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    The Bang Bang Club
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    The Bang Bang Club
    Von Tatiana Rosenstein

    Wie weit darf man für ein gutes Foto gehen? Diese Frage verfolgte den südafrikanischen Fotojournalisten Kevin Cartner, der Anfang der 1990er Jahre im Sudan ein Foto von einem in der Wüste knienden verhungernden Mädchen schoss, das von einem Geier verfolgt wurde. Für dieses in The New York Times veröffentliche Foto bekam Carter den begehrten Pulitzer-Preis. Gleichzeitig wurde er aber in zahlreichen Interviews mit der Frage konfrontiert, was mit dem sterbenden Mädchen geschah. Er konnte diese Frage nicht beantworten. Ein Jahr später nahm er sich das Leben. Das TIME Magazine berichtete über den Tod des 33-jährigen Fotografen und die Ausgabe geriet in die Hände von Steven Silver, der gerade in Südafrika drehte. Silver, der für seine mehrfach ausgezeichneten Dokumentarfilme bekannt ist, fing sofort mit der Recherche an und kam dem Bang Bang Club auf die Spur, den außer Cartner drei weitere Fotografen – Greg Marinovich, Ken Oosterbroek und João Silva – bildeten. Der Bang Bang Club ist eigentlich keine exklusive Vereinigung, sondern ein provisorischer Name, der den vier Fotografen gegeben wurde. Für die Johannesburger Zeitung The Star dokumentierten sie mit ihren beeindruckenden Bildern die ersten demokratischen Wahlen in Südafrika im Jahre 1994 und die damit verbundenen Auseinandersetzungen in der Bevölkerung vor Ort. Nur dank dieses Teams konnte die Welt, den wahren Preis des Friedens in Südafrika erfahren, der 20.000 Menschen das Leben kostete. Silver traf sich mit überlebenden Fotografen und erfuhr von einem Buch von Marinovich und Silva, das zur Veröffentlichung vorbereitet wurde. Der Filmemacher sicherte sich die Rechte und verarbeitete es in seinem Spielfilmdebüt namens „The Bang Bang Club". Das Drama feierte auf dem Filmfestival in Toronto 2010 seine Premiere.

    Die 1990er: Der 28-jährige Greg (Ryan Phillippe) trifft im südwestlichen Umland von Johannesburg ein. Er will an die begehrten Aufträge des Blatts The Star kommen und entscheidet sich, in der von Unruhen gebeutelten Region ein paar Bilder zu machen. Unterwegs wird er Zeuge eines Mordes an einem schwarzen Jungen. Er sieht dabei drei Fotografen, die mitten im Gesehen ihrem Beruf nachgehen. Wenig später verlassen sie den Tatort, während Greg sich für die riskante Aktion entscheidet, direkt ins Lager der wütenden Zulu-Krieger zu gehen und dort Bilder zu machen. Sein Mut zahlt sich aus. Er bekommt, was er wollte: Bilder, den Job bei der Zeitschrift und wenig später auch noch die Bildredakteurin als Liebhaberin. Die drei anderen Jungs, die sich als bekannte Fotografen namens Kevin Carter (Taylor Kitsch), Ken Oosterbroek (Frank Rautenbach) und João Silva (Neels Van Jaarsveld) entpuppten, schließen ihn bald in ihren engen Kreis ein und die vier Männer werden unzertrennlich. Ab jetzt arbeiten sie tagsüber Seite an Seite an ihren lebensgefährlichen Dokumentationen, abends besuchen sie die nahegelegenen Nachtklubs in Begleitung ihrer Freundinnen, um sich dort zu betrinken und zu berauschen. In den letzten Tagen vor den Wahlen wird den vier Journalisten eine letzte Mutprobe gestellt, die nicht alle von ihnen überleben werden...

    Die Eingangssequenz des Films zeigt Kevin Carter im Rundfunk-Interview, als er mit Fragen nach dem sudanesischen Mädchen und was ein gutes Foto ausmacht, konfrontiert wird. Die Szene wird abrupt und ohne Antwort von Kevin unterbrochen, um die eigentliche Handlung – die Ereignisse in Südafrika – zu zeigen. Diese wird jedoch aus der Sicht von Greg Marinovich fortgesetzt. Zur ersten Sequenz kommt der Regisseur erst etwa 20 Minuten vor dem Finale. Beim thematischen Weitblick des Dokumentarfilmers Steven Silver kann es dabei durchaus zu Verwirrungen kommen, worum es im Film eigentlich geht: Um Kevin, um Greg, um den Krieg oder um moralische Verantwortungen im fotojournalistischen Beruf? Die Fragen werden hier zwar gestellt, aber nicht beantwortet. Silver geht es vor allem um die Story und nicht, wie bei seinen renommierten Kollegen aus Hollywood, in erster Linie um die Figuren.

    Die Geschichte des Bang Bang Clubs ist die Dokumentation eines Konfliktes. Deshalb ist das Publikum von „The Bang Bang Club" gezwungen, die Reporter ganze zwei Stunden beim Fotografieren einer sich gegenseitig bekriegenden südafrikanischen Bevölkerung zu begleiten. Das Verbrechen geschieht so oft und zahlreich, dass sich im Verlauf des Films ein Abstumpfungseffekt einstellen kann. Auch wenn Silver lange Einstellungen verwendet, um das Porträt eines Vaters zu kreieren, der gerade seinen Sohn verloren hat; wenn er ihn erzählend und Tränen vergießend zeigt – die hier geschilderte lebensgefährliche Alltagswirklichkeit ist an ein im sicheren Kinosessel am anderen Ende der Welt sitzendes Publikum nicht ohne weiteres vermittelbar.

    Helfen könnte wiederum, die Vorteile des Erzählmediums Kino zu nutzen und – solange ein Filmmacher noch die nötigen Regeln der klassischen Narration beherrscht –, einen engeren Bezug zu den Figuren herzustellen. Nur einmal gelingt es Silver, inszenatorisch starke Emotionen zu erzwingen, als er den unglücklichen Unfall und Tod zweier Fotografen zeigt. Doch auch hier springt er von einer Szene zu der anderen und neigt zu einer distanziert Beobachterperspektive. Trotz des Spielfilmformats bleibt Silvers Selbstverständnis als außenstehender Berichterstatter immer spürbar. Trotz des unerfahrenen Blicks auf die Kunst der filmischen Erzählung gelingt es Silver, die Rollen stimmig zu besetzen. Die relativ „unverbrauchten" Gesichter von Kitsch, Rautenbach und Van Jaarsveld helfen die Aufmerksamkeit auf den einzig im diesem Team bekannten Schauspieler Ryan Phillipe – überzeugend in der Rolle von Marinovich – zu lenken. Ein Kinobesuch lohnt sicher für alle, die eine Affinität für Zeitdokumentation und moderne Geschichte haben.

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