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    The Doors - When You're Strange
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    The Doors - When You're Strange
    Von Alex Todorov

    Von Alex Todorov

    Dieses Zitat aus dem Vorwort der berühmt-berüchtigten Jim-Morrison-Biographie „No One Here Gets Out Alive" von Daniel Sugerman und Jerry Hopkins steht für einen speziellen Tonfall im Umgang mit „The Doors". Gerade wenn James Douglas Morrison in den Fokus rückt, treten entweder allzu huldigende oder allzu verunglimpfende Züge in den Vordergrund. Am Blick auf Mr. Mojo Risin lässt sich die zwischen Hagiographie und Trivialisierung oszillierende Beurteilung der Band ermessen. Während die einen Morrisons überkommenes spiritualistisches Schamanentum sowie dessen diffuses Dichtertum belächeln, preist ihn die andere Fraktion als ausdrucksstarken Blues- und Rocksänger sowie denk- und wortgewaltigen Lyriker auf einer Stufe mit William S. Burroughs oder Jack Kerouac. Tom DiCillo („Living in Oblivion") versucht sich mit dem Dokumentarfilm „The Doors - When You're Strange" an einem Gegenentwurf zu Oliver Stones Morrison-Vergötterung „The Doors". Auch er nähert sich der Band über Morrison und kann sich dessen Charisma kaum entziehen – ebenso wenig wie der (Spreng-)Kraft der Musik.

    „Persönlich halte ich Jim Morrison für einen Gott."

    Im Sommer 1965 von vier Studenten formiert, gelten „The Doors" schon nach kurzer Zeit als die amerikanischen „Rolling Stones". Ray Manzareks Orgelsound, John Densmores Jazz-Percussions, Robby Kriegers Pickingstyle und Jim Morrisons Stimme machen sie in den 54 Monaten ihres Zusammenseins zu einer der eigentümlichsten und prägnantesten Rockbands des Planeten. Berüchtigte und aufsehenerregende Auftritte, ostentative Revolte gegen das Establishment: Kaum eine Band verkörpert in dem Maße die zweite Hälfte der 60er Jahre – ohne in Woodstock gespielt zu haben. Mit dem alkohol- und drogenbedingten Niedergang Morrisons, der am Widerstreit zwischen Sänger und Poet zugrunde geht, gerät das Spektakel zum Selbstzweck, die Musik zur Nebensache.

    „The Doors - When You're Strange" wird Fans an Informationen nichts Neues bieten. Sämtliche relevanten, auch schon in Oliver Stones Ehrerbietung „The Doors" porträtierten Stationen kommen zur Sprache, vom Gründungstreffen zwischen Manzarek und Morrison 1965, ersten Auftritten im Whisky A Go Go, dem Auftritt in der Ed Sullivan Show 1967, die berüchtigten Gigs in New Haven 1967 und Miami 1969, die langwierigen und kräftezehrenden Aufnahmen zu „Soft Parade" imselben Jahr und selbstredend Morrisons Tod im Pariser Exil 1971. Die Zeit-, Sozial- und Musikgeschichte läuft im Hintergrund – die Luther-King- und Kennedy-Attentate, die Bürgerrechtsbewegung, Vietnam, die Manson-Morde, Woodstock, Isle of Wight, die Tode Hendrix' und Joplins, das Kent-State-Massaker – ohne die Band und ihre Songs interpretatorisch tiefer in diesen Kontext zu betten. Dabei bergen einige der Songs Potential, jene bewegten Jahre kulturwissenschaftlich greifbar zu machen, man denke an die Ödipus-Passage aus „The End" oder an das „The old get old and the young get stronger"-Postulat aus „Five To One".

    Doch das alles wiegt nicht allzu schwer, denn DiCillo geht es nicht darum, die Bandgeschichte umzuschreiben. Er bedient sich schlicht aller bekannten Fakten (und wohl auch einiger Legenden) und verwebt diese mit ausschließlich originalem, teils bisher unveröffentlichtem Filmmaterial (unterbrochen von Auszügen aus Morrisons Filmfragment „HWY") sowie mit der fast durchgehenden Untermalung mit Doors-Songs. Heraus kommt eine der Band angemessene Melange aus Wucht und Psychedelik. Verstärkt wird dies durch den Verzicht auf Interviews mit Zeitzeugen. So ist der Film eine großartige Übersetzung des Gefühls, das „The Doors" kraft ihrer Musik und Performance vermitteln konnten. Dass die zeitliche Einordnung einiger Ereignisse im Zuge des Nebeneinanderlaufens von Band- und Zeitgeschichte Akkuratesse vermissen lässt, ist verschmerzbar. Neben den Bildern und der Musik ist im Off eine dritte Erzählinstanz installiert. Nachdem in ersten Testvorführungen stets die Monotonie des Sprechers bemängelt worden war, gelang es, Johnny Depp zu engagieren. Mit ihm, dem mit musikalischer Kompetenz gesegneten Aushilfsgitarristen auf Oasis' „Fade In-Out", schließt sich in gewisser Weise ein Kreis. Ein großes Vorbild Morrisons war Jack Kerouac, der wiederum Hunter S. Thompson („Fear And Loathing In Las Vegas") als Inspiration galt, der wiederum eng mit Johnny Depp befreundet war. Depp erzählt ansprechend zurückhaltend, indes nichts Neues.

    „He seems to have been born instantly ready for fame."

    „The Doors - When You're Strange" porträtiert Morrison als ersten Popstar, der mit einer gefährlichen Mischung aus Intelligenz und Charisma aufwartete, als Rockpoet, zerrissen zwischen zwei Existenzen, jener des zurückgezogenen Dichters und jener des aufmerksamkeitssüchtigen Pop-Fixsterns. Es sind eher Randnotizen im Film, die das faszinierende, doch letztlich um sich selbst drehende Bild Morrisons ein wenig erweitern. Dass der „Lizard King", ohne Manager, sein Bild in der Öffentlichkeit sehr genau steuerte und zahlreiche Inszenierungen eher gezieltem Kalkül als genialer Eingebung entsprungen sind, ist kein gänzlich neuer Aspekt. Ein Teil des Enigmas Morrison ist eben auch dessen unbedingte Absicht, eins sein zu wollen. Sugermans und Hopkins‘ Buch hat das heute kursierende Bild des Sängers wohl am nachhaltigsten beeinflusst. Sugerman, der zwölfjährig in den Dunstkreis der Band stieß und sein Leben dem Vermächtnis der Gruppe widmete, war zarte 26 Jahre, als er mit Jerry Hopkins die fesselndste, aber auch unkritischste Doors-Biographie verfasste. Seine anhimmelnde Kleinjungenperspektive auf die Band mit dem unverrückbaren Fokus auf dem Sänger wurde in zahllosen Artikeln, Kommentaren und Hommagen übernommen. Der Sänger der „The Doors" ist nie James Douglas Morrison, stets Jim, und diese Negierung einer Distanz gaukelt vor, dass die Person, der Mensch Morrison auf einen Nenner zu bringen ist, alle ihn kennen, alle wissen, wie er gewesen ist.

    Höhepunkte sind zweifelsfrei die Konzertszenen, in denen Morrison einem Derwisch gleich wütet, tobt, kreischt, sich windet, ekstatisch aufspringt, in sich zusammenfällt – pure Gänsehaut-Momente, ohne, dass man zwingend ein Fan sein müsste. Allein was die Konzertbilder an Revolte, Intensität und Spektakel aufbieten, ist heute nicht mehr zu finden und mit keiner pompösen Lichtshow oder gewagten Tanzeinlage generierbar. Diese auf dem Grundsatz „Obedience is Suicide" basierende Unberechenbarkeit, Wechselhaftigkeit und Launenhaftigkeit hatte ihre Bühne in den weiten Improvisationsräumen, die die Band schuf. Dort brach sich wahres Können und tiefe Intuition Bann. Zu gerne wäre man dabei gewesen.

    „The Doors - When You're Strange" ist pure Bilder- und Musikwucht. Man weiß danach kaum mehr über „The Doors". Aber das Gefühl ist da. Der Film entzündet die Lust auf so hypnotische Schönheiten wie „I Can't See Your Face in My Mind" oder so mitreißende Passagen wie jene selten erreichten letzten fünfeinhalb Minuten aus „Soft Parade", die all die ausschweifende Erratik der Band konzentrieren.

    Nachtrag: Wer am Dichter Jim Morrison Interesse hegt, dem sei Thomas Collmers „Pfeile gegen die Sonne" empfohlen.

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