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    Masters Of Horror: Dance Of The Dead
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Masters Of Horror: Dance Of The Dead
    Von Christoph Petersen

    Tobe Hoopers mainstreamigster und wohl auch bekanntester Film ist der atmosphärisch dichte Gruselstreifen „Poltergeist“. Doch über die Jahrzehnte haben sich die Gerüchte immer mehr verdichtet, dass in Wahrheit Steven Spielberg, der im Jahr 1982 aus gewerkschaftsrechtlichen Gründen keinen zweiten Film mehr inszenieren durfte, der federführende Regisseur hinter diesem Projekt war. Doch auch ohne „Poltergeist“ hat Hooper eine immer noch eindrucksvolle Filmgraphie vorzuweisen. Nachdem er mit seinem Drama-Erstling „Eggshells“ nicht die erhoffte Aufmerksamkeit fand, setzt er bereits mit seinem zweiten Film The Texas Chainsaw Massacre ein Ausrufezeichen, das man nicht mehr so leicht unbeachtet lassen konnte. In den nächsten Jahren folgten mit „Death Trap“, „Brennen muss Salem“ und „The Texas Chainsaw Massacre 2“ noch einige sehenswerte Genrestreifen, darunter auch sein bester und sträflich unterschätzter Film „Kabinett des Schreckens“ (OT: Fun House). Doch auch wenn es dann erst einmal ruhiger um ihn wurde, die 90er Jahre sogar ziemlich bescheiden liefen, er erst nach der Jahrtausendwende mit „Toolbox Murders“ und „Mortuary“ wieder zwei zumindest solide Werke ablieferte, bleibt Hooper ein wahrer „Master Of Horror“. Daher verwundert es kaum, dass Hoopers politisch perfider Horrorstreifen „Dance Of The Dead“ nicht nur der bösartigste, sondern auch einer der besten Beiträge der ersten „Masters Of Horror“-Staffel geworden ist.

    Amerika liegt nach dem dritten Weltkrieg zu großen Teilen in Schutt und Asche, die rechtsfreien Zonen weiten sich immer weiter aus, Mord- und Vergewaltigungsraten schießen unkontrolliert in den Himmel. Die 17-jährige Schönheit Peggy (Jessica Lowndes) hat noch Glück gehabt, sie arbeitet von ihrer Mutter Kate (Marilyn Norry) wohl behütet im traditionell-konservativen Familien-Diner. Dies ändert sich jedoch schlagartig, als Blutdealer Jak (Jonathan Tucker) und seine Aussteigerfreunde auf einen Kaffee vorbeischauen. Weil sie sich gewohnt rüpelhaft benehmen, wird die Truppe zwar schnell wieder vor die Tür gesetzt, doch der charmant geheimnisvolle Jack hat es Peggy angetan. Noch in derselben Nacht begleitet sie ihn auf einen Drogentrip durch das nahe gelegene Ghetto. Die surreale Reise endet im stylishen Heavy-Metal-Club „Doom Room“, in dem Zeremonienmeister The M.C. (Robert „Freddy“ Englund, 2001 Maniacs) das Zepter führt. Als besonderes Highlight des Abends wird der „Dance Of The Dead“ aufgeführt. Mit Hilfe der Wunderdroge Blizz können Leichen für kurze Zeit einige ihrer motorischen Fähigkeiten wiedererlangen. Zur Belustigung der Partywütigen - unter dem Deckmantel legaler medizinischer Forschung - werden diese Kreaturen nun mittels Stromstößen zum „Tanzen“ gebracht. Da erkennt Peggy eine der Tänzerinnen wieder…

    Neben Joe Dantes Zombie-Satire „Homecoming“ ist „Dance Of The Dead“ der zweite Beitrag der ersten „Masters Of Horror“-Staffel, der sich als durch und durch politisch erweist. Ähnlich den künstlerischen Unternehmungen der Guantanamo-Wärter, die nackte Häftlinge übereinander stapelten, werden auch in Hoopers dunkelschwarzer Utopie hilflose – hier: weil tote - Menschen auf noch perversere Weise für niedere Unterhaltungszwecke missbraucht. Aber auch abseits der kritisch-grausamen Grundidee kann der Film voll überzeugen. Als stimmige Mischung aus rebellischem James-Dean-Jugenddrama und surrealem Drogentrip präsentiert Hooper seine aufregende Reise in das zerstörte Amerika der Zukunft. Und die überraschende Schlusswendung, die die konservative Vorstellung von Gut und Böse radikal und schonungslos auf den Kopf stellt, ist nicht einfach nur schrecklich perfide, sondern auch unendlich wirkungsvoll.

    Seit The Texas Chainsaw Massacre hat Tobe Hooper als Regisseur ganz offensichtlich eine Menge hinzugelernt. Überzeugte sein Erstling gerade durch seine raue Unfertigkeit, glänzt „Dance Of The Dead“ mit gekonnten visuellen Mätzchen. Dabei stechen vor allem zwei Sequenzen ganz besonders heraus. Zum einen natürlich der „Tanz der Toten“ selbst. Hooper beweist hier ein herrlich abartiges Gespür für die apokalyptische Dekadenz der Partyfreunde und ihre menschenverachtende Gier nach Unterhaltung. Fast noch eindrucksvoller ist aber eine andere Passage geraten. Was als sonnendurchfluteter, wunderbar kitschig weich gezeichneter Kindergeburtstag beginnt, endet in einer grausamen Katastrophe, als sich der Himmel verdunkelt und die Kuchen essenden Gäste von den chemischen Kampfstoffen des Gegners gehäutet werden. Diese Sequenz hätte auch in einem ambitionierten Anti-Kriegsfilm durchaus eine Daseinsberechtigung gehabt. So kann sich „Dance Of The Dead“ auch inszenatorisch vom Gros der „Masters Of Horror“-Episoden positiv absetzen, erinnert hier doch kaum noch etwas an die TV-Herkunft dieser düster dreckigen Genreproduktion.

    Während Joe Dante in seinem Masters Of Horror: Homecoming offen satirisch gegen die Irakpolitik der USA wetterte, ist die abgrundtiefe Bösartigkeit in Tobe Hoopers apokalyptischer Zukunftsvision „Dance Of The Dead“ ein subversiver Faustschlag mitten in Guantanamos menschenverachtende Fresse.

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