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    Death Note
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Death Note
    Von Markus Trutt

    Während Mangas und Animes längst nicht nur in Japan die Massen begeistern, ist man im ansonsten so adaptionsfreudigen Hollywood recht zurückhaltend, was Verfilmungen von Comics und Serien aus dem Land der aufgehenden Sonne angeht. Nach den mehr als durchwachsenen Einspielergebnissen von „Ghost In The Shell“ dürfte sich das auch so bald nicht wesentlich ändern. Pläne gibt es zwar einige (aktuell befinden sich unter anderem „Akira“ und „Alita: Battle Angel“ in der Entwicklung), doch gerade kontroversere Stoffe lassen die US-Studios zögern – so auch im Fall von „Death Note“, in dem die Hauptfigur ein mordender Musterschüler ist. In Japan haben die zwölf Mangabände bereits 37 Animeepisoden, zwei Realserien und vier jeweils zweistündige Realfilme (darunter der hervorragende Zweiteiler aus „Death Note“ und „Death Note: The Last Name“ von 2006) nach sich gezogen, aber Warner hat eine lange angedachte Hollywood-Umsetzung der Kultvorlage von Tsugumi Ōba und Takeshi Obata schließlich fallengelassen. Letztlich waren es die eher zu Risiken bereiten Verantwortlichen des Streaming-Riesen Netflix, die das Projekt einer amerikanischen Verfilmung wiederbelebt und realisiert haben. Mit Adam Wingard („You’re Next“, „Blair Witch“) wurde ein bereits profilierter junger Genrespezialist als Regisseur verpflichtet, aber er wird der komplexen Vorlage in seinem mäßig spannenden Fantasy-Horror „Death Note“ nur in Ansätzen gerecht.

    Light Turner (Nat Wolff) ist ein ganz normaler Teenager an der Highschool, doch als eines Tages ein mysteriöses Notizbuch buchstäblich vom Himmel und ihm in die Hände fällt, stellt dies sein gesamtes Leben auf den Kopf. Wenig später erscheint dem Jungen nämlich der Todesgott Ryuk (Stimme im Original: Willem Dafoe), der ihm offenbart, was es mit dem Buch auf sich hat: Wenn Light darin Namen einträgt, dann sterben diese Personen unmittelbar. Die einzige Bedingung ist, dass er das Gesicht der Betroffenen kennt. Gemeinsam mit seiner neuen Freundin Mia (Margaret Qualley) beschließt Light daraufhin, seine neue Macht zu nutzen, um die Welt von Kriminellen zu befreien. Doch als sich die rätselhaften Todesfälle häufen und die Polizei unter der Leitung von Lights Vater James (Shea Whigham) im Dunkeln tappt, tritt der brillante Detektiv L (Lakeith Stanfield) auf den Plan, der Light bald schon dicht auf den Fersen ist…

    Adam Wingard und sein Drehbuchautorentrio haben sich nur einen Bruchteil der ausufernden Vorlage vorgenommen. Das ist angesichts der Stoff- und Themenfülle der Mangas eine vernünftige Entscheidung, aber die Filmemacher finden für ihre im Übrigen recht freie Adaption trotzdem keine überzeugende Dramaturgie. Anders als etwa die schon erwähnte erste japanische Realfilm-Adaption von Shusuke Kaneko, die direkt als Zweiteiler konzipiert war, fühlt sich die US-Version mit ihrem etwas unentschiedenen Ende seltsam unfertig an – wie der erste Akt einer wesentlich größeren Geschichte. Anscheinend wollte man sich die Möglichkeit einer Fortsetzung wenigstens offenhalten, aber das ist hier gar nicht das Problem. Denn obwohl wesentliche Elemente (vor allem in Bezug auf L) weggelassen werden, hetzen die Protagonisten geradezu atemlos von einer Szene zur nächsten. Kaum eine Situation, kaum eine Figur bekommt die Möglichkeit, sich zu entfalten.

    Das intensive Katz- und Mausspiel zwischen Light und L, bei dem die beiden ebenbürtigen Kontrahenten im Manga in spannungsgeladenen Konfrontationen zunächst umeinander herumschleichen, das subtile Psychoduell wird hier zügig zum lautstarken offenen Konflikt reduziert. Wesentlich schwerer wiegt allerdings noch, dass in all der Hast die moralische Komplexität der Prämisse weitestgehend auf der Strecke bleibt. Der sich zwangsläufig aufdrängende Diskurs darüber, ob und wie man die Macht des tödlichen Notizbuchs einsetzen sollte, findet nur sehr einseitig und oberflächlich statt. Spannende Fragen etwa nach der Rechtfertigung von Selbstjustiz und Todesstrafe zum (vermeintlichen) Wohle der Allgemeinheit werden nur gestreift. Statt die Handlungsweise seines Protagonisten kritisch zu beleuchten, hält sich Regisseur Adam Wingard lieber mit deplatziert wirkenden Gewaltspitzen mit deutlichen „Final Destination“-Anleihen auf. Wenn Light etwa durch die Wahl der Todesart (die er per Bucheintrag festlegen kann) für sein erstes Opfer eine skurril-amüsante Kettenreaktion auslöst, die in eine brutale Enthauptung mündet, passt diese Splattereinlage in all ihrer comichaften Übertreibung nicht so recht zum Rest des Films und schon gar nicht zur Geschichte.

    Die geschickt inszenierten Schockeffekte verfehlen ihre Wirkung nicht, aber der Effekt bleibt äußerlich, vor allem die schwammige Figurenzeichnung verhindert, dass das Geschehen auch emotional packt. Light Turner wird im Vergleich zu seinem japanischen Pendant Light Yagami zwar als weit weniger berechnend und kühl eingeführt, aber wenn er das Notizbuch des Todes zum ersten Mal ausprobiert und sich als Opfer einen Mitschüler aussucht, der mit Vorliebe seine Schulkameraden tyrannisiert, dann scheint ihm dessen schockierend blutiges Ende trotzdem in keiner Weise nahezugehen. Fast schon lachhaft ist es dann, dass Light Hunderte Federstrich-Morde später plötzlich doch noch gewisse Skrupel bekommt, zumal er seinen Vorsatz, das Buch nur gegen Verbrecher und Missetäter einzusetzen, da längst aufgeweicht hat. Nicht minder sprunghaft tritt auch Lights Nemesis L auf, den Darsteller Lakeith Stanfield („Get Out“, „Atlanta“) mal als besonnenes Genie mit autistischen Zügen, mal als hysterisches Nervenbündel anlegt.

    Während „Death Note“ sehr deutliche erzählerische Schwächen aufweist, ist die technische Umsetzung durchweg makellos. Netflix hat nicht geknausert – und das sieht man von den ansehnlichen Effekten über das durchaus opulente Produktionsdesign bis hin zur stimmigen Beleuchtung. Sehr beeindruckend ist etwa eine kurze, aber aufwendige Montage der globalen Auswirkungen von Lights Handeln und die Auftritte des Todesgotts Ryuk, der stets unheilvoll im Schatten lauert, bekommen durch die überzeugende Kombination aus handgemachten Elementen und Computertricks etwas besonders Beunruhigendes. Die undurchsichtige Kreatur sorgt (zumindest in der Originalfassung) auch für das darstellerische Highlight des Films, denn sie wird gesprochen von Willem Dafoe („Spider-Man“, „Platoon“). Der charismatische Star verleiht Ryuk mit seiner markanten Stimme eine einnehmende diabolische Präsenz – in seinen Szenen hat „Death Note“ dadurch einen Hauch jener Ambivalenz, die dem Film sonst fehlt.

    Fazit: Allen Schauwerten zum Trotz erreicht die hektisch erzählte Amerikanisierung des „Death Note“-Mythos nie die Tiefe der Vorlage.

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