Mein Konto
    Enzo Ferrari - Der Film
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    Enzo Ferrari - Der Film
    Von Christoph Petersen

    Nachdem Deutschland im April 2005 überraschend Papst geworden war, wurde dieser Umstand Opfer einer unglaublichen medialen Ausschlachtung, an deren Verwertungskette sich auch das Kino beteiligen wollte. Weil es aber nun einmal gerade keinen passenden aktuellen Film gab und eine Neuproduktion zu lange gedauert hätte, begab man sich auf die Suche und kehrte mit der italienischen Produktion „Johannes der XXIII – Für eine Welt in Frieden“ wieder zurück – diese hatte zwar das Leben des falschen Papstes zum Thema, war ursprünglich nur fürs Fernsehen konzipiert und ist auch qualitativ ganz weit unten anzusiedeln, aber wen kümmert das schon? Dieses Jahr hat nun Michael Schumacher – mehr oder weniger – überraschend seinen Rücktritt erklärt. Wieder wollte das Kino ein Stück vom Kuchen abhaben, wieder begaben sich die Filmverleiher auf die Suche nach einem thematisch irgendwie im Schatten dieses Ereignisses vermarktbaren Films und wieder wurden sie im italienischen Fernsehen fündig. Dreharbeiten 2001, TV-Ausstrahlung 2003, Neuschnitt zu einem Kinofilm 2005, deutscher Kinostart Dezember 2006 – der ehemalige TV-Zweiteiler „Enzo Ferrari – Der Film“ von Carlo Carlei hat also einen langen Weg hinter sich, der aber – zumindest für den deutschen Kinobesucher – nicht einen einzigen Pfifferling wert war.

    Eigentlich gibt der gealterte Automobilfabrikant Enzo Ferrari (Sergio Castellito) gar keine Interviews mehr, zu oft hat die Presse ihm schon die Worte im Munde verdreht. Daher ist es schon ein wenig verwunderlich, dass er den jungen Journalisten (Ed Stoppard) zu sich vorgelassen hat, dem er nun aus seinem Leben erzählt. Von seinem ersten Besuch eines Autorennens über die ersten eigenen Versuche mit der selbst gebastelten Seifenkiste bis hin zu seinen ganz großen Grand-Prix-Siegen berichtet er von seinen sportlichen Erfolgen. Aber auch der von ihm gegründete, legendäre Rennstall „Scuderia Ferrari“, seine Frau Laura (Christina Moglia), seine Geliebte Lina Lardi (Jessica Brooks), sein viel zu früh verstorbener Sohn Dino (Matthew Bose) und sein unehelicher Sohn Piero (Pietro Ragusa) haben ihren Platz in der an großen Momenten reichen Lebensgeschichte. Irgendwann wird Ferrari jedoch bewusst, dass mit seinem interessierten Gegenüber irgendetwas nicht stimmt…

    Mein Name ist Ferrari. Enzo Ferrari.

    Wenn man sich einer Legende im Kino – ohne sie in irgendeiner Weise zu hinterfragen – mit uneingeschränkter Heldenverehrung nähert, hat man eigentlich schon im Vorhinein verloren. Und weil man sich vor dem Dreh einer Enzo-Biographie zunächst die Einwilligung seines Sohnes Piero sichern muss, der schon zahlreichen Produktionen Absagen erteilt hat, weil die Erinnerungen an seinen Vater nicht positiv genug ausgefallen wären, ist eine funktionierende Herangehensweise an gerade diesen Mythos im Kino also eigentlich gar nicht möglich. Dass Regisseur Carlei nicht einfach nur das Okay für seinen Film bekommen, sondern auch sonst noch jede Unterstützung der Familie Ferrari erhalten hat, sagt eigentlich schon alles: Hier geht es nicht um den kritischen Umgang mit einer historischen Figur, die neben all den großen Taten auch viel falsch gemacht hat, sondern um ein Pathos triefendes, extrem verlogenes Heldenepos, das Enzo Ferrari ohne Sinn und Verstand auf einen strahlenden Thron hebt, während seine Kritiker im Vorbeigehen ordentlich weggetreten werden.

    Am schlimmsten trifft es die Journalisten, die im Film als ahnungslose, storygeile Idioten hingestellt werden. Gerade in Bezug auf Ferraris Todesfahrer nimmt diese Darstellung schon absurd-perverse Züge an. Während die Presseleute schon als Deppen hingestellt werden, wenn sie lediglich nachfragen, ob der Tod von zwölf Menschen an einer Rennstrecke durch einen Fehler am Auto verursacht worden sein könnte, darf Enzo selbst dann noch in Lonesome-Cowboy-Manier in den Sonnenuntergang flanieren, wenn er von seinen Todesfahrern als „Meine Vögel mit gebrochenem Flügel“ spricht und ansonsten nach dem Motto „Sie hätten ja selbst Schuld, sie haben doch gewusst, worauf sie sich einlassen“ argumentiert. Auch Enzos Machogehabe wird in ein merkwürdiges Licht getaucht: Wenn er seine Frau betrügt und diese ihm daraufhin eine Szene macht, wird sie vom Film als eifersüchtige Irre abgestempelt, während er für sein Fremdgehen als superromantischer Casanova gefeiert wird. Lediglich das stetige Anlügen seines Sohnes Dino könnte man als ernsthaft kritische Note anerkennen, aber selbst hierfür wird Enzo in der fiktiven Rahmenhandlung zum Schluss noch die Absolution erteilt. Ein ähnlich undifferenziertes Ergebnis wäre sonst eigentlich nur denkbar, wenn Rumsfeld sich an einer Biografie über seinen Bush versuchen würde.

    „Enzo Ferrari“ ist eine TV-Produktion und das merkt man dem Film im Kino leider auch schmerzlich an. Es ist gar nicht mal unbedingt, dass der Inszenierungsstil zu eintönig oder klein wäre, vielmehr sehen die – stets sonnendurchfluteten (Heldenverehrung halt!) - Fernsehbilder auf Leinwandgröße aufgeblasen einfach nur verdammt mies aus. Hinzu kommt noch eine musikalische Untermalung, welche die Bezeichnung Pathos-Bombe wohl am besten beschreiben würde, die dem Zuschauer einfach den letzten Nerv rauben muss – hier werden epochale Opernklänge ohne Unterbrechung mit einer solch unbarmherzigen Ausdauer abgenudelt, dass dem Film die Auszeichnung „Unerträglichster Score 2006“ – ohne dass man noch groß auf irgendwelche Konkurrenz acht geben müsste – eigentlich schon sicher ist. So ist „Enzo Ferrari“ schließlich nicht mehr als stumpfsinnige Lobhudelei, deren aufgemotzten Einstellungen in ihrer hohlen Verehrung einfach nur langweilen und deren Bilder eher an eine Sammlung oberflächlicher Postkartenpanoramen denn einen Kinofilm erinnern.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top