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    Hände hoch oder ich schieße
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Hände hoch oder ich schieße
    Von Sascha Westphal

    1966 war ein schicksalhaftes Jahr für die Künstler der Deutschen Demokratischen Republik, und die Filmschaffenden traf es mit besonderer Wucht. Das 11. Plenum des ZK der SED, das Mitte Dezember 1965 tagte, sollte sich eigentlich vor allem mit Wirtschaftsfragen beschäftigen. Doch dann kam es ganz anders. Die als systemkritisch empfundenen Kunst- und Kulturschaffenden gerieten ins Visier der Tagenden. Filme wie „Das Kaninchen bin ich“ und „Denk bloß nicht ich heule“ galten von da an als beispielhaft für „falschen Liberalismus, Pessimismus und Skeptizismus“. In der Folge kam es zu einer ganzen Welle von Entlassungen bei der DEFA wie auch an anderen Stellen und zu zahlreichen Aufführungsverboten. Davon waren neben den schon erwähnten Arbeiten auch Frank Beyers Spur der Steine und Hans-Joachim Kasprziks Kriminalkomödie „Hände hoch oder ich schieße“, die niemals von den staatlichen Stellen endgültig abgenommen und dadurch auch nie ganz fertig gestellt wurde. Nun, mehr als 30 Jahre später, wurde dieses letzte Film-Opfer des 11. Plenums von der DEFA-Stiftung zusammen mit dem Filmarchiv des Bundesarchivs rekonstruiert. Kasprziks bemerkenswerte Komödie atmet in jedem Augenblick den freiheitlichen Geist der 60er Jahre. So konnte ihr die lange Zeit unter Verschluss nicht das Geringste anhaben. Wenn von nun an die Rede von deutschen Komödien ist, wird mit Sicherheit keiner mehr an dieser charmanten Provinzposse vorbeikommen.

    Leutnant Holms (Rolf Herricht) hatte immer nur einen Traum: Er wollte unbedingt Polizist werden. Nun ist er seit einiger Zeit bei der Volkspolizei in der beschaulichen Kleinstadt Wolkenheim. Alles könnte bestens sein. Doch da gibt es ein Problem. Die DDR steht in der Weltkriminalstatistik an letzter Stelle, und Wolkenheim muss wiederum ebendort in der heimischen Statistik stehen. Hier passiert nie etwas. Auch das vermeintlich gestohlene Kaninchen ist schon nach wenigen Minuten aufgespürt – es hatte sich selbstständig gemacht, um an den Kohlköpfen auf dem Feld nebenan zu knabbern. Eigentlich sollte sich Holms über seine Unterbeschäftigung freuen. Schließlich hat Prävention Priorität bei der Volkspolizei. Doch als geborener Spürhund sehnt er sich nach spektakulären Verbrechen und verfällt schließlich sogar in eine Depression. Das kann sein Freund Pinkas (Zdenek Stepanek), ein früherer Ganove, einfach nicht mehr mit ansehen, und so trommelt er seine alten Freunde für einen letzten Coup zusammen.

    „Hände hoch oder ich schieße“ beginnt wie so viele (Kriminal-)Komödien der späten 50er und der 60er Jahre mit einem animierten Vorspann. Dazu erklingt eine höchst eigenwillige Variante des damals so beliebten Easy-Listing-Jazz. Da fehlt eigentlich nur noch ein Panther, der mit einer Lupe in der Hand durch die gezeichnete Provinzszenerie tappt. Doch das war natürlich nicht drin und letzten Endes auch gar nicht nötig. Die Vorbilder, die sich Hans-Joachim Kasprzik und sein Co-Drehbuchautor Rudi Strahl für ihre Komödie um einen übereifrigen, – wenn es um das andere Geschlecht geht – allerdings ziemlich schüchternen Polizisten ausgeguckt haben, sind auch so deutlich zu erkennen. Neben „Der rosarote Panther“, Blake Edwards epochaler Farce aus dem Jahr 1963, wären da auf jeden Fall noch Sherlock Holmes und die deutschen Kriminalfilme aus der Zeit vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten zu nennen.

    Pinkas und seine überaus skurrile Bande, zu der neben Brechstange (Gerd Ehlers) und Schimmy (Adolf Peter Hoffmann) noch „Heuschnupf das Aas“ (Herbert Köfer), der „Hinker“ (Axel Triebel) und der „sanfte Waldi“ (Walter Lendrich) gehören, könnten direkt aus Gerhard Lamprechts Verfilmung von Erich Kästners berühmten Jugendbuch-Klassiker „Emil und die Detektive“ (1931) stammen. Schon ihre absurden Namen sind eine wundervolle Hommage an Kästner und die Krimis der Weimarer Republik. In dieser Zeit waren Pinkas und die anderen schließlich auch aktiv. So schlagen Hans-Joachim Kasprzik und Rudi Strahl ganz unaufdringlich einen Bogen aus den 60er Jahren in die 20er, der zum einen linienkonform den gesellschaftlichen Wandel und damit die Fortschritte der DDR illustriert, zum anderen ihre Komödie aber auch fest in einer künstlerischen Tradition verwurzelt. Nur war gerade diese Verbundenheit mit der Vergangenheit 1966 den politischen Verantwortlichen ein Dorn im Auge.

    In einem Gutachten vom 19. April 1966 merkt Dr. Franz Jahrow von der Abteilung Filmproduktion der Hauptverwaltung Film zu „Hände hoch oder ich schieße“ an: „Man hat (...) das unsichere Gefühl, einen ‚Seitenhieb’ zu erhalten. (...), so liegen in solchen scheinbar vereinzelten Gags doch Tendenzen, die angesichts der Summe dieser Einzelheiten nicht ohne weiteres übersehen werden dürfen.“ In gewisser Weise trifft Jahrow mit seinen Vorbehalten gegen Kasprziks Komödie den Nagel auf den Kopf. Natürlich machen sich der Regisseur und sein Co-Autor in einem gewissen Maße über die Zustände in der DDR lustig. Doch es ist ein sehr sanfter Spott, mit dem sie ein wenig an der Propaganda von der heilen sozialistischen Welt kratzen. Viel mehr reizt sie das Spiel mit Genreklischees und darin laufen sie dann auch zu Höchstform auf. Alleine Holms’ Träume, in denen er in der Londoner Unterwelt ermittelt, sind grandiose komödiantische Miniaturen aus dem Geist Bertolt Brechts, in denen durchaus auch satirische Seitenhiebe auf die westdeutschen Edgar-Wallace-Filme stecken.

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