthur dargestellten Patrick McLaren. Mit teilweise identischen Dialogen und Szenen und einem überragenden Besetzungscoup transformierte Mann den schlichten Fernsehkrimi sechs Jahre später zu einem Höhepunkt der Kinogeschichte. Zum ersten Mal trafen in "Heat" die Leinwandtitanen Al Pacino und Robert De Niro aufeinander und einen angemesseneren Rahmen, als der Regisseur ihnen setzt, hätte es dafür nicht geben können.
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Neil McCauley und seine Gang von Profiverbrechern überfallen einen Geldtransporter, doch als der Psychopath Waingro, zum ersten Mal ein Teil der Bande, ohne Not einen Wachmann erschießt, gerät der perfekt ausgetüftelte Plan gehörig aus den Fugen. Waingro kann sich mit Mühe und Not McCauleys Zorn entziehen, allerdings kommen in Person des fanatischen Detectives Vincent Hanna sehr viel schwerwiegendere Probleme auf diesen zu. Aber ein letzter Coup soll der Bande noch gelingen, auch wenn McCauley und seine Männer dafür alles opfern müssen. Doch dazu ist auch Hanna bereit...
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In der ersten Hälfte des Films reißt Mann mehr als ein halbes Dutzend Handlungsstränge an, führt eine Vielzahl von handelnden und gewichtigen Charakteren ein und vollbringt das Kunststück, sich nicht in dieser Weitschweifigkeit heillos zu verlieren, sondern jeden Schnipsel, jede noch so scheinbar unbedeutende Momentaufnahme zur absoluten Ultimativität zusammenzuführen. Wirklich alles passt und sitzt bei "Heat" an der richtigen Stelle. Dabei macht der Film die anwachsende Schwere, die er auf die Schultern der Protagonisten lädt ebenso ständig spürbar, wie die ungeheure Größe, die schiere Urgewalt, zu der er selbst im Verlauf der Story anwächst. Der Mechanismus, wie deren Einzelteile ineinandergreifen, ist von Mann perfekt konzipiert, trotz der Komplexität des Aufbaus verliert man nie die Übersicht über das Geschehen, jeder Randfigur gibt der Regisseur genügend Prägung mit, um ihren Handlungsstrang auch nach längerer Abstinenz sofort wieder aufgreifen zu können. Denn "Heat" verlässt sich keinesfalls allein auf das Duell des Cops und des Gangsters, er verlässt sich nicht allein auf Pacino und De Niro, sondern stellt die beiden in eine vielschichtige Umwelt, deren Reichtum erst dafür sorgt, dass die Konfrontation der Edelmimen eine solche mitreißende Kraft entwickelt.
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Da ist auf der einen Seite Neil McCauley, der kühl kalkulierende Einzelgänger, der nach getaner Arbeit sein unmöbeliertes Strandhaus betritt, sich selbst »allein, aber nicht einsam« nennt und der sich bedingsungslos den Regeln seines Jobs hingibt. Und da ist auf der anderen Seite Vincent Hanna, der aufbrausende Jagdhund, der nach getaner Arbeit auf den Trümmern seiner dritten Ehe steht und der sich bedingungslos den Regeln seines Jobs hingibt. Mann lässt diese beiden nicht wie Gegner aufeinandertreffen, vielmehr lässt er sie sich wie zwei Seiten der selben Sache begegnen und aus dem Respekt des einen vor dem anderen, aus der Bedeutung des einen für des anderen Taten erwächst die Spannung des gesamten Films. Wenn Pacino und De Niro schließlich, nachdem sie sich zuvor lauernd umkreist haben, sich durch Nachtsichtgeräte und Kameraobjektive beobachtet haben, in einem Café aufeinandertreffen, dann nimmt diese Plauderei in "Heat" eine Bedeutungsschwere an, als träfen Himmel und Hölle in Person aufeinander.
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Bis es soweit ist hat Manns Drehbuch und Inszenierung längst eine solche Dichte geschaffen, dass man bereits völlig in die Faszination des Films eingetaucht ist. Die Sub-Plots um Hannas heftig krieselnde Ehe, McCauleys Bekanntschaft mit der Grafikerin Eady, die ebenfalls problembeladene Beziehung von Gangmitglied Chris, sowie sämtliche den eigentlichen Hauptplot vorantreibende Szenen fügen sich zu einem nahtlosen Ganzen, so verstrickt wie brilliant ineinander verwoben. Zusätzlich ist "Heat" über die gesamte Laufzeit von immerhin 2¾Stunden von keiner einzigen Länge getrübt, was vorangig bedingt ist durch die virtuos-dynamische Kamera von Dante Spinotti. In Kombination mit dem typisch Mann'schen Blau-Farbfilter bebildert er den Film bis hin zur Unvergesslichkeit, denn intime Aufnahmen, etwa von De Niro vor der Glasfront seines Hauses, hinausblickend auf den Ozean, oder große Action-Sequenzen, wie der unfassbare, mittlerweile legendäre zehnminütige Shoot Out zwischen Cops und Gangstern, solche Motive sind nicht für den Moment, sondern für die Ewigkeit. Der Verzicht auf Studiokulissen und ausschließliche Drehs an Originalschausplätzen kommt dem außerdem zu gute. Niemand versteht sich derart gut wie Mann auf die filmische Umsetzung der Atmosphäre und des Realismusses einer Großstadt, in diesem Fall Los Angeles, das mehr als bloß einen beliebigen Hintergrund liefert. Durch die bewusste Einbindung der Panoramen und Orte, durch die Interaktion zwischen der Kamera, den Darstellern und den Locations wirkt die Stadt wie ein weiterer Protagonist.
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Nebst aller technischer und stilistischer Perfektion hat Mann zudem einen bis zur kleinsten Rolle grandiosen Cast zur Verfügung. De Niro und Pacino spielen mit rauschhafter Präsenz und Präzision, wobei De Niro mit einer überlegenen Ruhe, Pacino mit Exaltiertheit bis kurz vors Over-Acting glänzt. Aber auch Val Kilmer und Tom Sizemore setzen treffende Akzente, sobald der Plot es ihnen abverlangt, ebenso wie Kevin Gage als hassenswerter Waingro, Jon Voight als Hehler Nate, oder William Fichtner, der es als Roger Van Zant auf McCauley abgesehen hat. Frauenrollen fallen bei Mann naturgemäß eher etwas nebensächlich aus und Gefühlsnähe weiß er zumeist nur in Form von Sex zu vermitteln. Doch selbst diese prinzipielle erzählerische Limitierung Manns schafft er in "Heat" zu umgehen, denn hier ist Sex nicht die einzige, sondern vielmehr die letzte Form von Gemeinsamkeit, die zum Beispiel Hanna und seine Frau Justine teilen. Darüberhinaus definieren die Frauenrollen hier durchaus jene der Männer, indem sie für deren Träume und Hoffnungen stehen, wodurch zwar sowohl Diane Venora, als auch Amy Brenneman und Ashley Judd eher zu Erfüllungsgehilfen der Charakterisierung der männlichen Protagonisten werden, allerdings sind ihre Figuren Justine, Eady und Charlene dabei weder einander ähnlich und damit austauschbar, noch uninteressant und dank hervorragender Leistungen tragen sie ihren unverzichtbaren Teil zu "Heat" bei.
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Nicht weniger als ein Meilenstein im Genre des Crime Dramas, nicht weniger als ein Meisterwerk des Kinos, nicht weniger als einer der besten Filme aller Zeiten ist Michael Manns "Heat". Stil und Schauspiel sind nahezu unübertrefflich, die Story ist überragend konstruiert und insgesamt ist dieser Saga des Verbrechens, diesem Epos der Melancholie, dieser Oper des Maschinengewehres nicht die kleinste Schwäche nachzusagen. Nicht unerwähnt darf Elliot Goldenthals erhabener Score bleiben, der besonders den nervenzerreißend-spannenden Showdown in Zusammenhang mit dem Moby-Song "God Moving over the Face of the Waters" und der letzten Geste zwischen McCauley und Hanna auf eine beispiellose emotionale Höhe treibt. Schlussendlich ist "Heat" einer jener ganz seltenen Filme, denen man mit Worten nicht annähernd gerecht werden kann und deren volles Ausmaß sich nur in einem selbst entfaltet, wenn man ihn genossen hat.
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komplette Review siehe http://christiansfoyer.wordpress.com/2009/11/26/classic-heat/