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    Der letzte Zug nach Durango
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Der letzte Zug nach Durango
    Von Björn Becher

    Als „Der letzte Zug nach Durango“ von Mario Caiano („Nosferatu in Venedig“, „Der Mann mit der Kugelpeitsche“) 1968 in die deutschen Kinos kam, war der Italo-Western noch auf dem Höhepunkt seiner Beliebtheit. Fast wöchentlich lief ein neuer Film des Genres an, darunter im selben Jahr auch starke Beiträge wie „Die Grausamen“, Töte Amigo oder „Das Gold von Sam Cooper“, die aus der Masse an vernachlässigbaren Fließbandproduktionen herausragen. All diesen Western ist gemein, dass sie hart und ernst und zum Teil auch politisch ausgerichtet sind. Immerhin lag die von Enzo Barbonis „Die rechte und die linke Hand des Teufels“ eingeleitete Phase der Westernkomödie, in deren Zuge Terrence Hill und Bud Spencer zu Stars avancierten, noch weit entfernt. Dennoch findet sich mit „Der letzte Zug nach Durango“ inmitten dieses „harten“ Jahrgangs plötzlich eine Komödie. Im Gegensatz zu den meisten Spencer/Hill-Werken wird hier zwar sehr viel gestorben, aber das unblutig und mit einer gehörigen Prise schwarzem Humor. Auch abseits der Schießereien präsentiert sich das Geschehen locker-beschwingt – nicht immer spannend und insgesamt recht harmlos, aber doch unterhaltsam. „Der letzte Zug nach Durango“ ist ganz sicher kein großer Italo-Western, aber zumindest ein anständiger Genre-Vertreter.

    Die Streuner Gringo (Anthony Steffen) und Lucas (Enrico Maria Salerno) träumen vom großen Geld. Nachdem diverse Projekte gescheitert sind, lautet das nächste Ziel: Durango. Immerhin soll man in Texas ja mit Öl reich werden können. Um sich die Zugtickets, die aufgrund der mexikanischen Revolution auf dem Schwarzmarkt horrende Summen kosten, leisten zu können, werden Pferde und Pistolen versetzt. Im Zug lernt der smarte Gringo die attraktive französische Journalistin Helen (Dominique Boschero) kennen. Doch bevor es zu einem ernsthaften Techtelmechtel kommt, wird der Zug von dem Banditen Lobo (Roberto Camardiel) und dem Revolutionär Heraclio (José Bódalo) überfallen. Die beiden klauen einen großen Geldschrank und entführen Helen. Mit mehr Glück als Verstand überleben Gringo und Lucas den Überfall. Außerdem fallen ihnen auch noch die Schlüssel zum Geldschrank in die Hände. Beseelt vom Traum, endlich reich zu werden und die schöne Helen zu ehelichen, verfolgen die beiden die Banditen. Dabei kreuzt mehrfach der adrett gekleidete, mit einem Automobil reisende Brown (Mark Damon) ihren Weg, der sie ein ums andere Mal aus einem Schlamassel befreit und danach wieder verschwindet. Ist Brown ein guter Samariter oder hat er weniger löbliche Motive?

    Im Mittelpunkt von „Der letzte Zug nach Durango“ steht die Odyssee des Buddy-Duos Gringo/Lucas, das nicht gerade heldenhaft den Banditen hinterherjagt, sondern viel mehr von einer prekären Situation in die nächste stolpert. Es birgt schon eine Portion Witz, wenn die beiden „Helden“ oftmals selbst nicht wissen, wie ihnen gerade geschieht, am Ende dann aber doch aufrecht und unverwundet dastehen. Diese Dramaturgie findet sich im Film gleich mehrfach wieder. Damit das Ganze nicht zu eintönig wird, gibt es ein paar wunderbare Nebenfiguren: Die mexikanischen Revolutionäre, die selten einer Meinung sind, lassen sich von der entführten Helen auf der Nase herumtanzen. Außerdem versuchen sie, den geraubten Geldschrank mit teils aberwitzigen Methoden zu öffnen. Der undurchsichtige Gentleman Brown taucht immer wieder wie aus dem Nichts auf und verschwindet genauso unbemerkt wieder. Damit ist er selbst für einen Italo-Western ein ungewöhnlicher Charakter, der im Rahmen der Marketing-Strategie für die deutsche DVD sogar mit James Bond verglichen wird. Dabei ist es durchaus denkbar, dass die Autoren bei dem berühmten britischen Agenten abgeguckt haben, schließlich war dessen erstes Abenteuer James Bond 007 jagt Dr. No einige Jahre zuvor in den Kinos gestartet.

    Der umtriebige Schauspieler Mark Damon („Die drei Gesichter der Furcht“, „Der Untergang des Hauses Usher“), der mittlerweile als Filmproduzent (Das Boot, Monster, „Stalingrad“, „Die unendliche Geschichte“) tätig ist, spielt den lässigen Gentleman Brown mit leichter Arroganz und ist trotz geringer Leinwandzeit der heimliche Star des Films. Eigentlich war zwar Anthony Steffen (Der Tod sagt Amen, Killer Kid) für diesen Posten vorgesehen, doch der wird von Brown locker ausgestochen. Immerhin gefällt Steffen, der sonst eher harte Rächertypen verkörperte, hier in einer humorvollen Rolle und offenbart sogar ungeahnte selbstironische Züge. Damon hat in einem Interview, das auch auf der deutschen DVD zu sehen ist, verkündet, er habe Steffen Nachhilfeunterricht am Set gegeben, weshalb dieser nicht so steif spiele wie sonst. Der komödienerprobte Enrico Maria Salerno („Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“, „Mädchen in den Krallen teuflischer Bestien“) amüsiert als überzeugender Sidekick mit einer zu großen Klappe. Die Französin Dominique Boschero („The Child - Die Stadt wird zum Alptraum“, „Zusammen in Paris“) macht mangelndes schauspielerisches Talent durch gutes Aussehen und einen wohlgeformten Oberkörper wieder wett.

    Fazit: „Der letzte Zug nach Durango“ ist ein für seinen Entstehungszeitpunkt sehr ungewöhnlicher Italo-Western, der heute wohl nur noch bei Genrefans Anklang finden wird. Dennoch sei der Film Freunden des Italo-Westerns ans Herz gelegt, weil er zumindest die richtigen Schauwerte bietet und dank locker-flockiger Erzählweise passabel unterhält. Vor allem den ausnahmsweise mal amüsanten Auftritt von Anthony Steffen sollte sich kein Fan entgehen lassen.

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