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    Contact High
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Contact High
    Von Christoph Petersen

    Als Pulp Fiction 1994 nicht nur eine ganze Cineasten-Generation begeisterte, sondern auch noch in Cannes und an den Kinokassen absahnte, trug der verdiente Erfolg auch weniger schöne Blüten. Die restlichen 90er Jahre hindurch bestand die weltweite Independent-Szene zumindest gefühlt nur noch aus Quentin-Tarantino-Nachahmern. Ein Epigone jagte den nächsten, wobei sich die hippen Zitate schnell totliefen und kaum noch einen Zuschauer vor die Glotze geschweige denn in einen Kinosaal lockten. Inzwischen schien die Tarantino-Welle überstanden. Aber nun schwappt doch noch ein Nachzügler, dazu noch einer aus Österreich, in die deutschen Kinos. Doch – man höre und staune – das ist eine gute Nachricht. Denn Michael Glawoggers Kiffer-Gangster-Western-Road-Movie-Komödie „Contact High – The Good, The Bad And The Bag“ ist überdrehtes Zitatenkino at it’s best.

    Im Mittelpunkt steht eine Tasche, die ständig pulsiert, ganz so, als würde sie aus außerirdischem Gewebe bestehen. Der schwule Wiener Schrottplatzbesitzer Harry (Detlev Buck, Herr Lehmann) soll für seinen Boss Carlos (Jeremy Strong) nach Krakau reisen und die Tasche abholen. Doch der hat keine rechte Lust und schickt deshalb seinen besten Mann, den durchgeknallten, leicht zurückgebliebenen Psychopathen Schorsch (Georg Friedrich, Import/Export). Der Formel-1-Narr musste allerdings kürzlich seinen Führerschein abgeben und kann deshalb auch nicht selbst nach Polen fahren. Er gibt den Auftrag an die kinderhassende Imbissbesitzerin Mao (Pia Hierzegger, Der Knochenmann) weiter, die kurzerhand ihre Angestellten - den dauerkiffenden Max (Michael Ostrowski, Tell) und den dauerfressenden Johann (Raimund Wallisch) - in den Zug nach Krakau setzt. Am Ende jagen doch alle zugleich der Tasche hinterher, von der niemand weiß, was eigentlich drin ist…

    Die Parallelen zu Pulp Fiction sind unverkennbar. In diesem schießt Vincent (John Travolta) einer Geisel ausversehen ins Gesicht, weil Jules (Samuel L. Jackson) angeblich über einen Hubbel gefahren ist. Auch In „Contact High“ gibt es einen Hubbel, doch statt Hirn spritzt hier nur der Inhalt einer Eistüte gegen die Wand. Bei Tarantino jagen alle einem Koffer hinterher, dessen Inhalt dem Zuschauer nie offenbart wird. Diesmal ist es eben eine Tasche, wobei Glawogger das Konzept noch auf die Spitze treibt: Immerhin scheint das braune Lederding irgendwie lebendig zu sein. Und am Ende wird der Tascheninhalt vor den Augen des Zuschauers ausgeschüttet, was aber nicht heißen soll, dass dieser im Anschluss auch nur einen Deut schlauer ist – eher das Gegenteil ist der Fall. Schließlich gibt es da noch die Musik, die bei „Contact High“ ebenso wie bei „Pulp Fiction“ integraler Bestandteil des Films ist. Der Soundtrack wirkt sich direkt auf die Handlung aus – und andersherum.

    Filmstarts im Gespräch mit Michael Glawogger, Michael Ostrowski und Detlev Buck.

    Hinter dem Titel „Contact High“ verbirgt sich die Idee, dass es möglich ist, seine Gehirnströme in Telekinese-Manier zu verbinden – sprich: wenn sich der eine Drogen einschmeißt, wird auch der andere high. Und als sich Max in Krakau Ecstasy-Pillen und Magic-Mushroom-Kekse in rauen Mengen einwirft, pustet das Zeug tatsächlich auch Johann den Schädel gleich ordentlich mit durch. Mit welchem Stilwillen Glawogger diese orgiastische Tour-de-Force umsetzt, geht weit über das von Uma Thurman in die Luft gezeichnete Rechteck in Pulp Fiction hinaus. Wenn sich die Gäste einer Disco in Hunde verwandeln, das Hotelzimmer am nächsten morgen nur noch halb so groß ist wie am Abend zuvor oder die polnischen Polizisten allesamt Schweine sind, was hier durchaus wörtlich zu nehmen ist, wähnt man sich vielmehr in den absurden Fantasiewelten eines Spike Jonze (Being John Malkovich, Wo die wilden Kerle wohnen) oder Michel Gondrys (Vergiss mein nicht, The Science Of Sleep). Im furiosen Finale schwingen sich die Mosaikvögel von den Wänden in die Lüfte, die Schauplätze rutschen ineinander über und farbenfroh-psychedelische Formen, die an Austin Powers und die Swinging Sixties erinnern, bevölkern zunehmend die Leinwand.

    Fazit: Wenn sich Quentin Tarantinos Pulp Fiction und Michel Gondrys The Science Of Sleep in Wien treffen, um in Krakau gemeinsam einen Kiffen zu gehen, dann kommt „Contact High“ dabei heraus. Michael Glawoggers psychedelische Gangster-Komödie ist ebenso selbstreferenziell wie abgedreht, wirft mit spritzigen Zitaten und hammergeilen Musikstücken um sich, und macht so einfach jede Menge rosarote Laune.

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