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    Flucht aus L.A.
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Flucht aus L.A.
    Von Christian Horn

    Im Online-Lexikon Wikipedia wird John Carpenters Endzeit-Actionfilm „Flucht aus L.A.“ als Remake des Vorgängerfilms Die Klapperschlange angegeben, obwohl er eigentlich die Fortsetzung ist und keine Neuverfilmung. Diese Verwechslung liegt wohl darin begründet, dass Carpenter in „Flucht aus L.A.“ die Geschichte aus dem ersten Teil beinahe eins zu eins wiederholt, anstatt neue Ansätze oder Ideen einzubringen. „Das kennen Sie ja schon“, bekommt Kurt Russell (Death Proof, Poseidon) alias Snake Plissken einmal zu hören. Und rein theoretisch könnte damit auch der Zuschauer gemeint sein…

    Carpenter verlegt die Handlung von New York in ein Los Angeles, das überflutet wurde, daher vom Festland abgeschnitten ist und nun als Hochsicherheitsgefängnis dient. Allerdings nicht nur für Kriminelle, sondern auch für politisch Andersdenkende und sonstige gesellschaftliche Quergänger. In genau diesen Moloch soll zu Beginn des Films unser Held Snake Plissken eingeliefert werden, der berüchtigte Einzelkämpfer. Aber wieder einmal kommt alles anders: Utopia (A.J. Langer), die Tochter des despotischen US-Präsidenten (Cliff Robertson), hat den Prototypen eines Geräts gestohlen, mit dessen Hilfe ein EMP-Signal über die Erde geschickt werden kann. Das ist für Menschen zwar völlig unschädlich, macht aber alle elektronischen Geräte unnutzbar – selbst Toaster und Batterien. Die Konsequenz wäre folglich ein Rückwurf der Menschen in Steinzeit-ähnliche Zustände. Das Gerät hat die abtrünnige Tochter ihrem Geliebten Cuervo Jones (Georges Corraface) übergeben, einer Art Che Guevarra und die größte Nummer in Los Angeles. Die Lage ist klar: Plissken muss da rein, das Teil rausholen, den Möchtegern-Che erledigen und die böse Tochter gleich mit. Wie im ersten Teil steht ihm dafür nur eine bestimmte Zeit zur Verfügung, da ihm heimlich ein Virus eingepflanzt wird, das binnen zehn Stunden wirkt und den sofortigen Tod zur Folge hat (der alte Trick, oberflächliche Spannung zu evozieren).

    Auch der Rest des Handlungsverlaufs ist so stark an seinen Vorgänger angelehnt, dass der Verdacht eines Remakes völlig nachvollziehbar wird. Lediglich leichte Variationen lassen erkennen, dass es sich um einen neuen Film handelt. So wird die Standard-Begrüßung aus dem ersten Teil, nämlich „Ich dachte, du wärst tot“, durch „Ich dachte, du wärst größer“ abgelöst. Anstatt mit einem Gleiter setzt „Snake“ mit einem Ein-Mann-U-Boot über, anstelle von Cabbie (der Taxifahrer aus dem ersten Teil) gibt es nun Eddie und den Mad Max-Donnerkuppel-Kampf aus Teil 1 ersetzt ein lächerliches Basketballspiel um Leben und Tod. Apropos lächerlich: An peinlichen Szenen hat Carpenter nicht gespart. Das fängt schon mit der computeranimierten U-Boot-Fahrt an, die dermaßen schlecht aussieht, dass Erinnerungen an Zwischensequenzen aus uralten Videospielen wach werden. Und dann schnappt auch noch ein Hai nach dem U-Bötchen! Das ist, gelinde gesagt, totaler Bockmist. Dann das Basketballspiel: Man muss es selbst sehen. Und – als Höhepunkt der Absurdität – das Surfen auf der Tsunamiwelle gegen Ende des Films, ausgeführt zu Tarantino-Musik. Das geht mal gar nicht klar.

    John Carpenter gönnt uns in seinem verkorksten Endzeitfilm nur wenige Lichtblicke. Zum Beispiel Steve Buscemi (Reservoir Dogs, Con Air, Die Insel), der seine Rolle als nervtötender Eddie mit Bravour meistert. Und zwei Nebenrollen: Peter Fonda (Easy Rider, 3:10 To Yuma) als der irre Surf-Freak „Pipeline“ macht Spaß und Pam Grier (Jackie Brown) hat eine schöne Rolle als biestige Transe. Ansonsten natürlich Kurt Russell in seiner Paraderolle als Snake Plissken, der dieses Mal in einer stilisierten Ledermontur auftreten darf, was zeitgemäßer wirkt als seine Achtzigerjahre-Kluft aus „Die Klapperschlange“. Ein paar gute Sprüche darf er dann auch anbringen, wie beispielsweise den wunderschönen Oneliner „Leck mich, ich geh nach Hollywood!“ und den Klassiker „Nennen Sie mich Snake“, der bis zur Erschöpfung abgefeuert wird. Der wesentliche Fehler des Vorgängerfilms war, dass viel zu wenig auf die mögliche Subkultur in einem vogelfreien Gefängnis mit den Ausmaßen einer Metropole eingegangen worden ist. Das wird im zweiten Teil ansatzweise nachgeholt, zum Beispiel als Plissken den Straßenstrich passiert oder mit einer fiesen Gang Bekanntschaft macht, die stetig Nachschub an menschlichen Körperteilen benötigt. Da diese Ansätze leider nur Ansätze bleiben, können sie die dünne Geschichte jedoch auch nicht mehr retten.

    Was „Flucht aus L.A.“ ganz eindeutig fehlt, ist ein ironisches Augenzwinkern. Des Öfteren scheint diese (Selbst-)Ironie zwar unübersehbar auf, wird aber durch die dämlich überzogenen Actionsequenzen deutlich überschattet und letztlich erstickt. Leider, denn die ein oder andere Minute in Carpenters Machwerk macht tatsächlich Spaß. Die düstere Atmosphäre, die schon den ersten Teil so sehenswert machte, wirkt auch in der Fortsetzung, auch wenn sie nicht im Geringsten so liebevoll komponiert ist, und die rockige Filmmusik überzeugt ebenfalls zum größten Teil. Die meisterliche Ausleuchtung aus „Die Klapperschlange“, das gekonnte Spiel mit Licht und Schatten, muss in Los Angeles weitestgehend entbehrt werden. Da sah die Apokalypse in New York schlichtweg besser aus.

    Alles in allem ist „Flucht aus L.A“ ein von Grund auf überflüssiger Film, den wirklich kein Mensch gebraucht hätte. Während „Die Klapperschlange“ trotz einiger Fehler zu Recht den Status eines Klassikers genießt, wird das müde Sequel wohl oder übel in der Filmgeschichte verschütt gehen – ebenfalls zu Recht. Im ersten Drittel des Films spricht Snake Plissken folgende wahre Worte: „Beten Sie, dass Sie mich nicht wieder sehen. Es würde Ihnen nicht gefallen.“ Wie Recht er doch hat!

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