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    Die ewigen Momente der Maria Larsson
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Die ewigen Momente der Maria Larsson
    Von Christian Horn

    Das Historiendrama „Die ewigen Momente der Maria Larsson“ des schwedischen Regisseurs Jan Troell erzählt unaufgeregt und vielschichtig von der zaghaften Emanzipation einer Frau an der Schwelle zum 20. Jahrhundert, als deren greifbarer Ausdruck und Motor ihre Hinwendung zum Fotografieren fungiert:

    Malmö, im Jahr 1909: Maria Larsson (Maria Heiskanen, Lichter der Vorstadt) ist nicht einfach nur eine Frau, sie ist vor allem eine Frau ihrer Zeit. Sie definiert sich in erster Linie als fürsorgliche Gattin ihres Mannes Sigfrid (Mikael Persbrandt, „Kommissar Beck“) und Mutter der gemeinsamen Kinder, deren Zahl im Lauf der Ehejahre auf fünf anwächst. Mit dem Fotoapparat, in dessen Besitz sie zufällig bei einer Lotterie – also durch einen gewissermaßen magischen Akt – gelangt, kann sie anfangs recht wenig anfangen: Von praktischem Nutzen, etwa was die Erziehung und Ernährung der Kinder oder die Haushaltsführung anbelangt, ist dieses seltsame Gerät jedenfalls nicht. Erst die Zusprache des älteren Fotografen Pedersen (Jesper Christensen, Tage des Zorns) eröffnet Maria die Möglichkeiten der Fotokamera, die alsbald auch einen Effekt auf ihr eigenes Selbstverständnis hat: Die Bewaffnung der Augen eröffnet Maria Larsson einen neuen Blickwinkel auf ihr eigenes Leben…

    Jan Troell erzählt die Emanzipation seiner Protagonistin nicht mit großen Gesten und Bildern, sondern sehr sensibel und zaghaft. Maria Larsson markiert lediglich den Übergang, völlig loslösen kann sie sich von den gesellschaftlichen Umständen nicht, sie testet eher neue Möglichkeiten aus. Rechnung getragen wird diesem Ansatz unter anderem damit, dass Marias Tochter Maja die Geschichte ihrer Mutter retrospektiv aus dem Off erzählt: Wenn man so will, ist Maria Larsson eine der Wegbereiterinnen der modernen Frau. So trennt sie sich auch nicht von ihrem Ehemann, der sich mitunter brutal und grob als Patriarch der Familie behaupten will, und wagt keinen endgültigen Ausbruch aus ihrem starren Rollenbild. Die Macher der Zeit um 1900 sind eben immer noch die Männer; so ist es der Besitzer des Fotoladens, der Maria das Fotografieren erst eröffnet, und das meiste Aufleben wird bei der Geburt des ersten männlichen Nachfahren gemacht. Erst als der Erste Weltkrieg ausbricht und die meisten Männer in den Krieg ziehen – auch Sigfrid, wagt die vorübergehend alleinerziehende Maria die Eröffnung eines kleinen Fotografie-Betriebes.

    Die Charakterisierung der durchweg glaubhaft gespielten Figuren und ihrer Beziehungen zueinander lässt dem Betrachter einen erfreulichen Wertungs-Spielraum. Sigfrid beispielsweise ist nicht durchgängig der Unsympath des Films (zu dem er leicht hätte gemacht werden können), sondern wird in seiner oft ignoranten und rückwärtsgewandten Haltung ernst genommen. Als er zufällig ein Foto findet, dass Maria heimlich von den gemeinsamen Kindern gemacht hat, verstummt auch er: Dass sich die Gesellschaft auf dem Weg in die Moderne befindet, ahnt auch Sigfrid in diesem Moment. Ebenso ambivalent, feinfühlig zwischen Freundschaft und Romanze oszillierend, wird die Beziehung zwischen Maria und Pedersen gezeichnet. Jan Troell zeigt in der Charakterzeichnung viele Möglichkeiten auf, von denen er - ganz wie seine Protagonistin - nicht alle weiter verfolgt.

    „Die ewigen Momente der Maria Larsson“ funktioniert daher auf mehreren, ineinander verschachtelten Ebenen: als schlichtes, aber stilvoll ausgestattetes Zeitporträt, als Emanzipationsgeschichte und Kommentar zur Rolle der Medien Film und Fotografie. Ästhetisch orientiert sich der Film dementsprechend an frühen Fotografien und arbeitet mit aufgeräumten, arrangierten Bildern. Das passt sich zwar in die Erzählweise ein, lässt Troells Film formal allerdings ein wenig langweilig werden: Pointierte, starke Bilder, die den Geist des Drehbuchs eigenständig kommunizieren, findet man in „Die ewigen Momente der Maria Larsson“ nur sehr selten, der Fokus des Dramas liegt eindeutig auf dem inhaltlichen Bereich. Das hat andererseits auch etwas für sich, gerade im Jahr 2009, in dem ein Film für gewöhnlich seine fehlende inhaltliche Stärke mit einer überwältigenden Oberfläche zu kaschieren sucht.

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