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    A Gun For Jennifer
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    A Gun For Jennifer
    Von Björn Becher

    Toughe Frauen als Rächerinnen ist im Midnight Movie schon seit jeher ein gern verwendetes Motiv. Das sind zum Beispiel die von Quentin Tarantino abgöttisch verehrten Filme wie Switchblade Sisters und „Thriller – En Grym Film“ zu nennen, oder die Pam-Grier-Blaxploitationer wie Coffy oder „Foxy Brown“. Und gerade in jüngerer Zeit werden wieder – auch außerhalb der Midnight Movies - verstärkt Frauen auf Rachefeldzug geschickt. Angefangen von Uma Thurman in den „Kill Bill“-Filmen, über Jodie Foster in Die Fremde in Dir oder Gillian Anderson in Straightheads, das Thema ist wieder in. Da passt die DVD-Veröffentlichung von Todd Morris’ „A Gun For Jennifer“ genau rein. Morris‘ 1996 entstandener Film wandelt auf dem gleichen Pfad, den auch mehr als zehn Jahre später Tarantino und Busenkumpel Robert Rodriguez mit Grindhouse einschlugen. „A Gun For Jennifer“ ist eine schäbige, gewalttätige und voll auf Frauenpower setzende „Grindhouse“-Hommage, die ihren billigen Look nie verbirgt, aber trotzdem bombig unterhält. Zudem gelang Regisseur Morris und seiner Partnerin Deborah Twiss Mitte der Neunziger, also genau zu jener Zeit, die heute als das Ende des amerikanischen Indie-Kinos angesehen wird, ein Musterbeispiel für einen Independentfilm.

    In New York sorgt eine Mordserie für Aufsehen. Die Männer, allesamt Vergewaltiger oder mit ähnlicher Vorgeschichte ausgestattet, wurden vor ihrem Tod kastriert. Dahinter steckt die Frauenbande um Anführerin Jesse (Freida Hoops), die von einem Strip-Club aus, des Nächtens zu ihren Rachefeldzügen starten. Dabei treffen sie auf Jennifer (Deborah Twiss), die gerade aus Ohio nach New York gekommen ist. Die wird das Opfer zweier Straßengangster, welche die junge Frau überfallen und vergewaltigen wollen. Die Frauengang kommt ihr zur Hilfe, überwältigt die Angreifer, kastriert sie und zwingt Jennifer, einen der beiden zu erschießen. Von nun an wird sie zum Mitglied der Bande. Der ist allerdings schon die Polizei in Form von Detective Perez (Benja Kay) und ihres jungen Partner Cahill (James O'Donoghue) auf den Fersen. Die Bande denkt trotz des gestiegenen Risikos gar nicht daran, ihre Aktivitäten einzustellen. Doch als sie einen einflussreichen Richter und einen Mafiaboss auf ihre Abschussliste setzen, überreizen sie ihr Spiel…

    „A Gun For Jennifer“ bildet nach dem serbischen Noir-Thriller „Love“ von Vladan Nikolic, der schon im Juli 2007 erschien, gemeinsam mit dem britischen Horrorfilm „Vampire Diary“ (erscheint im Mai 2008) die Fortsetzung der Midnite Xpress Collection, welche das von mehreren Arthousekinoverleihern gemeinsam betriebene DVD-Label good!movies, ins Leben rief. Eins ist klar: Das Label „Midnite Xpress“ passt perfekt auf „A Gun For Jennifer“. Der von Hauptdarstellerin Deborah Twiss und Regisseur Todd Morris gemeinsam realisierte Thriller verbindet viele Zutaten des Grindhousekinos zu einem brutalen und unterhaltsamen Genremix. Die Frauen sind auf einem kompromisslosen Rachefeldzug, die Männer nur Chauvis, denen es an den Kragen geht. Das Blut spritzt zwischenzeitlich in Fontänen, viel nackte Haut und Shootouts in Zeitlupe (Peckinpah lässt grüßen) gibt es auch zu sehen. Der männliche Zuschauer wird gleich zu Beginn auf die Probe gestellt, läutet Morris seinen Film doch mit einer brutalen Kastrationsszene ein. Wie sehr Morris auf Exploitation setzt, zeigt sich später, wenn sich die Protagonistinnen mittendrin plötzlich auf einem Bandkonzert befinden, bei dem sich die barbusige Sängerin auf der Bühne einen Fake-Penis abschneidet und das blutige Stück ins Publikum schmeißt.

    Bewegt und turbulent wie der Film selbst ist auch seine Vorgeschichte. Twiss, die mit dem Traum Schauspielerin zu werden nach Los Angeles kam und dort einen ähnlichen Weg wie viele junger Frauen mit diesem Traum einschlug – sprich: Arbeit als Bedienung in einer Bar und später als Stripperin - lernte Morris bei der Arbeit im Strip-Club kennen. Der träumte vom Filmemachen und so kamen sie auf die Idee, es zusammen zu versuchen. Sie schrieben ein Drehbuch. Doch natürlich war das Geld ein Problem. Dieses liehen sie überall, Kreditkarten wurden belastet und Deborah Twiss fing an, in einem weiteren Strip-Club aufzutreten, um das Projekt zu finanzieren. Bei dieser Arbeit lernte sie einen Mann kennen, der mit der Firma, für die er arbeitet, ihr Filmprojekt finanzieren wollte. Das klappte zu Beginn auch reibungslos, wobei sich die Filmemacher nur wunderten, dass die Schecks, die ihnen regelmäßig gebracht wurden, so krumme Summen aufwiesen. Doch die böse Überraschung kam noch. Das Geld stammte aus illegalen Quellen. Eine Horde von Anwälten tauchte plötzlich auf und forderte die sofortige Rückzahlung der gesamten, natürlich komplett beim Dreh verbrauchten Summe. Doch hinter den Anwälten stand eine japanische Firma, die sich wiederum vom bisherigen Filmmaterial begeistert zeigte und ihnen das Geld ließ. Der Weg zur Vollendung des Films war gemacht und mit Glück schaffte der es später auf ein paar Festivals. Dort präsentierten die Selfmade-Filmemacher einen lauten und brutalen, schockierenden und unterhaltsamen Thriller, dessen Bekanntheitsgrad zwar nie über kleine Untergrund-Kreise hinaus kam, aber dort teilweise Kultstatus (vor allem in Frankreich) erreichte.

    Die Darsteller sind natürlich größtenteils Amateure. Deboarah Twiss spielte die Hauptrolle selbst, auch sonst waren die meisten Mitwirkenden davor und danach nicht mehr in größeren Produktionen vor der Kamera zu bewundern. Eine Ausnahme bildet Arthur J. Nascarella, der den vorgesetzten Polizisten der Ermittler spielt und eine gute Nebendarstellerkarriere hingelegt hat, die sein Gesicht in viele Kino- und TV-Produktionen (u.a. Cop Land, The Cooler, The Sopranos”) brachte.

    „A Gun For Jennifer“ ist technisch weit entfernt von brillant, aber mit viel Liebe fürs harte und kompromisslose Undergroundkino gemacht. Zudem sind eine ganze Menge Szenen sehr ansprechend inszeniert und in seiner Gesamtheit funktioniert der Film hervorragend und zeigt sogar vielen „Klassikern“ des „Grindhouse“-Kinos, was eine Harke ist. Zwar kaum interessiert an der psychologischen Ausgestaltung ihrer Figuren, lassen es Twiss und Morris laut und nachhaltig krachen bis zum Geht-nicht-mehr, was in einem starken und actionreichen Finale mündet. Ein richtiger Exploitation-Geheimtipp.

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