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    Nokan - Die Kunst des Ausklangs
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Nokan - Die Kunst des Ausklangs
    Von Martin Thoma

    „Haben Sie schon mal einen Toten angefasst?“, fragt der Liedermacher Funny van Dannen in seinem Stück „Guten Abend“. In ihm wendet sich der Sänger direkt an ein Publikum, dem er unterstellt, den Tod zu verdrängen. Schließlich bietet er allen Langzeitarbeitslosen unter den Zuhörern einen Job im krisensicheren „Bestattungsbereich“ an. Das mit dem „Auslands-Oscar“ ausgezeichnete Drama „Nokan - Die Kunst des Ausklangs“ des japanischen Regisseurs Yojiro Takita basiert auf einer ähnlichen Idee. Er erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der einen Job als Bestatter annimmt, nachdem ein Versuch, sich als Berufsmusiker eine Existenz aufzubauen, gescheitert ist. Anders als Funny van Dannens Lied entwickelt sich „Nokan - Die Kunst des Ausklangs“ aber zu einem ganz ernsthaften Plädoyer für diesen sonst eher als unattraktiv geltenden Berufszweig.

    Der Anfang des Films ist in seiner betont illusionslosen Haltung ungewöhnlich: Die Hauptfigur, der junge Cellist Daigo Kobayashi (Masahiro Motoki), gibt seinen lange gehegten Traum, Musiker zu werden, auf und empfindet das erst einmal nicht als Verlust, sondern als Befreiung. Dabei ist Daigo kein Versager auf seinem Instrument. Er hat es immerhin bis in ein Tokioter Symphonie-Orchester geschafft – leider in eines, das kurz darauf aufgelöst wurde. Jetzt zieht er etwas planlos mit seiner liebenden und ihm treu ergeben folgenden Ehefrau (Ryoko Hirosue) aufs Land, zurück in das Haus seiner verstorbenen Mutter. Aufgrund eines Missverständnisses nimmt er eine Arbeit als Bestatter an. Kein einfacher Job und vor allem kein angesehener, weshalb er seiner Frau auch lieber nichts davon verrät. Probleme sind vorprogrammiert. Besonders weil Daigo, nicht zuletzt dank der Beharrlichkeit seines kauzigen Vorgesetzten und Mentors Ikuei Sasaki (Tsutomu Yamazaki), in der Tätigkeit als Bestatter mehr und mehr seine wahre Bestimmung erkennt. Wie nebenbei entdeckt er auch die Liebe zu seinem Instrument neu und beginnt sogar langsam das problematische Verhältnis zu seinen Eltern aufzuarbeiten.

    „Nokan - Die Kunst des Ausklangs“ ragt in genau einer Hinsicht heraus: In der filmischen Darstellung eines traditionellen japanischen Bestattungsrituals. Das umfasst nicht nur die ausführlich gezeigte Totenwäsche und –aufbahrung und verschiedene praktische Schwierigkeiten, die dabei auftreten können. Dazu gehört auch das überzeugende Porträt der Trauergemeinden. Das Ritual des Abschieds von den Toten steht oft im klaren Kontrast zu den persönlichen Verhältnissen zwischen den Trauernden und den Verstorbenen zu deren Lebzeiten. Doch statt das Heuchlerische daran bloßzustellen – was billig wäre –, hebt Takita die Bedeutung des Abschiednehmens hervor. „Nokan - Die Kunst des Ausklangs“ ist versöhnlich, aber nicht verlogen und in seinen besten Momenten ein wirklich eindringliches Plädoyer für den würdevollen Umgang mit den Toten.

    Abgesehen von dem originellen und genauen Blick auf die Rituale um Tod und Trauer bewegt sich die Geschichte auf ausgetretenen Pfaden. Die Handlung läuft absolut vorhersehbar und wie am Schnürchen auf das versöhnliche Ende zu. Darüber hinaus ist es zumindest verwunderlich, wie hier die Tradition nicht nur im Bestattungsbereich, sondern auch in der alles andere als emanzipierten Rolle, die Daigos Frau spielt, hochgehalten wird. Bedauerlich ist auch, dass Yojiro Takita den eigentlich sehr guten Soundtrack von Joe Hisaishi (Kikujiros Sommer) mit solcher Penetranz einsetzt: über unmotivierte idyllische Landschaftsaufnahmen mit naheliegender Todessymbolik (weiße Schwäne!) gelegt, wirkt er aufgesetzt und kitschig.

    Mit Abstand am schwächsten ist „Nokan - Die Kunst des Ausklangs“ allerdings immer dann, wenn er witzig sein soll. Die Pointen wirken gesucht, die Erzählweise verkrampft und Masahiro Motoki als Daigo grimassiert als wäre er zwei Rupert Grints. Dass die Humorversuche in diesem Film fast immer nach hinten losgehen, liegt übrigens ganz sicher nicht an kulturellen Unterschieden. Gerade wer den tatsächlich irgendwie anderen Humor in vielen japanischen Filmen zu schätzen weiß, wird die Unbeholfenheit, die Yojiro Takita und sein Hauptdarsteller hier an den Tag legen, gar nicht zum Lachen finden. In der zweiten Hälfte des Films wird der Versuch, komisch zu sein, überraschend und ganz ohne längere Zeremonie begraben, was wahrlich kein Schaden ist.

    Fazit: „Nokan - Die Kunst des Ausklangs“ ist letzten Endes ein eher konventioneller Film über ein spannendes Thema, der zwar einige starke Momente, aber auch unübersehbare Schwächen hat. Warum ausgerechnet „Nokan - Die Kunst des Ausklangs“ mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet wurde, obwohl zum Beispiel Laurent Cantets starker Cannes-Gewinner Die Klasse und Ari Folmans überragender animierter Anti-Kriegs-/Dokumentarfilm Waltz With Bashir unter den Nominierten waren, wird ein Geheimnis der Academy-Mitglieder bleiben.

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